Beiträge von Ryoki

    [Yukiko Sakamato]
    Tag 3 – 09:14 Uhr – Gelände der Schule - Gemüsegarten (14) - Agrargebäude



    "Dann übernehme ich den Bewacher, falls sich sonst niemand bereit erklärt", sagte Rika, worauf ihr Yukiko ein dankbares Lächeln zuwarf. Ibuki war nach wie vor eine der Personen, denen sie ungern alleine gegenüberstand. Darauf erwiderte Ibuki gereizt:
    "Ich hatte ohnehin nicht vor dich umzubringen, aber wenn du unbedingt einen Babysitter willst, meinetwegen. Können wir aber dann schnell anfangen, damit wir fertig werden bevor die Schüler über den Pausenhof flitzen?"


    Zu gerne hätte Yukiko ihre Äußerungen von dem Treffen in der Krankenstation zitiert. Allerdings hielt sie sich zurück, um die bereits vorhandenen Spannungen nicht noch weiter zu stärken. Außerdem war es nicht der richtige Moment. Sie würde damit warten, bis Kenichi wieder bei Bewusstsein war.


    Allerdings hatte sie leider alles andere als Unrecht. Sie sollten sich wirklich beeilen. Yukiko hatte zwar noch nie Blut weggeschrubbt, aber sie stellte es sich ziemlich aufwendig vor, sobald es anfing zu trocknen. Da Ibuki aber selbst noch keinen Finger gerührt hatte nach den notwendigen Putzuntensilien zu suchen, durchsuchte Yukiko kurzerhand mit Rikas Hilfe die Spinde in dem Raum. Sie mussten hier irgendetwas in der Richtung haben. Schließlich mussten die Blumentöpfe und Werkzeuge auch einmal gereinigt werden. So wurden sie auch schnell fündig und konnten sich mit Eimern, Schrubbern und Putzmittel bewaffnet auf den Weg machen.



    [Yukiko Sakamato]
    Tag 3 – 09:13 Uhr – Gelände der Schule - Gemüsegarten (14) - Agrargebäude


    Yukiko musste ihre Meinung revidieren. Die plötzliche Wandlung von Takeshis Charakter war doch nicht der negative Höhepunkt des Tages gewesen. Ohne eine Antwort zu geben, betrachtete Yukiko die Messerfanatikerin. Es war unschwer zu erkennen, dass ihr Yukikos Äußerung nicht gefallen hatte. Auch wenn sie nicht ganz verstand warum. Ibuki hatte sich bestimmt nicht aus Gründen der Geselligkeit mit ihnen zusammengeschlossen. Nach ihrer kleinen Unterhaltung hatte Yukiko angenommen, dass sie kein Mensch war, der sich einfach so für etwas entschied. Es musste irgendetwas geben von dem sich Ibuki einen Vorteil erhoffte. Zuerst hatte Yukiko gedacht, dass dies Kenichi wäre. So wie sie anscheinend auch Leo um den Finger gewickelt hatte. Deswegen hatte sie erwartet, dass sie sich dafür entscheiden würde, den Moment seines Erwachens nicht verpassen zu wollen. Eventuell um ihn irgendwelche Flausen über seine Rettung in den Kopf zu setzen.
    Der einzige Grund warum Yukiko das ziemlich egal war, war dass sie Kenichi zutraute ihr nicht alles blauäugig abzukaufen. Insbesondere nicht nachdem sich der Schülerpräsident, der eine Vertrauensperson seinen sollte, als das genaue Gegenteil herausgestellt hatte.
    War also sie selbst Ibukis Ziel? Verlangte sie noch immer nach 'Vergebung'? Wohl kaum. Sie glaubte nicht, dass sie das überhaupt jemals gewollt hatte. Vielleicht war es das genaue Gegenteil? Hat sie durch den Zwischenfall selbst ein wenig Blutdurst entwickelt und wollte ihn nun an ihr ausleben? Wahrscheinlicher. Unwahrscheinlich, aber das Beste, was sie sich vorstellen konnte.


    Halb an Ibuki, halb an die restlichen gewandt, sagte Yukiko schließlich:
    "Dann fürchte ich, werde ich einen Bewacher brauchen. Ich will nicht wie die beiden enden und da du bereits bewiesen hast dazu in der Lage zu sein..."
    Sie führte den Satz nicht zu ende, da ihre Intention wohl mehr als deutlich war.

