Beiträge von Ryoki

    Kapitel 9 – Rückkehr


    Das Licht umschloss Joy innerhalb weniger Sekunden. Mit beiden Händen klammerte sie sich Kyrill und spähte mit suchendem Blick umher. Das Portal schloss sich hinter ihnen und im nächsten Moment fingen sie an zu schweben.
    „Ich hasse diesen Ort", flüsterte Joy ängstlich und legte die Ohren an.
    „Keine Sorge. Dieses Mal bist du schließlich nicht alleine", erwiderte Kyrill und strich ihr zärtlich über den Kopf. Sie schaute auf und suchte seinen Blick. Ein zaghaftes Lächeln schlich sich in ihr Gesicht, als sie entdeckte, dass sich der Schatten über Kyrills Augen verzogen hatte.
    „Ihr habt es tatsächlich geschafft... Ihr seid die ersten, die mit ihren Wünschen diese Welt verlassen", erklärte jene kalte Stimme ohne Körper. Joy zuckte zusammen und drückte sich instinktiv fester an Kyrill. Dieser erwiderte grinsend:
    „Dank deiner Kooperation."
    Die Stimme schnaubte, worauf sich Lichtpartikel aus dem Lichtmeer herauslösten und sich in Sekundenschnelle vor den beiden zum Körper der Schwellengöttin verdichteten. Instinktiv fauchte Joy, doch die gesichtslose Frau ignorierte sie und näherte sich Kyrill mit stolzen Schritten, bis sie weniger als einen Fuß von ihm entfernt war. Ihren Kopf musste sie leicht in den Nacken legen, um ihm in die Augen sehen zu können.
    „Ich hab dich beobachtet", erklärte sie.
    „Das war zu erwarten. Und hast du herausgefunden, was du erfahren wolltest?", fragte Kyrill, während er freundlich lächelte. Zuerst schwieg sie. Joys Ohren richteten sich langsam wieder auf und ihre eingeklemmte Schwanzspitze löste sich langsam.
    „Ich glaube schon. Du hast mich... reingelegt"
    „Reingelegt?", unterbrach sie Kyrill. Sein Grinsen wurde breiter, während ein Mundwinkel leicht, kaum merklich, zuckte. Joy bemerkte es, runzelte die Stirn und warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu.
    „Das bezeichnest du als reinlegen?", fragte Kyrill mit unverändertem Ausdruck.
    „W-was soll das sonst gewesen sein?!", brauste die Göttin auf. Dabei leuchtete ihr Körper aus Licht einmal besonders hell auf und schärfte seine Konturen, indem er eine schwache, rote Färbung annahm.
    „Das weißt du ganz genau. Immerhin hast du mir deswegen den Wunsch erfüllt", flötete Kyrill noch immer grinsend zurück. Die Göttin stemmte ihre Hände in die Hüfte und schwieg. In dem Moment meinte Joy zwei Augenformen in dem sonst ebenen Gesicht erkennen zu können. Dann meinte die Göttin:
    „Wie auch immer...", ihre Stimme wurde wieder kräftiger und lauter, „Es gibt nur eine Person, die mich zu solch einer Tat hätte bringen können. Ebenso wie es nur eine Person gibt, die mit Samoran so hätte umspringen können..." Wieder verstummte sie und wartete auf eine Reaktion von Kyrill. Dieser kratzte sich nachdenklich am Hinterkopf und meinte schließlich:
    „Das habe ich schon fast erwartet. Von den Figuren, warst du die einzige, die es hätte herausfinden können... Also, wer bin ich?"
    „Der Gott, dem ich meine Existenz verdanke. Der Herrscher, der meinem Leben einen Sinn und eine Aufgabe gegeben hat. Der Schöpfer der Schwellenwelt und der Erbauer der jenseitigen Welt. Du bist der Autor der Geschichte, dessen Worte uns in die Realität geholt haben."
    Joys Kinnlade klappte herunter, während ihr Blick zu Kyrill hoch schoss. Dieser lachte verhalten und erwiderte:
    „Da wurde ich wohl ertappt. Ich bin froh, dass ich dich mit einem gesunden Menschenverstand ausgestattet habe."
