Beiträge von Tsubaron

    [Ibuki Nukui]
    Tag 3 – 09:56 Uhr – Gelände der Schule - Gemüsegarten (14) - Agrargebäude

    Zu Ibukis Überraschung erklärten die beiden Mädchen, dass sie nicht glauben würden, dass der Präsident ihnen feindlich gesonnen wäre. Sie fand die Begründung, dass er nichts machen würde, wenn sie nicht den ersten Schritt taten, äußerst naive. Sie befanden sich eindeutig in einer Welt die vollkommen um ihn herum aufgebaut wurde. Er war oberster Richter und Henker, wie er es den drei Jungen vor ihr schon bewiesen hatte. Und das Wiederbeleben war nur dazu da, um sie mit jedem Tod zu zermürben und damit er sich seine Stärke beweisen kann. Einfach über all diese Fakten hinweg zu sehen und zu behaupten 'er sei kein Monster' war schlicht und ergreifend einfältig.
    "Ein Gefängniswärter hat auch keinen Grund Leute zu töten, die brav in ihren Zellen sitzen." Sie warf den Beiden einen Blick voller Unverständnis für ihre Meinung zu, während sie überlegte, was sie hinzufügen könnte.
    Als ihr nichts einfiel schüttelte sie nur enttäuscht den Kopf und sah zu Hayato hinüber. Er hatte die ganze Zeit über geschwiegen, was sie beunruhigte. Er wirkte für sie nicht wie jemand, der wenig auf seine eigene Meinung lag, daher musste ihn irgend etwas bedrücken; und was ihm schwer im Magen lag, würde auch ihr massive Probleme bereiten.
    "Und, Akuma-senpai, was meinst du?"

    [Ibuki Nukui]
    Tag 3 – 09:47 Uhr – Gelände der Schule - Gemüsegarten (14) - Agrargebäude

    Als der Junge, der ihnen seit dem Treppenhaus im Schulgebäude gefolgt war, ihre Frage schlichtweg ignorierte und in seiner seltsamen, gestelzten Weise anfing allen klar zu machen, dass er keinen blassen Schimmer hatte was hier vor sich ging, stieß Ibuki einen tiefen Seufzer aus. Zum einen, weil sie sich sicher war, dass er nicht so einfach zu stoppen war, wenn er denn einmal den Mund aufgemacht hat, zum anderen weil er ihr immer noch überaus suspekt vorkam und sie so wenig Zeit wie möglich mit ihm verbringen wollte.

    "Ich hoffe, ihr verzeiht, wenn ich es mir heraus nehme, die Unterhaltung hier zu unterbrechen. Seit ich hier angekommen bin, macht so ziemlich nichts mehr einen Sinn und leider hat mir niemand erklären können, was hier läuft, obwohl ich mehrfach fragte."
    Es war ihr neu, dass er sie oder einen der anderen auch nur mehr als einmal gefragt hatte, geschweige denn überhaupt mehr als zwei oder drei Sätze von sich gegeben zu haben. Vielleicht wollte er auch nur einfach schnell eine Antwort haben und erfand dafür einfach etwas, in der Hoffnung man habe ihn nicht nur vorhin vergessen. Zwar hatte sie nicht vor ihm etwas zu sagen, aber Ibuki war sich sicher das einer der anderen ihr ohnehin zuvorkommen würde und es ihm erklären, hätte er nicht weiter seine Tirade gehalten und jedem damit den Mund verboten.


    Nachdem er noch einmal klar gemacht hatte, was er wusste und was er nicht verstand, legte er wieder eine Pause ein. Zuerst dachte Ibuki, er würde schon auf eine Antwort warten, weshalb sie selbst über ihr Blatt zu Rika und Hayato schielte. Doch dann fing er wieder an zu labern, was ihr vollkommen unverständlich war.
    'Wenn du eine Antwort willst, musst du Idiot auch darauf warten und die Leute aussprechen lassen, was ist so schwer daran?'
    "Verzeiht, wenn ich gerade etwas taktlos bin, doch ich kann nicht mit euch tanzen, wenn ihr mir keinen Rhythmus gebt. Klärt mich auf, was ihr über diese Welt wisst und was ich wissen sollte. Ihr kennt euch untereinander, ihr seid eine Weile länger hier als ich. Und ich bin mir sicher, dass ich einigen zu nahe trete."
    'Und warum in aller Welt laberst du dann weiter, wenn du weißt, dass das, was du gerade von dich gibst, dir nur Feinde macht?' Ihr ging der Junge mächtig auf den Keks. Das war jedoch noch nichts, denn als er dann anfing einfach so Hayato beim Vornamen anzusprechen und ihn wie einen Hausdiener dazu aufforderte, alles was er wusste und was nützlich sein könnte auszuspucken, konnte Ibuki sich nur all zu bildlich vorstellen, wie Hayato den Besserwisser ohne mit der Wimper zu zucken in Grund und Boden stampften wollte. Sie schmunzelte, als sie sich vorstellte, wie er das bewerkstelligen könnte. Als der Junge aber zu merken schien, dass er nichts aus Hayato heraus bekommen konnte, wandte er sich an die beiden Mädchen, wobei er auch bei ihnen so tat als würden sie alle sich seit der Grundschulzeit kennen.