    [Yukiko Sakamato]
    Tag 3 – 09:13 Uhr – Gelände der Schule - Gemüsegarten (14) - Agrargebäude


    Erleichtert ließ Yukiko Kenichi mit der Hilfe von Rika und dem seltsamen Yoshio auf den Tisch nieder. Als erstes streckte sie ihren Rücken durch und strich sich eine lästige Haarsträhne aus dem Gesicht mit den vor Anstrengung geröteten Wangen. Dann betrachtete sie kurz das Gesicht des Toten und schauderte, als sie sich an die Szene erinnerte, die zum Tod der beiden geführt hatte.
    "Tja, wer bleibt nun hier und wer putzt auf der Treppe das Blut weg?", fragte Hayato und riss sie damit aus ihren Gedanken.
    "Ich würde putzen", bot sie an, "Bis die beiden wieder leben, wird es eh noch ein wenig dauern. Und..." Sie pausierte kurz und warf Ibuki einen abschätzenden Blick zu. "Ich glaube nicht, dass ich gut geeignet bin die beiden zu bewachen." Außerdem hoffte sie, dass sie dann ein wenig Zeit für sich hatte, um ihre Gedanken zu ordnen. Sie hatte bis jetzt keine Zeit gehabt zu verstehen, was das alles für sie bedeutete.



    [Yukiko Sakamato]
    Tag 3 – 09:02 Uhr – Gelände der Schule - Schulgebäude A - große Treppe


    Yukiko war überrascht, als sich plötzlich Yoshio zu Wort meldete. Insbesondere seine gestelzte Ausdrucksweise fand sie in dieser Situation unheimlich unpassend, wenn nicht gar seltsam. Selbst in ihren ehemaligen Kreisen kannte sie niemanden, der sich so ausdrückte. Geschweige denn auf die Idee kam eine durchstochene, in einer Blutlache liegende Leiche als "armen Tropf" oder "jungen Herren" zu bezeichnen. Sie schob diese Gedanken jedoch schnell wieder zur Seite. Jetzt war die falsche Zeit sich durch seine Art zu reden an ihr ehemaliges Leben zu erinnern.
    Sie nickte ihm zu, brachte sich an Kenichis Schultern in Position und wollte ihm gerade antworten, als Ibuki ihre Zustimmung aussprach. Auch wenn es sie verwirrte, dass sie die Hammerfalle erwähnte. Die war vor dem Büro des Rektors gewesen und in einem völlig anderen Gebäude. Aber sie überging es einfach. Gerade mit ihr wollte sie sich nicht auf eine Diskussion einlassen. Solange sie keine Probleme machte, war sie ihr in diesem Moment, wie auch in der Situation in der Krankenstation, völlig gleichgültig.


    Nachdem Ibuki geendet hatte, setzte sie erneut an:
    "Danke für deine Hilfe. Auf 3? 1, 2, 3."

    [Yukiko Sakamato]
    Tag 3 – 09:01 Uhr – Gelände der Schule - Schulgebäude A - große Treppe


    Während sie sich die Diskussion anhörte, stieg langsam eine gewisse Ungeduld in ihr auf. Sie befanden sich nicht in einer Situation in der es eine gute Idee war ihre Unstimmigkeit auszudiskutieren. Und genau darauf lief es hinaus. Yukiko hatte zu dem Thema und dem Gesagten ihre eigene Meinung, die sie jedoch im Moment zur Seite schob.
    Sie hatte sich schon auf dem Weg zu den Leichen Gedanken darüber gemacht, wohin sie sie schaffen sollten. Zuerst war ihr der Geräteschuppen des Sportplatzes in den Sinn gekommen. Doch im nächsten Moment hatte sie die wieder verworfen. Sie wussten nicht ob und wann die normalen Schüler Sportunterricht hatten. Und dies beinhaltete die Gefahr alles noch schlimmer zu machen und den ganzen Schulkörper in Aufruhr zu versetzen.
    Wie Rika schon festgestellt hatte und was auch ihrer eigenen Meinung entsprach, war es eine dumme Idee Leos Zimmer dafür zu nutzen. Es war einfach zu weit entfernt und zu sehr in der Öffentlichkeit. Besonders wenn man bedachte, dass es noch eine lange Blutspur zu beseitigen gäbe, wenn sie sich dafür entscheiden sollten.
    Aus den selben Gründen fiel die Krankenstation flach. Zusätzlich hatten sie bereits Werbung für ihre Pausenaktion gemacht. In den Pausen würde es dort ziemlich lebendig zugehen. Kein guter Ort für zwei Leichen.