    Die Göttin schwieg und starrte ihren eigenen Gott mit dem Namen Kyrill an. Das Schweigen wurde erst gebrochen, als Kyrill Joys Krallen in seiner Seite spürte. Sie biss sich auf die zitternde Unterlippe und starrte ihn mit Tränen in den Augenwinkeln an, während sich ihre Krallenspitzen immer weiter durch Kyrills Kleidung bohrten. Die Freude in seinem Lächeln gefror. Er wandte sich wieder an die Schwellengöttin und bat:
    „Da du ja nun weißt wer ich bin, hast du bestimmt auch kein Problem damit uns wieder in unsere eigene Welt zu leiten, oder?"
    „Selbst wenn ich es nicht wollen würde, hätte ich keine Wahl. Dein Wort ist meine Handlung", erwiderte die Göttin resignierend. Sofort öffnete sich neben ihr ein Portal. Joys Körper wurde von einem gierigen Sog ergriffen. Protestierend krallte sie sich an ihm fest und rief flehend:
    „Verwandle mich vorher zurück! Ich will nicht diesen Körper behalten!"
    Doch der Sog wurde immer stärker und zog sie aus dem Lichtraum heraus. Ihr wurde schwarz vor Augen. Sie drohte ihr Bewusstsein zu verlieren, aber dann öffnete sich vor ihnen ein weiteres Portal.


    Die unsanfte Landung auf der feuchten Wiese quittierte Joy mit einem erschrockenen Schrei. Kyrills Ächzen ertönte unter ihr. Als sie ihre Augen aufschlug, fand sie sich auf der Wiese hinter der Schaukel des heruntergekommen Spielplatzes wieder. Unter ihr lag Kyrill, der sich mit zusammengekniffenen Augen eine Beule am Hinterkopf rieb. Zuerst entglitten Joy erleichtert ihre Gesichtszüge. Als Kyrill dann seine Augen öffnete und sie ansah, wandelte sich ihr Ausdruck. Ein Paar Tränen trat in ihre Augenwinkel und ein klägliches Miauen entglitt ihr.
    „Joy, alles in Ordnung?", fragte Kyrill sofort und musterte sie eingehend. Doch anstatt ihm eine Antwort zu geben, krallten sich ihre Finger in seine Brust.
    „Joy...?", murmelte er zögernd, als würde er die Gefahr erahnen. Schließlich fauchte Joy wütend und biss Kyrill in die Schulter. Ihre spitzen Zähne bohrten sich ohne Probleme in sein Fleisch. Erschrocken versuchte er sie von sich zu drücken. Sein Widerstand führte jedoch nur dazu, dass sie sich noch fester an ihn klammerte und ihm die gesamte Brust mitsamt seiner Kleidung zerkratzte.
    „Es tut mir leid! Aber ich hatte dir doch gesagt, dass du warten sollst!", versuchte er sich zu rechtfertigen, während er verzweifelt versuchte sich ihrer Zähne und Krallen zu entziehen. Joy hörte nicht auf ihn. Erst als er ihre Arme zu packen bekommen und sie auf den Rücken gedreht hatte, wo er sie schwer atmend festhielt, schaffte er es sie aus ihrem Rausch zu holen. Kyrill ignorierte die knurrenden Geräusche, die aus den tiefen ihres Brustkorbs drangen und meinte ruhig:
    „Beruhige dich! Es wird dir nicht helfen mich zu zerfleischen!"
    „Das sagst du so leicht! Wie soll ich mich denn bitte beruhigen?! Verdammt noch mal, wegen dir bin ich zu einer halben Katze geworden! Wie bei allen guten Geistern, soll ich damit umgehen?", erwiderte Joy bissig, wobei ihre Heftigkeit immer weiter abnahm. Zuerst hatte sie noch gefaucht, doch am Ende war ihre Stimme nicht mehr viel mehr als ein kraftloses Schluchzen. Kyrill seufzte und gab ihre Arme frei.
    „Ich hatte dir nicht umsonst gesagt, dass du mir nicht folgen sollst..."
    Sofort fauchte Joy und sah ihn mit feuchten Augen strafend an. Beschwichtigend hob Kyrill die Hände, stand auf, zog seinen Mantel aus und gab ihn an Joy weiter.