    "Rika, Yukiko. Ihr beide scheint euch zu verstehen und wenn ich eure Blicke richtig deute, dann helft ihr einander und kommt so besser voran." Sie selbst legte eigentlich wenig Wert auf Sachen wie Höflichkeitsformeln und allgemeine Tabus für Konversationen, aber die Art wie er ständig 'wir' und 'uns' einsetzte, stieß ihn sogar noch kräftiger ins Aus als seine Wortwahl. "Vielleicht seid ihr auch schon weiter als die anderen, die hier im Raum sind." Für ihre Ohren klang es mehr als würde er sagen, 'Ihr beiden brütet doch was aus, also macht's Maul auf damit ich auch einen Teil des Kuchens abkriege.' Doch er machte kurz eine Pause, weshalb Ibuki hoffte, dass er endlich einen von den dreien eine Chance gab, ihm überhaupt zu antworten. Als er dann jedoch ein weiteres Mal anfing, wollte sie vor Wut den Tisch quer durch den Raum schleudern. 'Gott! Wie kann man nur so eingebildet reden und doch so dumm sein? Merkt er überhaupt noch was?'
    "Wenn wir uns die ganze Zeit darauf konzentrieren, was wir vor den anderen verstecken müssen,", begann der Junge wieder zu fachsimpeln, "wird über kurz oder lang jeder von uns in Angst vor diesem Wesen leben.", wonach er Yukiko einen vielsagenden Blick zuwarf.
    Ibuki konnte es nicht fassen. 'Fängt er nun auch noch an die Leute, die ihm eigentlich helfen sollen, zu bedrohen?' Mit einer lächerlichen Geste fuhr er fort, wobei sie ihn versuchte mit einen durchbohrenden Blick endlich zum Schweigen zu bringen, damit sie endlich ihre Diskussion weiterführen konnten. Er fing diesen Blick auf, reagierte jedoch vollkommen anders als sie es erwartet hatte.
    "Ibuki, der Satz heißt: Meldebereitschaft von jedem, der etwas gesehen hat, ist erwünscht und hilft der Schulatmosphäre."
    'Hat er das grade wirklich getan? Hat er mich gerade wirklich vor allen hier lächerlich gemacht? Ist ihm überhaupt bewusst, mit wem er sich hier anlegt?! Wahrscheinlich erwartet er jetzt auch noch ein zwölf seitige Danksagung, in der ich niedergeschrieben habe, wie viel es mir doch bedeutet und wie wertlos mein gesamtes Leben war, bis er aufgetaucht ist.'
    Ihr nervöses Zucken im rechten Augenwinkel machte sich wieder bemerkbar, eine Marotte, die sie sich vor Jahren mühsam abtrainiert hatte.
    Der einzige Grund, der sie davon abhielt, ihm nicht sofort eine zu pfeffern, war, dass er noch einen Gefallen bei ihr hatte. Sie brauchte aber nicht lange um zu dem Entschluss zu kommen, dass ihm nicht den Schädel zu zertrümmern Gefallen genug sein musste. Doch der Junge schien sein Magazin verschossen zu haben, nachdem er jedem hier mindestens einmal kräftig ans Bein gepisst hatte, weshalb Yukiko sich dazwischen schalten konnte. Auch wenn sie sachlich blieb spürte Ibuki das selbst in dem kleinen Unschuldslamm der Hass zu brodeln anfing. Und auch wenn ihr das Mädchen vollkommen gestohlen bleiben konnte, musste sie doch bewundern wie lapidar sie allen erklärte, dass sie vor vielen hier eine große Angst hatte. Als sie fort fuhr und noch genau erklärte, woher ihre Angst rührte, fühlte sich Ibuki für einen Moment sogar furchtbar, all das getan zu haben. Ihr wurde aber schnell klar, dass es nur daran lag, das sie nun einen gemeinsamen 'Feind' hatten.
    Kurz darauf war Yukiko schon dabei ihm die Grundlagen dieser Welt zu erklären und beendete es offen, damit man Sachen, die sie vergessen hatte zu erwähnen, hinzufügen kann. Ibuki hätte die Sache mit den Marken und den automatischen Erkennen von Gebäuden erklären können, aber alles ihn ihr sträubte sich dieser Person auch nur irgend etwas zu sagen.

    [Ibuki Nukui]
    Tag 3 – 09:46 Uhr – Gelände der Schule - Gemüsegarten (14) - Agrargebäude


    Nach ihrem fehlgeschlagenen Versuch an ein bisschen mehr Info über den Jungen zu kommen wurde sie von den Beiden eingekesselt und zurück zu den Toten bugsiert. Am liebsten hätte sie den beiden die sprichwörtliche Hölle heiß gemacht, aber sie war sich noch immer äußerst unsicher woher die Rothaarige diese Zuversicht nahm sie aufhalten zu können, weshalb sie sich widerspenstig geschlagen gab. Darüber hinaus war es nicht in ihrem Interesse dem kleine Grüppchen zu sehr auf die Füße zu treten, jedenfalls nicht solange diese am längeren Hebel saßen. Zähneknirschend betrat sie wieder das Agrargebäude, in dem die Jungs keinen Finger gerührt zu haben schienen. Yukiko begann, nachdem sie sich in einen Stuhl fallen ließ, von ihrer Putzaktion zu erzählen. In ihren Augen war das vollkommen unnötig, da sie beim besten Willen nicht wiederkommen würden, wenn sie nicht fertig geworden wären, aber sie ließ das redebedürftige Mädchen fertig plappern.
    Ohne lang um den heißen Brei zu reden erklärte Hayato, dass ein bestimmter Jemand beim Klauen erwischt wurde und nun alle mit äußerster Vorsicht beobachtet wurden. Yukikos Blick verriet ihr, das sie sie sofort verdächtigte, wobei sie sogar teilweise Recht haben sollte. Hayato aber schien zu wissen das Leo der eigentliche Langfinger war, jedenfalls vermutete sie, dass er zu einer anderen Beschimpfung als 'Trottel' gegriffen hätte, hätte er sie im Verdacht.
    Nachdem er einen der Aushänge auf den Tisch lag, beugte sich Ibuki über den Zettel, um noch einmal alles selbst durchzulesen und möglicherweise irgend etwas zu finden, was ihr später helfen könnte. Sie redeten weiter über das Sekretäriat, wobei Ibuki aber nur auf einen halben Ohr zuhörte, da sie sich noch immer mit dem Lesen schwer tat und Gedanken machte wie man doch an diese Marken kam, ohne den vorgeschriebenen Unterricht zu besuchen.
    Barsch unterbrach sie das Gespräch, während sie über ein paar Fachbegriffe stoplerte.
    "Was die Trulle weiß oder macht ist doch relativ egal; wichtig ist vorerst nur woher die Marken überhaupt kommen. Wenn wir diese endlose Quelle anzapfen und dabei unauffällig bleiben könnten, wäre ein geregeltes Leben in dieser Hölle schon zur Hälfte gesichert.", sie machte eine kleine Pause und fuhr sich mit ihren Fingern durch ihre Haare, während sie bei ihrem besten Willen nicht auf die Bedeutung eines der Worte kommen konnte,
    "War einer von euch schon lang genug im Unterricht gewesen um vielleicht einen Hinweis darauf bekommen zu haben?"