    Es musste etwas sein, dass sich in der Nähe befand und möglichst leicht zugänglich war. Während Hayato und Ibuki sich leise gegenseitig anzischten, ließ sie ihren Blick über die Umgebung wandern und bekam dabei einen Geistesblitz.
    Bei der nächst besten Gelegenheit schaltete sie sich zwischen die Streithähne und brachte ihren Vorschlag ein:
    "Wie wäre es mit den Klubräumen unten beim Garten? Die müssten erst nachmittags benutzt werden und bis dahin sollten sich Kenichi-san und Leo-san wieder unter uns befinden... Wir wären auch schnell da und müssten nur eine vergleichsweise kurze Blutspur beseitigen."
    Dann wanderte ihr Blick langsam zu Ibuki rüber. Yukiko verstand nicht, in erster Linie weil sie sich darüber im Moment keine Gedanken machen wollte, warum sich Ibuki derart besitzergreifend verhielt. Zwar war ihr klar, dass es dafür keine beruhigenden Gründe geben konnten. Das Mädchen heckte irgendwas aus und was auch immer es war, es wäre für alle Beteiligten wahrscheinlich besser, wenn sie ihre Pläne nicht durchziehen könnte. Aber das kam später. An erster Stelle stand die Sicherheit von Leo und Kenichi.

    Ihr seid doch alle kleine Nervensägen, die mich nicht mal in Ruhe meine Hausarbeit schreiben lassen. :P



    Jedenfalls möchte ich bescheid sagen, dass bis Mitte Februar meine Aktivität abnehmen wird, da ich dort Prüfungen haben werde, für die ich mich gut vorbereiten muss.

    [Yukiko Sakamato]
    Tag 3 – 09:00 Uhr – Gelände der Schule - Schulgebäude A - große Treppe


    Yukikos Nerven waren bis zum Zerreißen gespannt, als sie nach draußen ging. Dass Ibuki ihr Messer in der Hand hatte war ihr bewusst. Genauso, dass sie sich anscheinend in einem mehr als nur angespannten geistigen Zustand befand. Yukiko verstand nicht so ganz warum. Wenn sie wirklich diejenige war, für die sie sich bei ihrem ersten Treffen ausgegeben hatte, müsste die Situation für sie doch schon fast alltäglich sein.
    Im Grunde war es ihr aber auch egal, was Ibuki dachte. Yukiko behielt lediglich im Hinterkopf, dass sie eventuell in ein Messer rennen könnte, sobald sie sich umdrehte.


    Es war seltsam. Trotz dieser Situation blieb sie ungewöhnlich ruhig. Selbst als sie die Leichen auf dem nächsten Treppenabsatz sah, schlug ihr Magen nur ein paar Purzelbäume und sie verlor jegliche Farbe im Gesicht. Ihre Kehle wurde trocken und ihre Beine fühlten sich an wie Gummi. Ihre Fassung aber behielt sie. Besonders da Takeshi nirgends zu sehen war und ein wütend dreinblickender, aber unversehrter Hayato zu ihnen hochstarrte. Für einen Augenblick tauschte sie Blicke mit ihm aus und nickte ihm ganz leicht zu.


    Dann, ohne zu zögern, ging sie so schnell sie konnte zu den beiden Leichen. Testweise versuchte sie Kenichi hochzuheben, da er von den beiden der leichtere war. Da sie aber schon unter seiner Last ächzte, schminkte sie es sich ab, Leos Körper alleine in Sicherheit bringen zu können. Deswegen suchte sie Rikas Blick und fragte:
    "Würdest du mir mit Kenichi helfen? Wir müssen sie in Sicherheit bringen, falls der Schülerpräsident wieder auftauchen sollte."
    An Hayato gewandt, rief sie die Treppen herab:
    "Hayato-senpai, würdest du Leo-sans Körper nehmen? Bitte? Sobald wir sie in Sicherheit gebracht haben, können wir... besprechen was all dies bedeutet."

    Das Warten war wirklich nicht angenehm. Eine Pause tat gut, aber nicht wenn man darum bangen musste, dass die anderen es eventuell nicht schaffen würden. Aber was anderes konnten sie nicht tun.