    „Jedenfalls hast du recht. Mit diesem neuen Körper sollten wir dich nicht auf die Öffentlichkeit loslassen. Wer weiß, was man mit dir anstellen würde, wenn die falschen Leute davon Wind bekommen."
    Joy war mittlerweile unter den Mantel geschlüpft, hatte sich die Kapuze über den Kopf gezogen und sah Kyrill hilflos an.
    „Sieh mich nicht so an... Es ist zwar eine doofe, aber keine hoffnungslose Situation. Schließlich bist nicht nur du verändert worden."
    „Meinst du, du kannst mich zurückverwandeln?", fragte sie, wobei sich ihre Ohren ruckartig aufrichteten und die Kapuze ein gutes Stück anhoben. Lächelnd drückte Kyrill sie wieder herunter und erwiderte:
    „Ich weiß es nicht. Aber ich bin zuversichtlich. Wenn ich es nicht rückgängig machen kann, muss ich es halt verbergen, bis wir einen Weg gefunden haben diesen Zauber aufzuheben. Aber vorher sollten wir dich erst einmal nach Hause bringen. Bevor dich jemand entdeckt."
    Joy nickte, nahm Kyrills Hand und ließ sich von ihm zurück zu ihrem Haus führen.

    Kapitel 8 – Samoran


    Frische Luft kitzelte ihre Nase, als Joy Kyrill ins Freie folgte. Die Tür zum Kerker schloss sie möglichst leise hinter sich und wandte sich dann wieder an Kyrill.
    „Du kennst nicht zufällig einen anderen Weg in den Palast, als den Haupteingang?", fragte er.
    Nervös schüttelte Joy den Kopf.
    „Ich wurde direkt hier her geführt."
    „Schade. Das hätte uns geholfen... Aber egal. Ich wurde der Witzfigur von König bereits zwei Mal vorgeführt. Von daher habe ich eine Vorstellung, wie es innerhalb der Eingangshalle aussieht."
    Joy fasste sich ans Handgelenk und fragte mit einem ungläubigen Ausdruck in den Augen:
    „Das ist nicht dein Ernst? Du willst durch den Haupteingang in den Palast einbrechen? Du bist verrückt! Das kann doch nur schief gehen!"
    Amüsiert verzogen sich seine Mundwinkel zu einem gefährlichen Lächeln, als er erwiderte:
    „Hast du einen besseren Vorschlag? Wir sind schon aus unseren Zellen ausgebrochen. Warten wir, werden die Wachen uns jagen und es wird schwer überhaupt an den König ran zu kommen. Aber jetzt haben wir den Überraschungsvorteil. Schaffen wir es unbemerkt zu ihm zu kommen, sind wir schon so gut wie zu hause."
    „Und wie willst du ihn bitte finden? Wir haben doch keine Ahnung, wo sein Zimmer ist!"
    „Das ist das kleinste Problem."
    „Huh?"
    „Wir folgen einfach dem Prunk. Glaub mir. Wahrscheinlich ist sein Gemach sogar das goldene Zentrum des Ganzen Palasts", erklärte Kyrill selbstsicher. Doch Joys Blicke sprachen weiterhin von Unbehagen und Angst. Er musterte sie noch einen Augenblick, dann meinte er:
    „Also ich gehe. Du kannst gerne irgendwo warten, bis ich dich wieder auflese. Es könnte nur ein bisschen dauern."
    Verdattert blinzelte Joy, senkte dann aber ihren Blick und meinte kleinlaut mit hängenden Ohren:
    „Dummkopf... Ich will nicht alleine sein... Nicht in dieser Welt, nicht mit diesem Körper, nicht bei all den kranken Wünschen, die in dieser Stadt ihre Erfüllung gefunden haben..."
    Dann warf sie ihm einen glühenden Blick zu und sagte:
    „Außerdem bist du es überhaupt erst schuld, dass ich hier gelandet bin! Du hast die Pflicht auf mich aufzupassen! Du darfst mich nicht alleine lassen!"
    Ihm entschlüpfte ein leises Lachen, während er sich umdrehte und den ersten Schritt in Richtung des Haupttors machte.