    [Ibuki Nukui]
    Tag 3 – 09:38 Uhr – Gelände der Schule - Schulgebäude A - große Treppe

    Ibuki hatte gehofft ein paar Momente mit Yukiko alleine sprechen zu können, doch jedes mal wenn sie eine Möglichkeit sah, machte sich Rika zwischen ihnen beiden breit. Als sich das großbusige Mädchen als 'Bewacher' anbat, hatte Ibuki gedacht sie würde nur ein Auge auf sie werfen und bei einer möglichen Eskalation dazwischen gehen, aber sie war Feuer und Flamme für diese Aufgabe.
    Keine ihrer Bewegungen entging Rika und jedes mal wenn Yukiko nicht aufpasste und ein leichtes Ziel bot machte sie überaus deutlich, dass Ibuki sich keine zwei Schritte bewegen konnte bevor sie eingreifen würde. Es war Ibuki rätselhaft, wie sie so selbstsicher Yukiko unter ihrem Schutz nehmen konnte, vor allem nach Yukikos Tod. Sie hätte mindestens etwas Angst erwartet, vielleicht auch nur eine milde Brise Respekt, wie man Respekt vor einen sehr tiefen Sprung ins Becken einer Schwimmhalle hatte. Doch davon war weit und breit nichts zu sehen, weshalb Ibuki es sich verkniff sie zu provozieren und säuberte weiter die Treppe.


    Als sie und Yukiko dann einigermaßen fertig waren streckte sie ihre schmerzenden Glieder und vor allem ihren Rücken, der durch das ständige Bücken und auf den Knien herum rutschen sich anfühlte wie ein verrostetes Scharnier.
    "Wollen wir dann wieder zurück? Ich möchte ungern von den Schülern ausgefragt werden, was wir hier tun.", erklärte Yukiko abschließend. Es schien ihr weniger Unangenehm zu sein sich in Ibukis Nähe aufzuhalten, wahrscheinlich aber auch nur, da sie sich sicher war, dass Rika alles unter Kontrolle hatte.
    Ibuki wollte nicht in der Gegenwart von den anderen Beiden nach dem Jungen neben Leo fragen, da sie zum einen den anderen Jungen mit der seltsamen Aussprache misstraute und nicht mehr Information geben wollte als unbedingt notwendig, zum anderen weil sie nicht wusste ob sie die Frage in Hayatos Gegenwart überhaupt beantworten wurde. Schließlich hatte sie keinen Grund Ibuki bei sich behalten zu wollen, vielleicht schickt sie sie sofort weg, wenn sie keinen Nutzen mehr für sie hatte. Also fragte Ibuki einfach auf gut Glück los.
    "Mehr gibt es schließlich nicht zu tun. Ach, da fällt mir grad' was ein, was ich dich schon vorhin fragen wollte. Kennst du eigentlich den Jungen der neben Leo liegt?"
    Sie hatte noch mehr sagen wollen, aber es etwas offener zu lassen schien ihr die bessere Methode, da es etwas freundlicher und unschuldiger klang als sie mit all ihren weiteren Eindrücken und Vermutungen, die sie sich schon gemacht hatte, zu bewerfen.

    [Ibuki Nukui]
    Tag 3 – 09:14 Uhr – Gelände der Schule - Gemüsegarten (14) - Agrargebäude


    Das Yukiko ihr nicht traute war vollkommen logisch, aber gleich einen Leibwächter anzuschleppen, war in Ibukis Augen völlig übertrieben. Außerdem hatte sie selbst gerade gesagt, das Ibuki mehr als oft genug die Möglichkeit, wie auch die Fähigkeit, hatte sie in einem Wimpernschlag zu töten. Weshalb sollte sie also erst im Krankenzimmer damit drohen und dann auf die offensichtlichste aller Finten ausweichen um sie zur Strecke zu bringen?
    Das Mädchen war ihr ein Rätsel, aber wahrscheinlich wirkte sie auf sie nur wie ein durchgeknallter Freak, der einfach nur leidenschaftlich gerne mordete.


    Ohne lang zu warten meldete sich Rika um Yukikos persönliche Eskorte zu mimen. Sie hatte eigentlich erwartet das Hayato sich vor allen anderen anbieten würde, der lehnte jedoch nur an einem der Tische und beobachtete das gesamte Geschehen stillschweigend. Der Junge von der Brücke stand ebenfalls ohne ein Wort zu sagen im Raum, aber ihr war unklar was er wollte, warum er hier war und wie er den emotionalen Sprung vom Reizen, zum grundlos von ihr Wegrennen, zum still im selben Raum mit ihr stehen und wirken, als wolle er all ihre tiefsten Geheimnisse allein durch Anstarren aus ihnen heraus fischen, überhaupt schaffte.
    Das alles machte ihn zu einem ähnlich schrägen Typen wie Leo, wobei sie sich sicher war das sie diesen mit ein bisschen Zeit genau dahin biegen konnte, wo sie ihn haben wollte.
    Nachdem sie den Blick von den beiden noch lebendigen Jungen hinter ihr lösen konnte, sagte sie gereizt:
    "Ich hatte ohnehin nicht vor dich umzubringen, aber wenn du unbedingt einen Babysitter willst, meinetwegen. Können wir aber dann schnell anfangen, damit wir fertig werden bevor die Schüler über den Pausenhof flitzen?"

    [Ibuki Nukui]
    Tag 3 – 09:13 Uhr – Gelände der Schule - Gemüsegarten (14) - Agrargebäude

    "Tja, wer bleibt nun hier und wer putzt auf der Treppe das Blut weg?"
    , fragte Hayato in die Runde. Natürlich war das das Letzte was sie machen würde, schließlich war sie keine verweichlichte Hausfrau, die den ganzen Tag auf sich herum hacken ließ. Kaum flog ihr der Gedanke durch den Kopf, da meldete sich auch schon Yukiko.
    "Ich würde putzen. Bis die beiden wieder leben, wird es eh noch ein wenig dauern. Und.." Das Püppchen warf ihr einen unschönen Blick zu bevor sie fort fuhr. "Ich glaube nicht, dass ich gut geeignet bin die beiden zu bewachen."
    Allein wie sie das Wort 'bewachen' aussprach machte Ibuki rasend.
    'Was soll das denn schon wieder heißen?! Bin ich deiner Meinung nach zu dumm ein paar Flecken wegzuwischen? Nicht Frau genug?'
    Für ein paar Sekunden biss sie sich wieder in die Wangen, bevor sie sich selbst zu Wort meldete:
    "Wir müssen sie nicht bewachen, tot sind sie ohnehin schon. Ich geh mit dir und helfe dir beim Sauber machen."
    Es war ihr zuwider, aber sie konnte es nicht auf sich sitzen lassen, dass Yukiko ihr bei jeder Gelegenheit auf der Nase herum tanzte. Außerdem war es eine Möglichkeit mehr über den toten Jungen neben Leo zu erfahren, da sie ihn vor dem Tragen sogar beim Vornamen genannt hatte.