    Also suchte er sich eine halbwegs trockene Stelle und wartete darauf, dass sich das Tor öffnete.

    Ryan fand es amüsant wie sich Jack zierte. Genauso wie er versuchen wollte Taylee zu schützen. Er meinte sie hätten keine Zeit, aber trotzdem sollten sie sich alle einzeln umziehen. Wahrscheinlich hatte er einen Komplex weil sein Ding so klein war. Ryan hatte dieses Problem nicht.
    Auch wenn er bedeutend ungenierter war und mit seiner kleinen Schwester, als sie noch in Taylees Alter war, zusammen baden gegangen war, spielte er mit. Es war weder schlau unnötige Spannung zu erzeugen, noch hatte er darauf Lust. Außerdem konnte es auch sein, dass seine Familienverhältnisse einfach nur besonders waren.
    Nachdem er sich getrocknet und umgezogen hatte, nahm er den kleinsten Overall vom Haken und reichte ihn Taylee mit einem neckenden Kommentar:
    "Das schaffst du alleine, oder?"

    [Yukiko Sakamato]
    Tag 3 – 08:59 Uhr – Gelände der Schule - Schulgebäude - Ausgang

    In diesem Moment war Yukiko von sich selbst überrascht. Unter normalen Umständen hätte sie sich angesichts einer bewaffneten Ibuki halb in die Hose gemacht. Doch jetzt erschien ihr diese Tatsache vollkommen unwichtig. Im Gegensatz zu dem Schwert des Schülerpräsidenten war ihre Waffe nicht mehr als ein kleiner Zahnstocher. Und Yukiko meinte an Ibukis Ausdrucksweise erkennen zu können, dass sie sich dessen sehr wohl bewusst war. Und allein deswegen brachte sie den Mut auf ihr zu antworten.
    "So sehr ich mir wünschte etwas anderes sagen zu können... Aber ja. Ich habe es gesehen." Sie machte eine kleine Pause, in der sie konzentriert die von ihrer Position sichtbare Umgebung musterte. Die Luft war rein, der Schülerpräsident war nirgends zu sehen. Dann, ohne ein weiteres Wort zu sagen, ging sie hinaus, stehts darauf bedacht so leise wie möglich zu sein. Wahrscheinlich zählte jede Minute. Der Präsident konnte nicht daran interessiert sein die Leichen einfach in der Umgebung liegen zu lassen, wenn sie von den normalen Schülern gesehen werden könnten. Spätestens sobald die Klassenräume gewechselt werden, oder eine Klasse Sportunterricht hat, würden sie entdeckt werden. Er würde die Leichen also wegschaffen. Und wo sie dann aufwachten, wollte sie gar nicht wissen. In ihrem Hinterkopf weilten die schmerzhaften Erinnerungen und Bilder an die Zeit ihrer Gefangenschaft. In einer Welt, in der man nicht sterben konnte, wäre das die unendliche Hölle. Sie durfte nicht zulassen, dass Kenichi wegen eines doofen Zufalls derartiges erleben musste. Und auch wenn Leo sie mehr als nur ein wenig erschreckt und verängstigt hatte, so hatte auch er dies nicht verdient.
    Sie musste sie in Sicherheit bringen. Egal ob ihr die anderen helfen würden, oder nicht. Sie musste es wenigstens versuchen. Vielleicht war sie ja schnell genug.

    Also... Bei mir gehts... Zumindest werde ich da am Rechner sitzen. Allerdings habe ich am Tag danach ein Referat in unserem Seminar zu halten, weshalb ich geistig wohl nur zur Hälfte anwesend sein werde. ^^

    [Yukiko Sakamato]
    Tag 3 – 08:59 Uhr – Gelände der Schule - Schulgebäude - Ausgang



    Als sie am Ausgang angekommen war, atmete Yukiko schwerer, als sie eigentlich sollte. Sie konnte nicht glauben, was gerade geschehen war, obwohl sie ganz genau wusste, dass sie sich das nicht eingebildet hatte. Der Schülerpräsident war ein Mörder. Um ein Haar hätte es sie vielleicht auch getroffen. Außerdem wusste sie nicht, was sie tun konnte, sobald sie bei den Leichen angekommen war. Sie hoffte nur, dass der Schülerpräsident sie nicht verschleppen würde. Es war mehr als offensichtlich, dass sie ihn nicht davon abhalten könnte, wenn er kontrollieren wollen würde wo sie wiederbelebt werden. Trotzdem musste sie sichergehen, dass sie an einem sicheren Ort wieder aufwachen würden. Das war sie Kenichi schuldig.