    „Wie mein Kätzchen wünscht. Halt dich dicht hinter mir und versuch keine Geräusche zu machen. Wenn es zu einem Kampf kommen sollte, werden wir ein großes Problem haben."
    Wieder nickte Joy und heftete sich an seinen Rücken.


    Schleichend erreichten sie das Haupttor und entdeckten einen einzigen Soldat, der breitbeinig den Eingang bewachte. Kyrill lugte noch um die Ecke der Mauer, als Joy bereits flüsterte angespannt:
    „Und was machen wir jetzt, Herr Schlaumeier?"
    Doch Kyrill drehte sich nur zu ihr um, bedeutete ihr leise zu sein und wandte sich dann wieder der Wache zu. Sein Finger beschrieb zuerst einen großen und dann einen etwas kleinere Kreis. Wieder bildete sich der schwarze Nebel, der sich jedoch diesmal immer weiter verdichtete, bis der Raum zwischen den beiden Kreisen von einem tiefen, schier undurchdringlichen und glatt wirkenden Schwarz erfüllt war. Joy schluckte und starrte gebannt auf das Gebilde, als Kyrill es mit einer Handbewegung in die Höhe schickte und über den Soldaten manövrierte.
    „Du wirst doch nicht...", stieß Joy entsetzt aus, doch da war es schon zu spät. Innerhalb eines Wimpernschlags hatte Kyrill die Schlinge über den Helm des Soldaten gleiten lassen und sie bis zu seinem Hals herunter gebracht. Der Soldat reagierte noch, indem er seine Hand hochschnellen ließ. Doch er stoppte mitten in der Bewegung. Die Schlinge hatte sich in einem einzigen Ruck zugezogen und den Kopf sauber vom Torso getrennt. Die Rüstung schwankte. Aber bevor sie mit lautem Geschepper zu Boden fiel, zog Kyrill einen weiteren Kreis und ließ ihn den Körper auffangen.
    „Kyrill!", spie Joy spitz, voller Entsetzen, aus und sah ihn fassungslos an.
    „Keine Sorge", meinte dieser unberührt, während er erleichtert ausatmete,
    „Er ist..."
    „Er ist tot verdammt! D-du hast ihn geköpft! D-u du...", unterbrach sie ihn hysterisch. Doch er schüttelte nur den Kopf und deutete auf den Körper.
    „Siehst du irgendwo Blut?"
    Joy zwang sich seiner Geste mit den Blicken zu folgen. Sofort klappte ihr Kinn herunter. Innerhalb der Rüstung war nichts außer Luft. Kein Kopf, kein Hals, kein Zeichen von Leben.
    „W... Was? Was sind die?", stotterte sie nicht weniger hysterisch.
    „Ich habe keine Ahnung. Ich tippe darauf, dass sie Wünsche sind, die sich der König angeeignet hat. Als die mich gefangen nehmen wollten, habe ich einige von denen ausgeschaltet. Deswegen wusste ich, dass ich niemanden umbringen würde."
    „Jag mir doch nicht so einen Schrecken ein! Idiot!", fuhr Joy ihn an, wurde darauf aber direkt wieder kleinlaut und wandte ihren Blick zum Boden.
    „Du hast mir versprochen es niemals wieder zu tun..."
    „Hab ich doch nicht", meinte Kyrill besänftigend,
    „Aber so ganz stimmt es auch nicht. Du weißt, dass es eine Ausnahme gibt."
    Wieder sah Joy ihn an, puffelte sich auf und meinte:
    „Wie auch immer... Lass uns lieber weitergehen! Wir sitzen hier wie auf dem Präsentierteller."
    „Recht hast du."
    Damit versteckte Kyrill den leeren Körper hinter kniehohen Blumenbeet, das in gelblichem Sandstein gefasst war.
    „Glaubst du wirklich, dass ihn dort niemand finden wird?", fragte Joy nervös und erntete damit einen skeptischen Blick.
    „Natürlich wird er gefunden werden. Aber es ist das beste Versteck, was uns zur Verfügung steht. Ich hoffe nur, dass es uns die Zeit geben wird, die wir brauchen werden."
    „Du hättest das ruhig etwas beschönigen können!", beschwerte sich Joy kleinlaut und rückte dichter an seinen Rücken. Kyrill seufzte nur und setzte seinen Weg fort.