    [Ibuki Nukui]
    Tag 3 – 09:02 Uhr – Gelände der Schule - Schulgebäude A - große Treppe

    Energisch biss sich Ibuki in die Wangen. In der letzten Nacht, als sie sich das Schulgelände genauer angesehen hatte, war sie in kein Gebäude eingestiegen, da sie nicht mehr Aufsehen als unbedingt notwendig erregen wollte. Es gab zwei Gebäude, die an einen Garten angrenzten, beide in der Nähe der Cafeteria, eins zu dessen rechten und eins direkt davor. Sie ging den Weg, den sie bis zum den Gebäuden nehmen musste, einmal in Gedanken durch. Sie wollte wissen, ob sie sich irgendwo in der Nähe versteckt halten konnte, sollte es länger dauern als Yukiko gerade behauptete. Ihr fiel aber auf die Schnelle nichts ein, außer dem einen Bau, das mit der Hammerfalle versehen war, und sie würde den Teufel tun dort wieder hinein zu gehen. Eventuell würde sich in den Räumen eine Möglichkeit für sie ergeben, den Jungen unter ihre Fittiche zu nehmen, sie hielt es aber für äußerst unwahrscheinlich.
    "Fein.", schoss es nur so aus ihr raus, "aber dann geht jemand von euch voraus. Noch einmal will ich nicht von einen dieser dämlichen Fallen getötet werden."

    [Ibuki Nukui]
    Tag 3 – 09:01 Uhr – Gelände der Schule - Schulgebäude A - große Treppe


    Die Rothaarige fing plötzlich an zu lamentieren, "Ich werde bestimmt nicht in das Zimmer eines fremden Jungen gehen!". Ibuki war erstaunt wie prüde das Mädchen mit der für ihr Alter wohl größten Oberweite auf Gottes guter Erde war. Einen solchen Einspruch hätte sie eher von einer 11-Jährigen erwartet, wo die Pubertät die ersten, zaghaften Schritte in das Leben eines Kindes macht; nicht von einer fast ausgereiften Frau wie ihr. Zu einem anderen Zeitpunkt hätte sie sich darüber lustig gemacht, jedoch ließ ihr die Angst vor dem Schülerpräsidenten keine Ruhe. Als sie fortfuhr und den Weg erwähnte traf es Ibuki wie einen Blitz. Sie schämte sich, einen offensichtlichen Punkt wie diesen schlichtweg vergessen zu haben. Zu allem Überfluss kam dann noch Hayato von der Seite und flüsterte ihr ins Ohr, dass er ebenfalls nichts von ihrer Idee hielt.
    Gereizt flüsterte sie im selben Ton zurück, "Und was sollen wir deiner Meinung nach machen, Schlauberger?! Willst du die Beiden etwa auf die Krankenstation bringen und wohl möglich den Präsidenten dabei über den Weg laufen?! Ich für meinen Part habe keinen Bock von dem Kerl eiskalt ermordet oder gekidnappt und gefoltert zu werden." Während sie sich immer weiter in Rage redete, fingen ihre Wangen an rot anzulaufen und sie, wie sie es immer tat sobald sie nervös wurde, begann sich in die Backen zu beißen. Doch sie ließ ihm keinen Moment um etwas erwidern zu können, er würde ihr nur die Worte im Mund herumdrehen.
    "Und darüber hinaus, ist dir nie aufgefallen, dass wir beide, die ganz oben auf seiner Abschussliste stehen, einfach so ins Schülerwohnheim gehen und uns dort aufhalten konnten, ohne auch nur einmal in den Mistkerl zu rennen? Ich sag dir warum: Er wohnt nicht dort. Weiß der Teufel wo er sich sonst rumtreibt, aber dort ist er jedenfalls nicht. Außerdem weiß er nicht, wo unsere Zimmer sind oder er kann sie nicht öffnen, ansonsten hätte er uns beide schon einen Kopf kürzer gemacht!" Sie schäumte vor Wut und ihr Herz pumpte wie verrückt, während sich ihr Kopf immer heißer anfühlte.
    "Also, wenn du jetzt so freundlich wärst und mir hilfst Leo in sein verficktes Zimmer zu tragen, dann wäre ich dir zutiefst verbunden, Sonnenschein."
    Sie war sich ziemlich sicher, dass Hayato nicht nachgeben würde, er war nicht dumm, wahrscheinlich klüger als sie. 'Sei's drum.' schoss ihr durch den Kopf.

    [Ibuki Nukui]
    Tag 3 – 09:01 Uhr – Gelände der Schule - Schulgebäude A - große Treppe


    "Würdest du mir mit Kenichi helfen? Wir müssen sie in Sicherheit bringen, falls der Schülerpräsident wieder auftauchen sollte.", sagte das Mädchen, während sie sich über Ibukis erhoffte Leibwache beugte und den Versuch, ihn aufzuheben schon längst aufgegeben hatte. Ibuki konnte ihr Unglück nicht mit Worten beschreiben.
    Die ganze Zeit hat sie bei den Anderen gestanden und womöglich mehr von sich preisgegeben als sie eigentlich wollte. Darum gebangt, dass der Schülerpräsident nirgends auftauchen und sie töten oder sonst was mit ihr anstellen würde. All das auf sich geladen, um diesen Jungen für sich zu gewinnen und eine bessere Chance zu haben den Präsident endgültig aus dem Weg zu räumen. Und dann kam das Püppchen der Yakuza daher und schnappt ihn ihr weg.
    Dass das Püppchen dem Teufel dann auch noch sagte, er solle Leo mitnehmen, war der Gipfel der Dreistigkeit.
    '"Als ob es nicht schlimm genug ist, dass du den Jungen abgreifen musst, nein, natürlich willst du auch noch den anderen unter deinen Fittichen haben. Gierige Schnepfe."
    dachte sie sich, während sie dir Stufen herunter raste und zu Leo hinüber ging.
    "Lass nur, den nehm ich.", winkte sie Hayato wieder ab. In der Zeit, in der Yukiko noch auf die Hilfe von Rika wartete, machte Ibuki schon alles bereit, um Leo mitzunehmen. Sie drehte ihn auf den Rücken und schloss Augen und Mund, welche beide krampfhaft aufgerissen waren. Dabei kam ihr ein Gedanke.
    "Püppchen, wo willst du die beiden denn überhaupt unterbringen? ich hab mir gedacht, wir könnten sie in Leos Zimmer unterbringen. Ich war da schon drin, ist sehr geräumig und dürfte für die beiden genug Platz haben. Außerdem müssen wir nicht die ganze Nacht in der Schule bleiben, wenn es doch länger dauert, bis sie wiederbelebt werden. Und...", sie fischte aus Leos Hosentasche den Schlüssel zu seinem Zimmer und verstaute ihn. "...wir wissen nicht, wo der Kurze sein Zimmer hat, was bedeutet, dass die beiden sonst nur bei einem von uns untergebracht werden könnten, wofür ich mich ebenfalls bereit erklären würde."
    Ibuki war klar, dass Yukiko niemals zustimmen würde die beiden bei ihr unterzubringen. Ob nun aus Angst, dass sie ihr doch den Jungen wieder wegschnappt oder weil sie einfach Kontrolle über andere haben wollte, wie in ihrem früheren Leben in der Yakuza. Sie war sich aber sicher, dass sie nichts dagegen auszusetzen hatte, wenn sie die Leichen in Leos Zimmer bringen würden.