    Doch all diese Gedanken kamen zu einem Halt, als sie Ibuki entdeckte, die sich am Ausgang versteckt hielt und die Szene interessiert beobachtete. Ihr Herzschlag setzte für einen Moment aus, bevor sie sich wieder gefangen hatte. Es fiel wieder in seinen wilden Rhythmus zurück und erlaubte ihr wieder zu denken. Sie blieb einen Moment stehen, starrte die Gestalt an und beschloss dann sie zu ignorieren. Ibuki würde sie nicht unterstützen. Selbst wenn es der Verstand eventuell diktieren würde. Aber das beruhte zu einem gewissen Maß auch auf Gegenseitigkeit. Sie war die letzte Person in dieser Welt von der sie Hilfe beziehen wollen würde.
    Sie trat an die Tür heran und spähte vorsichtig hinaus, um herauszufinden wie sich die Situation entwickelt hatte.

    [Yukiko Sakamato]
    Tag 3 – 08:54 Uhr – Gelände der Schule - Schulgebäude - Krankenstation


    Sie glaubte ihren Augen nicht, während sich die anfängliche Rangelei zu bedeutend mehr entwickelte. Nachdem Kenichi den Schülerpräsidenten am Kragen gepackt hatte, hatte sie schon die Luft angehalten und sich das schlimmste Szenario in Form einer Schlägerei zwischen den beiden ausgemalt. Gerade wollte sie noch Rika am Ärmel zupfen und sie fragen, ob sie nicht runtergehen sollten, um eine Eskalation zu verhindern. Insbesondere weil der Präsident Kenichi eventuell mit der Krankenstation in Verbindung bringen würde. Doch dann blieb ihr die Frage im Hals stecken und ihr Mund gefror in der Bewegung, als sie das bläuliche Licht entdeckte, dass Takeshis Hand abzusondern schien. Ihre Augen weiteten sich und für einen Moment waren all ihre Gedanken gelähmt. Der Schülerpräsident sagte etwas und durchbohrte ohne ein Zögern oder eine Spur von Mitleid zu zeigen Kenichis Körper.
    Sie beobachtete noch immer wie gelähmt Kenichis in sich zusammensackenden Körper. Erst als seine Knie nachgaben und er im Begriff war zu stürzen und von der Klinge seines Mörders zu rutschen, brach der Bann des Horrors. Ein entsetzter Schrei entglitt ihr und ihr Gesicht verlor jegliche Farbe. Ihr Verstand wollte nicht glauben, was ihre Augen gerade sahen. Kenichi hatte ihn zwar grob behandelt, aber solch eine drastische Reaktion war nicht gerechtfertigt. Das die Strafe dabei mit einem Lichtschwert, das aus seiner Hand entstanden war, vollstreckt wurde, störte sie dabei nicht im Geringsten. Der Akt war zu grausam. Warum um alles in der Welt sollte der Präsident, der sie zuvor noch aufgebaut und geholfen hatte, plötzlich zu so brutalen Mitteln greifen? Ihre Knie wurden weich, als ihr bewusst wurde, dass er bei ihr auch so hätte reagieren können. Der daraus resultierende kalte Schauer brachte ihr Bewusstsein zurück zu der Krankenstation. Doch wurde es gleich dem nächsten Schock ausgesetzt, als sie Leo auf den Schülerpräsidenten zustürmen sah. Sofort hielt sie den Atem an und hielt sich die Hände auf den Mund, um einen spitzen Schrei zu unterdrücken. Von hier oben konnte sie nur zusehen, wie Leo geradewegs in die mörderische Klinge sprang und auf ähnliche grausame Art und Weise hingerichtet wurde. Sie hatte nicht gemerkt, dass ihr Tränen über die Wangen liefen und es war ihr auch egal. Sie konnte nicht hier bleiben. Sie musste unbedingt darunter. Gedanken darüber, dass sie dort nichts tun konnte und eventuell selbst Opfer der Klinge wurde, schob sie unbewusst zur Seite. Niemals hätte sie Kenichi in seinem Zustand gehen lassen dürfen.