    Nachdem sie das Tor passiert hatten, zog er Joy direkt links hinter eine Säule, wo er sich an den kalten Stein drückte und vorsichtig in den Raum hinein lugte. Es war eine Halle von atemberaubenden Ausmaßen. Wahrscheinlich hätte ein Fußballfeld und ein Kirchenturm hineingepasst. Doch dem nicht genug, lag die ganze Halle in einem goldenen Schleier. Die Innenwände waren von einem glänzenden Gold, das die Gier und den Neid in den Augen der Besucher weckte. Auf silbernen Sockeln, die einen gewachsenen Mann um einen Kopf überragte, waren Glaskugeln angebracht, die alle ein hellblaues Licht enthielten. Es schwebte in den Gebilden, tauchte die Halle in ein lebhaftes Wechselspiel von Licht und Schatten und brach sich an den goldenen Wänden, nur um wieder zurückgeworfen zu werden.
    Kyrill kniff die Augen zusammen, während er versuchte etwas in dem dämmrigen Licht zu erkennen.
    „Es ist niemand hier", flüsterte Joy nach einigen Augenblicken. Erstaunt sah er sie an, wobei sein Blick an den angespannt aufgerichteten Ohren Joys hängen blieb.
    „Kannst du... Bist du dir sicher?"
    „Ja... Schließlich wurden meine Sinne auch verwandelt", erklärte sie beschämt.
    „Dann wird das gleich um einiges angenehmer. Deine Form gefällt mir immer besser", meinte Kyrill mit einem amüsierten Unterton und zog Joy weiter, die ihm einen empörten Blick in den Hinterkopf jagte. Doch sie schwieg und folgte ihm mit lautlosen Schritten quer durch die riesige Halle. Da entdeckte sie auch Kyrills Ziel. Gegenüber von dem Eingangstor, im hinteren Ende der Halle, stand eine Art Thron. Er war ebenfalls völlig aus Gold und mit Ornamenten verziert, die unwillkürlich Joys Aufmerksamkeit einfingen. Erst als sie ihn passiert hatten, entdeckte sie den Gang, der sich direkt hinter dem Thron befand und von zwei breiten Säulen begrenzt wurde. Zuerst wunderte sie sich. Im Verhältnis zum Rest der Halle gesehen, war er winzig. Sowohl von der Höhe, als auch von der Breite. Doch sobald ihr Blick auf die Ausschmückung fiel, weiteten sich ihre Augen vor Staunen. Die Wände waren förmlich gepflastert mit Kunstwerken aller Art. Staturen, Waffen, Gemälde, sogar Photographien, Vasen, faustgroße Juwelen und Vitrinen mit alten Büchern in kostbaren Einbänden zogen an ihnen vorbei, während sie weiter durch den Gang rannten. Nach ein paar Minuten, in denen Joy das Gefühl entwickelte, dass die Schätze immer wertvoller wurden je weiter sie in den Palast eindrangen, erreichten sie schließlich einen weiteren Raum.
    Es war ein runder Raum, mit der Höhe der letzten Halle, der von vier Säulen, die in der Mitte, in einem Rechteck angeordnet, die Decke trugen. Hinter den Zwischenräumen von jeweils zwei Säulen, befand sich ein weiterer Flur. Kyrill verlangsamte seine Schritte und blieb in der Mitte des Raums stehen. Mit gerunzelter Stirn sah er sich um.
    „Das gefällt mir nicht", erklärte er schließlich.
    „Warum? Wir haben doch Glück. Niemand ist hier!"
    „Genau da liegt das Problem. Warum sind nirgends Wachen im Inneren des Palasts? Es kann doch nicht sein, dass der König nur eine einzige Wache am Eingang positioniert hat."
    „Vielleicht fühlt er sich hier so sicher, dass er nicht glaubt, dass es notwendig ist?", murmelte Joy nervös, während sie ihren Blick über die verschiedenen Gänge gleiten ließ.
    „Ich hoffe es...", erwiderte Kyrill und setzte sich wieder in Bewegung. Er ging weiter geradeaus und betrat den Gang gegenüber jenem, durch den sie in den Kreisraum gekommen waren. Dieser war der einzige, der einen goldenen Torbogen besaß.