    Das Wasser wurde in beachtlicher Geschwindigkeit aus dem Raum gepumpt. Ohne zu zögern schwammen sie beide an die Wasseroberfläche um endlich wieder etwas Luft in ihre Lungen zu bekommen. Während das Wasser der Luft immer mehr Platz machte beruhigte sich Albrechts Herz und sein Puls sank ebenfalls wieder zu einem Durchschnittlichen Niveau. Keuchend knieten sie auf dem nun trockenen Boden, wobei Fina weit weniger lang brauchte um sich wieder zu fangen. Sie kniete sofort neben dem Jungen und begann mit einer Wiederbelegung. Albrecht konnte ihr nicht viel helfen, also stand er auf und öffnete die Tür zum nächsten Raum.
    Dort stand schon die andere Teilgruppe, allesamt in orangen Overalls.

    Das kalte Wasser durchdrang blitzschnell jeder Faser seiner Kleidung und ließ Albrecht schlagartig frieren. Nichtsdestotrotz versuchte er sich selbst, wie auch den Jungen weiter hinab in die Tiefe zu ziehen, wobei er sich selbst eingestehen musste, dass Fina die meiste Arbeit leistete. Immer wieder meinte er eine Bewegung zu sehen, konnte aber nichts erkennen was solche verursachen könnte. Sie schwammen mit jeder Sekunde langsamer, da ihnen beide langsam die Kraft ausging und der Bewusstlose sie immer mehr nach oben zu ziehen schien, aber zu ihrem Glück konnte sich Fina am Durchgang festhalten, sodass Albrecht an ihr zur Drucktür klettern konnte. Während sie gegen den auftreibenden Körper des Jungen kämpfte, öffnete Albrecht die Schleuse und zog Fina und den Jungen mit sich hinein. Seine Lungen begannen sich zu verkrampfen und nach Sauerstoff zu verlangen, weshalb er sich beeilte die Tür wieder zu schließen. In der Zwischenzeit hatte Fina sich zur Konsole bewegt, wartete dort jedoch. Albrecht wollte seinen Augen nicht trauen, als er das sah und begann wild mit dem Armen zu fuchteln, aber bevor er auch nur nahe genug an das Mädchen herankam, um etwas zu erreichen, hatte sie schon den Schalter betätigt und fing an ihn zu beschwichtigen.

    Eine gefühlte Ewigkeit verstrich ohne eine Reaktion des Mädchens. Albrecht war nicht klar ob sie nun wirklich anfing den Verstand zu verlieren oder sie schlichtweg nicht gehört hat, was er gesagt hat, aber alleine würde es ihm schwer fallen dort hinunter zu gelangen, geschweige denn eine weitere bewusstlose Person mitschleppen zu können. Äußerst langsam und behutsam ging er zu dem Mädchen hinüber und legte seine Hand auf ihre Schulter.
    "Ist alles mit dir in Ordnung?", fragte er ein weiteres mal, nur ein bisschen lauter und deutlicher als zuvor. Das Mädchen sah ihn verwirrt an, rückte ihre Brille zurecht und räusperte sich kurz.
    "Erm.. Ja. Ja, mir geht es gut, vielen Dank der Nachfrage." Sie sah sich kurz um, als hätte sie vollkommen vergessen, wie der Raum aussah, hielt dann aber ihren Blick nach unten gerichtet, hinunter zu der Lampe über den Durchgang.
    "Sieh mal. Das Licht hat sich geändert. Das ist bestimmt unser Zeichen." Albrecht folgte ihren Blick nach unten, um sich selbst zu überzeugen, dass dieses Licht wirklich da war, da er ihr noch immer nicht ganz trauen wollte. Doch als er sich überzeugt hatte, buxierte er sie zum Jungen, wo sie beide sich einen seiner Arme über den Nacken schlugen und ihn zum Rand schleiften.
    "Bist du bereit?", fragte Albrecht, ohne den Blick von der Uhr wenden zu können, welche immer schneller zu ihrem Ende zu rasen schien. Das Mädchen steckte sich ihre Brille in eine ihrer Taschen und nickte dann energisch.
    "Auf mein Zeichen. Drei. Zwei. Eins!"

    [Ibuki Nukui]
    Tag 3 – 08:59 Uhr – Gelände der Schule - Schulgebäude - Ausgang


    Nach einer Ewigkeit des unangenehmen Schweigens sagte das Mädchen zu ihrer Linken :"So sehr ich mir wünschte etwas anderes sagen zu können... Aber ja. Ich habe es gesehen." Bei dieser Antwort fühlte Ibuki sich dumm, natürlich hatte sie es gesehen, weshalb sonst sollte sie denn sonst hier sein. Und dabei hatte sie es sich doch sogar schon gedacht, aber die Realisierung dessen kam ihr aber erst jetzt. Als keiner der Anwesenden etwas einzuwenden hatte verfielen sie wieder in die Stille wie zuvor.
    Sie wog ab, ob sich der Präsident noch dort befand, aber nichts gab ihr einen Hinweis darauf, dass er verschwunden sein könnte, weshalb sie doch die Füße still hielt. Zu ihrer Überraschung ging Yukiko als Erste aus ihrer sicheren Deckung hervor und begab sich zur Treppe.
    Ein Teil von Ibuki wollte Yukiko sofort zuvorkommen und vor ihr die Treppe erreichen, schließlich wollte sie vor den Beiden anderen nicht als feige dastehen, ein anderer Teil sagte ihr, sie solle hier hinter dem Türbogen warten und das Mädchen in ihr Verderben in Sinne einer bläulich glimmenden Klinge an der Hand des Schülerpräsidenten laufen lassen.
    Nach ein paar Sekunden des Überlegens, was denn nun zu tun war, entschied Ibuki sich dafür ihren Plan nun in die Tat umzusetzen und den Schüler in ihr Zimmer zu bringen, um dort ihre kleine eigene Leibgarde um eine weitere Person zu erweitern. Mit dem Messer in der Hand folgte sie Yukiko, jedoch mit einem Abstand von grob 5 Metern, damit Takeshi sich zuerst auf sie stürzen würde und sie selbst somit etwas Zeit zum reagieren hatte.