    Sie drehte sich auf der Stelle um und stürmte aus dem Zimmer, wobei sie Rika eine Mischung zwischen einem verzweifelten und um Hilfe bettelnden Blick zuwarf. Als sie an dem fremden Jungen vorbei in den Gang hinein rauschte hielt sich allerdings nur noch die Angst und Verzweiflung in ihren Augen, da sie ihre eigenen Erinnerungen zurückschlug und in die hintersten Ecken ihres Kopfes verbannte. Jetzt gab es Wichtigeres als ihre eigenen Probleme. Und auch wenn ihr das gelang, waren ihre Beine während des Rennens kraftlos und drohten jeden Moment unter der Anstrengung nachzugeben.

    [Kenichi Inugami]
    Tag 3 – 08:54 Uhr – Gelände der Schule - Große Treppe - Erster Absatz


    "Tod?", wiederholte Kenichi stumpf, während er versuchte seine fragmentierten Erinnerungen nach seinem Tod abzusuchen. Doch so sehr die letzte Szene ihn auch beunruhigte, so glaubte er nicht daran, dass er dort auch gestorben war. Es war zwar erst das zweite Mal gewesen, dass er sich einer Waffe gegenüber sah, aber trotzdem fühlte er nichts, wenn er sich erinnerte, das darauf hindeutete erschossen worden zu sein.
    Also lachte er, wobei es zu einem abwertenden Schnauben und einem wütenden Lächeln verkam.
    "Du erwartest doch nicht, dass ich dir das glaube? Wir alle sehen recht lebendig aus, wenn du mich fragst. Und was würde das für einen Sinn ergeben in eine Schulwelt geschickt zu werden? Als ob man dort nachholen könnte, was man versäumt hat! Du wirst mir deine dämliche Theorie schon beweisen müssen, Freundchen."

    [Kenichi Inugami]
    8:53 - Große Treppe am Schulgebäude


    Kenichi wollte einfach nur irgendwohin, wo es ruhig war und niemand ihn belästigen würde. Er musste mit diesen Bildern und Erinnerungen fertig werden. Mittlerweile kannte er sich gut genug, um zu wissen, dass er in seinem aktuellen Zustand mehr als nur gefährlich war, denn die Wut in ihm schien nicht abzuflauen. Immer wieder blitzten die Bilder des Schönlings vor seinen Augen auf und so sehr er auch versuchte sie zu verdrängen, ließen sie ihn nicht in Ruhe.
    Irgendwann hörte er plötzlich eine Stimme hinter sich.
    "Inugami-san? Ist mit dir alles in Ordnung?"
    Zuerst dachte Kenichi, dass ihm sein Geist einen weiteren Streich spielte und er sich die Stimme nur einbildete. Doch als er leicht den Kopf drehte, erkannte er den Schülerpräsidenten. Genervt stöhnte er und erwiderte auf die dumme Frage:
    "Kaichou-san, sehe ich so aus, als wäre es das?"
    Wieder blitzte eine Erinnerung auf. Er kam gerade dazu, als sich seine Freunde wieder etwas genommen hatten. Sie kicherten und lachten mit glasigen Augen und versicherten ihm, dass alles in Ordnung sei. Dass sie sich noch nie so gut gefühlt hatten endlich von den gesellschaftlichen Pflichten befreit worden zu sein.
    Der Schülerpräsident kam besorgt ein paar Schritte näher und schien ihm helfen zu wollen. Doch Kenichi knurrte ihn nur an und stoppte ihn mit einem warnenden Blick.
    "Lass mich lieber in Ruhe", presste er unter zusammengebissenen Zähnen hindurch, "Ich stehe gerade unter dem Eindruck, die letzte Zeit in einer Lügenwelt gelebt zu haben. Und ich weiß nicht ob..." Da stutzte er. Das seltsame Verhalten der Lehrer, die nie anwesende Besetzung der Krankenstation, die Schulschwänzer, seine fehlenden Kenntnisse über das Gebiet außerhalb der Schule, der nie anwesende Rektor der Schule... Wenn jemand etwas über all dies wusste, wäre es dann nicht der Schülerpräsident? War er nicht das wahrscheinlichste Bindeglied?
    Mit zusammengekniffenen Augen fokussierte er Takeshis Gesicht. Für einige Momente schwieg er und folgten seinen zähflüssigen Gedanken durch seine Schmerzen hindurch. Der Präsident kam wieder ein paar Schritte näher. Er sagte etwas, aber Kenichi hörte gar nicht hin. Ein weiteres Bild hatte sich seiner bemächtigt, das stärker war, als jedes andere zuvor.