    Nach wenigen ereignislosen Minuten standen kamen sie in einen weiteren Raum. Goldene Säule trugen die mit Edelsteinen verzierte Decke und lenkten ihre Blicke auf die gegenüberliegende Doppeltür, die die Ausmaße eines Elefanten hatte. Auf beiden Türen war in Gold das übergroße Ebenbild eines brüllenden Löwen mit edelsteinbesetzter Mähne eingraviert, wobei jedes Haar einzeln mit akribischer Genauigkeit dargestellt wurde.
    „Ist es das?", fragte Joy leise. Kyrill nickte langsam.
    „Ich glaube schon... Kannst du zufällig irgendwas hören?"
    Ruckartig richteten sich Joys Ohren zur Tür aus. Angestrengt runzelte sie die Stirn und meinte schließlich:
    „Ich glaub da ist jemand drin. Zumindest glaub ich regelmäßige Atemgeräusche zu hören."
    „Dann ist es wahrscheinlich das Zimmer... Und noch immer keine Wache. Das mag mir nicht gefallen", Kyrill schwieg einen Moment, atmete einmal tief ein und befahl:
    „Bleib hinter mir. Ich glaub wir wurden bereits entdeckt."
    Sofort klemmte sich Joys Schwanz zwischen ihre Beine, während sie mit angelegten Ohren gehorchte und sich ein paar Schritte von Kyrill entfernte. Dieser schloss die Augen und murmelte:
    „Schütze!"
    Dabei wischte er mit seiner Hand von links nach rechts durch die Luft. Aus seiner Handfläche quoll währenddessen ein schwarzer Dampf, der sich zu einer wabernden Wand ausbreitete. Dann zog er mit einem Finger einen Kreis, schickte diesen zur Tür und befahl:
    „Öffne!"
    Beinahe geräuschlos glitt die Tür auf. Doch sobald sie den Blick auf den dahinter liegenden Raum freigab, ertönte ein ohrenbetäubendes Krachen. Ein Feuersturm brach aus der Tür hervor und hämmerte gegen die schwarze Wand. Joy schrie und drückte sich die Hände auf die Ohren. Die wilden Spitzen von Kyrills Haare fingen an zu glühen, ein verbrannter Geruch erfüllte die Luft. Doch der Schutz hielt. Das Feuer erlosch und gab den Blick frei. Kyrill atmete erleichtert aus, konzentrierte sich aber direkt auf die Quelle des Feuersturms.
    Gegenüber der Tür saß ein Mann in goldener Rüstung auf der Kante eines Himmelsbetts. Den Rest des hell erleuchteten Raums blendete Kyrill aus.
    „Wie ich es vermutete hatte. Wir wurden tatsächlich entdeckt", meinte er ruhig. Darauf lachte der König schallend, wobei seine Rüstung laut schepperte.
    „Erstaunlich, erstaunlich, mein Freund. Das sind erstaunliche Instinkte", meinte er amüsiert,
    „Wann meinst du, seid ihr aufgeflogen?"
    „Wahrscheinlich, als ich den Soldaten am Tor ausgeschaltet habe."
    „Korrekt. Das Bewusstsein meiner Soldaten ist ein Teil von mir. Wenn eins davon ausgeschaltet wird, erfahre ich zwangsläufig davon."
    Kyrill schwieg und musterte den Mann genauer. Er hatte eine breite Statur, Haare, wie pures Gold und grell gelbe Augen, die ihn gierig fixierten. Währenddessen versteckte sich Joy wieder mit lautlosen Schritten hinter Kyrills Rücken. Sofort bemerkte der Mann sie, was ihn amüsiert lächeln ließ.
    „Arrogant wie eh und je... Es war ein Fehler uns nicht die anderen Wachen auf den Hals zu hetzen", erklärte Kyrill noch immer ruhig. Wieder lachte der Mann, stand auf und ging drei Schritte auf die Beiden zu.
    „Mein Fehler, sagst du?", er unterbrach sich mit schallendem Gelächter und fuhr dann fort:
    „Ihr habt den Fehler begangen. Allein für meine Unterhaltung habe ich euch bis hierher vordringen lassen. Ich bin Samoran, König des Wunschreichs und Besitzer der wünschenswertesten Schätze! Ihr..."