    Ihre Hände zitterten immer stärker, egal wie oft sie sich ins Gedächtnis rief, dass sie schon zwei Mal gestorben war und er nichts Schlimmeres mit ihr anstellen konnte, als sie umzubringen. Die Unwissenheit, wo und wann es sie treffen könnte und diese Hilflosigkeit, sich vor diesem Angriff nicht schützen zu können, außer selbst dem Präsidenten ihr Messer zwischen die Rippen zu rammen, wie 'der Teufel' es getan hatte, ließen sie alle möglichen absurden Szenarien zusammenreimen.


    In einer dieser Tagträumereien hielt Takeshi sie in genau diesem Moment von hinten fest, eine Hand vor dem Mund, die andere mit dem Schwert versehen an ihrem Rücken, doch er stach nicht zu. Er wartete darauf, dass sie realisierte, dass es keinen Ausweg gab, dass sie zu schreien und zu weinen anfing und erst nachdem er seine Macht bewiesen hatte, erlöste er sie aus diesem Nachleben um gleich wieder in das Nächste gerufen zu werden. Im Nächsten wartete er darauf, dass sie sich in einer großen Menschenmenge befand, schnappte sie an ihrem Zopf und hob sie mit Leichtigkeit vom Boden. Während sie vor Schmerz schrie und verzweifelt versuchte die Pranke, welche ihre Haare festhielt zu lösen, forderte er die Menschentraube auf, dass jemand, der nicht wollte, dass sie starb, jetzt vortreten solle. Doch alle drehten sich um, jeder Einzelne ging, selbst Leo sah sie in der feigen Meute. Und als niemand mehr zu sehen war und sie keine Träne mehr zu weinen vermochte, bereitete er ihr endlich ein Ende.
    Die Szenarien überschlugen sich, eine grotesker und niederträchtiger als die Andere, doch als sie die Leichen auf der Treppe sah verschwanden alle.
    Zwei Personen lagen dort in riesigen Blutlachen. Der erste den sie erkannte war Leo, dessen Blut in langsamen Strömen die Stufen hinunter floss und bei der Hitze schon anfing an einigen Stellen zu gerinnen. Mit offenen Mund starrte sie auf den Leichnam vor sich hinunter, doch jeder Versuch etwas zu sagen scheiterte kläglich, während sich ein Kloß in ihrem Hals bildete und kalte Schauer in regelmäßigen Intervallen ihr den Rücken hinunter liefen.

    [Ibuki Nukui]
    Tag 3 – 08:59 Uhr – Gelände der Schule - Schulgebäude - Ausgang

    Trotz all ihrer Bemühung, sich ruhig zu halten, hämmerte ihr Herz in ihrer Brust so schnell und so laut, dass sie Yukiko erst bemerkte, als sie an der anderen Seite der Tür stand und genau wie sie hinaus sah. Sofort wollte sie das Mädchen fragen, was sie denn hier wollte, aber bevor Ibuki auch nur einen Laut raus bekam fiel es ihr auf. Die Augen des Mädchens waren angsterfüllt und weit aufgerissen, sie atmete in schnellen Zügen und wirkte äußerst verunsichert.
    "Du hast es auch gesehen? Wie unser feiner Schulpräsident den Jungen aufgespießt hat, wie ein Schwein meine ich."
    Sie konzentrierte sich augenblicklich wieder auf die Treppe und hoffte darauf, dass sich Takeshi zu zeigen gab, damit sie endlich etwas unternehmen konnte.
    Jeder weitere Sekunde, in der nichts geschah, füllte sie mit einer paranoiden Angst vor den Möglichkeiten, die dem Schulpräsidenten zur Verfügung stehen könnten.
    'Was, wenn er nicht nur Nahkampfwaffen, wie dieses Schwert herstellen kann? Möglicherweise auch eine Pistole oder so etwas. Und was mach ich dann? Ich kann mich wohl kaum auf jemanden stürzen, der mich aus 15 Metern Entfernung töten kann, geschweige denn vor einen solchen Person fliehen. Und noch viel wichtiger, was passiert, wenn er mich überhaupt nicht tötet? Wenn er mich stattdessen nur foltert und mir möglicherweise jeden Tag ein Kugel ins Bein jagt? Würde mein Körper sich dann überhaupt regenerieren, so als wäre ich gestorben und wenn ja, würde es auch die Kugeln aus meinem Bein entfernen können, oder würden die für ewig dort eingewachsen bleiben?'
    Mit jedem weiteren Gedanken, der ihr durch den Kopf schoss, wurde Ibuki nervöser. Sie ließ ihr Messer immer wieder von der einen Hand in die andere wandern, wobei sie unruhig und leicht zittrig versuchte Halt im Messergriff zu finden.

    [Ibuki Nukui]
    Tag 3 - 08:54Uhr - Gelände der Schule - Schulgebäude - Raum 336


    Fassungslos starrte Ibuki aus dem Fenster, hinunter zur Treppe, wo nun der Schülerpräsident einen Unschuldigen erstochen hatte. Die blutüberströmte Klinge ragte weit aus dem Rücken des Jungen heraus, während diesen die Kraft verließ und er schlussendlich nur noch tiefer in das Schwert getrieben wurde.
    Nun verstand sie aber was 'der Teufel' meinte, als er gesagt hatte, der Schülerpräsident hätte ihn ohne mit der Wimper zu zucken in Stücke gehackt. Ob sie sich nun enttäuscht oder erleichtert darüber fühlen sollte, dass der Präsident bei weitem nicht so brutal vorging, wie der Perversling es auf der Brücke in dem einen knappen Satz beschreiben hatte, war ihr nicht klar. Sicher war aber, das er kaltherzig genug vorging um seinem Gegenüber genau klar zu machen, das er keine Chance hat zu gewinnen. Wahrscheinlich wieder um seine eigenen, machthungrigen Gelüste zu stillen und sich allem noch erhabener zu fühlen, als schon zuvor.
    Ihr Plan war ja eigentlich gewesen, so wenig Aufmerksamkeit wie möglich auf sich zu ziehen, solange sie Takeshi nicht in einen Hinterhalt töten konnte, aber diese Aktion gab ihr eine weit bessere Alternative.