    Der Dealer ist von ein paar Gorillas beschützt worden, die ihn mehr als nur ein wenig überrascht hatten. Sie waren gut ausgebildet und hätten ihm beinahe die Kehle aufgeschlitzt. Doch er hatte nicht umsonst einen Ruf auf der Straße. Als er die beiden Unterlinge ausgeschaltet hatte, stand der Dealer noch immer an Ort und Stelle. Er lachte und das war der Moment, in dem er ihn wiedererkannte. Dieses Lachen würde er in seinem ganzen Leben nicht mehr vergessen. Der Dealer war der Schönling, der all seine Freunde in den Ruin getrieben hatte und nun mit einer Pistole auf ihn zielte, während er sich das silbergraue Haar aus dem Gesicht strich.


    Wieder wallte Wut in Kenichi auf. Nur konnte er sie diesmal nicht mehr kontrollieren. Mit einer von Takeshi unerwartet schnellen Bewegung packte Kenichi diesen am Kragen und drückte in mit der Kraft eines wilden Tiers gegen die Wand des Treppenaufganges. Der Schülerpräsident war nicht der Dealer. Das war ihm klar, aber trotzdem konnte er sich nicht kontrollieren. Wegen des Größenunterschieds zog Kenichi ihn zu sich herunter, damit sie sich auf Augenhöhe befanden und fixierte seinen Blick. In einer bedrohlich tiefen Stimmlage knurrte er:
    "
    DU bist doch hier der Boss, richtig, Kaichou-san yo... Du kannst mir sicher erklären, warum meine Freunde plötzlich neue Gesichter haben? Warum ich nicht weiß, was sich außerhalb der Schule befindet und warum ich hier bin." Er verstummte kurz, weil sich eine neue Schmerzwelle über ihn ergoss. Dann fuhr er fort, "Und wie komme ich zurück? Wie es aussieht habe ich aus Gründen, die noch gerne erfahren würde, vergessen, dass ich wichtige, unerledigte Dinge zu tun habe. Und Kaichou-san... Besser wäre es, wenn die Erklärungen simpel genug ausfallen würden, damit ich sie jetzt und hier verstehen kann..."

    [Yukiko Sakamato]
    Tag 3 – 08:53 Uhr – Gelände der Schule - Schulgebäude - Krankenstation


    Rikas Worte beruhigten sie nur bedingt. Wenn überhaupt.
    "Senpai, wir können nicht wissen, ob dieser Gedanke von NPCs nicht völlig hinfällig ist. Vielleicht ist jede einzelne Person hier so wie Inugami-senpai... Vielleicht brauchen sie alle nur einen gewissen Grad der Stimulation, damit ihre vergessenen Erinnerungen wieder ans Tageslicht treten. Er hat sich am Anfang auch nicht anders als alle anderen Schüler verhalten. Ich hätte ihn gar nicht erst ansprechen dürfen. Oder ihm nicht zeigen dürfen, dass ich anders bin, als er und seine Freunde. Und deswegen durchlebt er jetzt etwas, das er vielleicht gar nicht durchleben will."
    Yukiko suchte Augenkontakt mit Rika und sagte:
    "Ich denke wir haben sehr wohl Einfluss darauf, ob die Schüler sich erinnern oder nicht... Zumindest jetzt da wir wissen, wie sie reagieren könnten. Ich glaub... Ich sollte in Zukunft bedeutend vorsichtiger sein, was den Umgang mit den Schülern betrifft."
    Sie wusste, dass es dumm war sich die Schuld zu geben, aber trotzdem hatte sie ein schlechtes Gewissen. Kenichi hatte nicht verdient... Okay nachdem er ihr unter den Rock geguckt hat, hat er schon eine Strafe verdient, aber nicht so eine.
    "Jedenfalls mach ich mir Sorgen um ihn", schloss sie ihre Gedanken ab. Erst danach errötete sie leicht, als sie merkte, wie es sich anhörte. Kleinlaut fügte sie hinzu:
    "Es wäre schlecht wenn er deswegen Dummheiten anstellen würde. Du hast gesehen, wie schlecht es ihm ging."


    Dann sah sie aus dem Fenster. Ihre Augen weiteten sich, als sie sah, wie er Kenichi gefolgt von Takeshi aus dem Schulgebäude auf die große Treppe gingen.