    Doch Kyrill seufzte nur leise und entspannte seine Muskeln. Seine Schultern sackten ab und sein Kopf neigte sich leicht nach vorne. Samorans Augen nahmen einen verachtenden Ausdruck an, während er in einem autoritären Ton sprach:
    „Anscheinend verstehst du eure Situation nicht. Sobald ihr euren ersten Schritt in diese Welt getan habt, wurdet ihr zu meinem Besitz. Und nun werde ich meinen Besitz einfordern. Entweder ihr übergebt mir eure Wünsche freiwillig und werdet zu einem meiner Untertanen, bis ihr euch würdig erwiesen habt in eure Welt zurückzukehren, oder ich werde euch sie hier und jetzt entreißen."
    Kyrill schloss die Augen, ein dunkler Schatten legte sich über sein Gesicht, Joys Krallen gruben sich in sein Hemd. Dann öffnete er sie wieder und meinte tonlos:
    „Du bist wirklich ein Trottel."
    Für einen Sekundenbruchteil legte sich eine knisternde Stille über den Raum. Dann trat eine Ader an Samorans Hals hervor. Er legte den Kopf einen Stück in den Nacken und sprach von oben herab:
    „Dein Wunsch ist es also als eine meiner leblosen Wächterpuppen zu enden. Fühle dich geehrt, zu wissen, dass dein Leben vom König einer ganzen Welt beendet wurde!" Mit diesen Worten streckte er seinen Arm aus. Auf Höhe seiner Hand stieß eine goldene Flamme in die Höhe, aus der ein überdimensionales Zweihandschwert erschien. Währenddessen murmelte Kyrill:
    „Genau das meine ich."
    Dann wandte er sich durch eine leichte Kopfdrehung zu Joy und befahl:
    „Bewege dich keinen Schritt von der Stelle."
    Joy nickte nur schwach und drückte sich an seinen Rücken. Dann ertönte das Gescheppere der Rüstung, worauf Kyrill seinen Blick wieder nach vorne richtete. Samoran hatte die Klinge mit beiden Händen gepackt, rannte auf ihn zu und verursachte bei jedem Schritt eine Stichflamme, an der Stelle, wo seine Stiefel den Boden berührten. Mit einer übermenschlichen Geschwindigkeit überbrückte er die Distanz zwischen sich und Kyrill, der wie angewurzelt stehen blieb. Lediglich seine Augen waren in Bewegung, die jede Bewegung seines Gegners registrierten. Dann hatte Samoran ihn erreicht. Aus seinem Sprint heraus ließ er einen Fuß nach vorne gleiten und nutzte den Schwung, um die gigantische Klinge auf Kyrills Oberkörper zu schnellen zu lassen. Im letzten Moment brachte Kyrill seine offene Handfläche in die Schwungbahn des Schwerts und murmelte:
    „Stopp!"
    Sofort umschloss schwarzer Dampf seine Hand und sobald die Klinge diesen berührte, verlor sie ihre komplette Geschwindigkeit. Samorans Augen weiteten sich. Er öffnete seinen Mund, doch da hatte Kyrill bereits reagiert. Seine andere Hand hüllte sich in eine schwarze Nebelwolke und schnellte hervor. Er packte Samorans Gesicht und sagte:
    „Qual."
    Sofort schrie Samoran auf. Seine Knie gaben unter ihm nach und das Schwert fiel mit einem lauten Scheppern auf den Boden. Kalt beobachte Kyrill, wie Samorans Kraft unter den Schmerzen schwand und er vor ihm auf die Knie ging. Grob packte er Samorans Kinn und hob sein Gesicht, um ihn in die Augen sehen zu können.
    „Deswegen bist du ein Trottel. Gegen eine Armee gefühlloser Rüstungen hätte mir diese Kraft nicht viel gebracht", erklärte Kyrill tonlos.
    „Bastard... Warum besitzt du diese Kraft? Ich sollte es sein, der alles in dieser Welt sein Eigenen nennen darf! Ich besitze die Macht dieser Welt!"