    Sie stürmte aus dem Raum, ohne auch nur eine Sekunde auf die Mitschüler oder den lieben Herrn Tomate zu verschwenden, und flitzte die riesige Treppe hinunter, bis zum Türbogen des Haupteinganges. Dort angekommen stellte sie sich mit dem Rücken an die Wand, holte Kim aus ihrer Halterung und hielt sie andächtig an ihren Körper, so wie manchmal Gläubige ihre Götzen an ihren Körper pressten, um Ruhe in ihrem Glauben zu finden. Kim diente ihr hierbei in genau der selben Art und Weise, der kalte Stahl tat gut auf ihrer Haut und gab ihr die Sicherheit, niemals kraftlos und unvorbereitet zu sein. Während sie sich beruhigte ging sie noch einmal den Weg bis zu Treppe durch, überlegte sich Schleichwege bis zur Treppe und legte schon Fluchtrouten zurecht um im Fall der Fälle nicht in den Fängen von Takeshi zu landen.
    So sehr sie es sich doch wünschte, dieses Ziel war weit schwieriger auszuschalten und fast unmöglich einzuschätzen, da ihr noch so viel Wissen über diese Welt fehlten. Er schien eine alles überragend große Rolle zu spielen und war höchst wahrscheinlich nicht nur mit dieser einen Waffe ausgestattet. Deshalb wäre es Selbstmord sofort auf ihn loszustürmen. Doch was sie tun konnte war, den Ermordeten aufzunehmen, für sich zu gewinnen und wenn die Zeit reif war, würde sie ihn und Leo auf den Präsident hetzen können um selbst aus den Schatten heraus zum tödlichen Schlag auszuholen.
    'Ich meine, wer würde schon einen so hübschen Mädchen wie mir eine solche Bitte ausschlagen, vor allem wenn er in meinem Schoß aufwacht. Er wird darum betteln, diesen Gefallen wieder gut machen zu können, aber ich in meiner selbstlosen Art werde ihm erklären, dass das nicht nötig seie und ich doch nur das Beste für alle will und so etwas. Außerdem wäre noch ein Spielzeug neben Leo doch auch ganz nett.' Für einen Moment stahl sich ein Grinsen auf ihr Gesicht, aber verschwand als sie sich näher zur Tür begab um an dieser vorbei zu spähen um die Lage zu erkunden. Sobald Takeshi außer Sicht war, konnte sie ihren Plan durchziehen.

    [Ibuki Nukui]
    Tag 3 - 08:53 Uhr - Gelände der Schule - Schulgebäude - Raum 336


    "Und dann ging er einfach so weg, den gelben Regenmantel bis zum Kinn hochgezogen...", las Ibuki in erschreckend langsamen Tempo vor, "... und alles was er hinterließ war eine Fure Fure Bōzu." Der Lehrer stierte sie eine Zeit lang an, wandte sich dann aber zur Klasse.
    "Gut gemacht. Nun möchte ich, dass ihr euch in Gruppen aus Dreien zusammenfindet und über diese Kurzgeschichte sprecht. In 15 Minuten wird dann jede Gruppe einen Sprecher wählen und er oder sie erklärt, was sie in der Gruppe herausgefunden haben."
    Ihr war zwar seit dem Moment, in dem sie die Klasse betreten hatte, klar, dass der Lehrer sie auf dem Kieker hat, aber sie die ganze Geschichte durchlesen zu lassen, wobei er schon ab der 2. Zeile gemerkt hatte, dass sie nur sehr langsam las, war weit über dem, was sie vermutet hätte.
    Während der Lehrer durch die Reihen ging und den Schülern Arbeitsblätter mit den zu beantwortenden Fragen auf den Tisch knallte wanderte Ibukis Blick aus dem Fenster hinaus. Sie dachte an das Schülerwohnheim, jedoch hielt sie genauso wenig in ihrem Zimmer wie an diesen Klassenraum. Ihr Blick wanderte über die Bibliothek, aus der sie noch immer die Bücher holen wollte, über den Sportplatz mit den weiten, weißen Streifen des Baseballfelds wieder zurück zur Treppe, auf der sie mit den anderen diese Welt betreten hatte.
    Sie musste etwas die Augen zusammen kneifen, um genaue Details erkennen zu können, aber sie war sich sicher, dass es der Schülerpräsident war, der dort mit irgendeinem Schüler sprach. Sie versuchte sich an alle Schüler zu erinnern, welche sie über die Tage gesehen hatte, aber ihr fiel keiner ein, der auf diese Person zutreffen könnte.


    Mit einem kräftigen Knall landete ihr eigenes Arbeitsblatt auf dem Tisch, während das Gesicht des Lehrers wieder rot anlief.
    "Das gilt auch für Sie, Miss Nukui!"
    'Was zur Hölle hab ich dir getan, du Arschloch!?' Sie starrten einander an, wobei die dicke Luft, die zwischen ihnen hing schon förmlich zu spüren war. Nach einer Weile gab er nach, da es noch weitere Schüler gab, welche noch kein Arbeitsblatt hatten, aber sie war sich sicher, dass er genauso sehr danach verlangte seinen Willen mit dem ihren zu messen, wie sie es tat.
    Sofort sah sie wieder zum Fenster hinaus, um zu sehen, was der Schülerpräsident dort tat. Höchstwahrscheinlich nichts von Belang, oder besser ausgedrückt, nichts, was sie ohne das Gespräch zu hören wirklich richtig interpretieren konnte. Aber bis jetzt war er der Dreh- und Angelpunkt dieser Welt, also schadete es nicht, etwas mehr über ihn herauszufinden.

    [Ibuki Nukui]
    Tag 3 - 08:52 Uhr - Gelände der Schule - Schulgebäude - Raum 336


    Sobald Ibuki die Tür durchschritt, wurde ihr durch das System der Welt exakt gesagt, wo ihr Raum war und selbst wie der Lehrer, welcher momentan Unterricht hatte, hieß. Das unwohle Gefühl, dass sie immer wieder beschlich, sobald ihr diese Erinnerungen eingepflanzt wurden, machte sich wie eh und je breit und ließ ein flaues Gefühl im Magen zurück. Doch davon ließ sie sich nicht beirren und stieg die große Treppe hinauf in den obersten Stock, wo sich ihr Klassenraum befand. Der Weg fühlte sich unnötig lang an, sogar länger als der Weg in ihr Zimmer im Schülerwohnheim, war ermüdend und es gab kaum Ablenkungen, wenn man die einzelnen aufgeklebten Flyer des Musikclubs, die alle paar Wände zu sehen waren, außer acht ließ. Einzig von diesen kleinen Stück Papier ließ sich leider schwer sagen, was für ein Genre sie spielten, jedoch war sie sich sicher, dass es nichts all zu interessantes sein würde. Sie selbst war sogar mal ein Teil einer Band gewesen, Schlagzeugerin und im Notfall sogar Rapperin. Sie war nicht wirklich gut im rappen, aber ihre Kollegen waren meist eh zu zugedröhnt um irgendetwas mitzubekommen, sie hätte genauso gut eine Sopransängerin gewesen sein können und die hätten sie trotzdem aufgenommen. War ihr aber nur Recht, da sie nur umso leichter zu bestehlen waren, wenn sie erst die Spritzen weggelegt hatten. Eine lange Zeit hatte sie sich sogar in ihren Bassisten verguckt, was sie im Nachhinein sogar furchtbar bereute, da er am Abend nach einem ihrer Auftritte sich trunken vom Bier und nicht bei Sinnen aufgrund der Drogen an einem 10-Jährigen Mädchen vergangen hatte und kurz darauf die verbrauchte Luft einer Gefängniszelle schnuppern durfte. Ungefähr das war auch der Grund weshalb sich die Gruppe aufgelöst hatte, vor allem da man ihnen nun gehörig auf den Fersen war, um auch die Restlichen wegen Drogenbesitzes zu inhaftieren.
    Kaum hatte sie diesen Gedanken beendet, fand sie sich selbst vor einem Flyer des Clubs wieder, im obersten Stock des Schulgebäudes. Sie behielt diesen noch eine Zeitlang im Auge, während sie zu ihrem Raum ging, konnte sich aber einen Meter vor der Tür davon losreißen. Sie schob die Tür bei Seite, woraufhin alle Augen im Zimmer auf sie gerichtet waren. Der Lehrer, ein grauhaariger alter Mann mit gedrungener Statur und grimmigen Blick musterte erst sie, dann kramte er mit präzisen Griffen durch ein Stapel Zettel, zog einen heraus und richtete seine Brille während er laut vorlas:" Nukui, Ibuki, wenn ich das richtig sehe, oder? Wie wollen sie ihre Verspätung entschuldigen, ich bin schon ganz gespannt."
    Einige der Schüler fingen an zu grinsen, während andere konzentriert ihren Blick auf den Lehrer fixierten. Wahrscheinlich waren sie selbst schon einmal zu spät gekommen und wussten, wie es sich anfühlte, vor der ganzen Klasse so etwas zu schildern. Ibuki zuckte nur gelangweilt mit den Schultern.
    "Gar nicht.", erwiderte sie kühl und begab sich an ihren Platz, ohne den Lehrer zu beachten, welcher momentan rot anlief wie eine reife Tomate.
    Alle Schüler, die davor wie Erdmännchen in Gegend gestarrt hatten, sahen plötzlich zu ihr hinüber, unsicher ob sie ihr nun für diese Aktion gratulieren oder einen Schlag auf die Nase verpassen sollten. Ibuki genoss diese Aufmerksamkeit und merkte erst an ihrem Platz, dass sie am grinsen war.
    "Ich werde eine solche Unverschämt nicht dulden, Miss Nukui!", tobte die Tomate, "seien sie froh, dass ich diese Aktion noch einmal durchgehen lasse, aber beim nächsten Mal werde ich umgehend den Schülerpräsidenten kontaktieren. Hüten sie also ihre Zunge, junge Dame!"
    Er brummte noch ein paar Flüche in seinen nicht vorhandenen Bart, ging dann aber wieder zu seinen Unterrichtsplan über. In der Zwischenzeit machte sich Ibuki ein Bild von der Klasse. Die hier Anwesenden schienen allesamt rund ein 2 Jahre jünger als sie und rund 4 Jahre jünger als Rika sein, nur zwei fielen aus diesem Rahmen. Ein junger Mann, vom Aussehen her 21, mit langem, dunkelbraunen Haar und Tattoos rund um die Handgelenke; der andere ein Hüne eines Jungen, circa 1,85 Meter groß, vom Gesicht her ungefähr 17 Jahre alt, braungebrannt und mit schwarzen Locken.
    "So, wir werden heute mit einer Wiederholung der letzten Unterrichtsstunde anfangen. Schlagt eure Bücher auf. Kapitel 4, Seite 83, Kurzgeschichten. Miss Nukui, würden sie uns die Ehre erweisen und die ersten Zeilen vorlesen, sofern das für sie möglich ist?!"
    'Dieses gottverdammte Arschloch' dachte sie sich, während sie noch nach der Seite suchte. 'Wenn mir Takeshi nicht jetzt schon im Nacken sitzen würden, dann müsste er wahrscheinlich schon heute einen seiner Dämonenlakaien auf ewig Lebewohl sagen.'

    Seitdem Ryan, Taylee und Jack abgetaucht sind hat sich nichts verändert, von der Zeit an der Wand mal ganz abgesehen. Noch immer saß Fina besorgt neben dem Schlafenden, strich geistesabwesend über seine Hand und schien in Gedanken verloren. Er hätte ihr liebend gern geholfen, aber ihm selbst ging es auch nicht besser. Seine Bedenken, ob der Gärtner etwas mit dem Spieler zu tun hatte, waren stärker denn je, doch es gab nichts zu tun als abzuwarten und zu hoffen, dass dem nicht so war. Er tröstete sich in den Gedanken, das selbst wenn sie drei hier oben sterben würden, es doch wenigstens dem kleinen Mädchen etwas weiter half.
    Zu seiner Überraschung fing das Mädchen an zu lächeln, was Albrecht einen größeren Schrecken einjagte, als sie bitter weinen zu sehen. Er konnte nur raten, was ihr momentan durch den Kopf ging, aber eine Verrückte in ihren Reihen zu haben würde ihre Aussichten auf eine sichere Heimreise, sollte es eine solche überhaupt geben, erheblich senken. Sich jeden Laut verkneifend sah er Fina hinterher, während sie zum Rand ging und weiterhin dieses beängstigende Lächeln auf den Lippen hatte. Nach ein paar qualvoll langen Sekunden konnte er jedoch den Schreck überwinden und fragte leicht zögerlich :" Ist mit dir alles in Ordnung?"