    „Du solltest froh sein, lieber Herr König. Jener, der deine Macht überkommt, hat nur Interesse daran wieder zurück in seine alte Welt zu gelangen. Tod nützt du mir nicht. Also bring uns zurück und du darfst leben." Dann schwieg Kyrill und betrachtete ausdruckslos Samorans Gesicht.
    „Ach und falls du auf die Idee kommen solltest, deine Truppen zu rufen, darfst du dich von deinem Leben verabschieden. Vom Prinzip der Geschichte her, muss es eine Möglichkeit geben aus dieser Welt zu fliehen. Das heißt, stirbst du, wird die Fähigkeit, die dazu nötig ist, wahrscheinlich an deinen Nachfolger weitergegeben. Irgendwie so etwas muss es geben. Also mach keine Faxen."
    „Du bist ein Monster!", fluchte der König kraftlos.
    „Und du bist hilflos. Willst du wirklich weiter leiden?"
    Samoran starrte Kyrill wie ein in die Ecke gedrängtes Tier an.
    „Du hast gewonnen...", ächzte er schließlich. Kyrill nickte ausdruckslos und entfernte die Hand von seinem Gesicht. Sofort entspannte sich der Körper des Königs und er atmete erleichtert aus.
    „Dann öffne das Portal. Meine Geduld ist begrenzt!", befahl Kyrill, worauf er einen mörderischen Blick Samorans erntete. Dann stand dieser wacklig auf und formte mit seinen Handflächen eine Kugel. Eine silberne Flamme entzündete sich im Hohlraum. Zuerst war sie nur klein, wuchs dann aber und wanderte aus der Kugel seiner Handflächen heraus. Etwa einen Meter vor ihm blieb sie stehen und nahm dort innerhalb weniger Sekunden ähnliche Ausmaße an, wie die Doppeltür der Königsgemächer. Dann wuchs sie nicht mehr weiter und die Flammen schienen sich zu stabilisieren. Es bildete sich ein brennender Torbogen heraus, dessen Inneres eine glatte Oberfläche aus silbernem Licht war.
    „Damit kommt ihr zurück zur Welt der Schwellengöttin. Sie wird euch dann den weiteren Weg weisen", knurrte Samoran. Darauf formte Kyrill mit dem schwarzen Nebel ein abstraktes Symbol, das aus mehreren Kreisen und einem Pentagramm bestand. Dann deutete er auf den Hals von Samoran und das Symbol verschwand, nur um im nächsten Augenblick unter dessen Haut wieder aufzutauchen.
    „Solltest du uns verarscht haben, wird dir dieser kleine Fluch den Kehlkopf und die Halswirbel zertrümmern. Also solltest du es dir lieber zweimal überlegen, ob du uns in irgendeine Falle locken willst", erklärte Kyrill.
    Zuerst starrte der König ihn nur wütend an. Doch dann fingen seine Kiefer an zu mahlen und die Flammen wechselten schlagartig ihre Farbe zu einem einheitlichen Gold. Dann wandte sich Kyrill an Joy und nahm ihre Hand. Zusammen traten sie vor das Flammentor.
    „Ist das wirklich der richtige Weg?", fragte Joy kleinlaut, während sie ängstlich zu Kyrill hoch sah.
    „Sollte er es nicht sein, wird hier jemand sein Leben verlieren", erklärte Kyrill ruhig und warf Samoran einen entschlossenen Blick zu. Dieser war mittlerweile aufgestanden und sah Kyrill mit mörderischer Wut an.
    „Ich weiß nicht, wer du bist, aber glaub nicht, dass das letzte Wort gesprochen ist. In dieser Welt werden Wünsche wahr und ich bin derjenige, der sie alle besitzt. Mein Besitz ist größer, als sich ein einfacher Mensch vorstellen kann. Er macht mich zu einem Gott. Und du weißt es. Irgendwann wirst du wiederkommen, weil du einen dieser Wünsche besitzen willst. Und dann werde ich meinen Tribut einfordern. Deine Macht, woher auch immer sie kommen mag, wird mir gehören!"
    Unbeeindruckt warf Kyrill ihm einen letzten Blick zu. Dann drückte er Joy an sich und ging mit ihr zusammen durch das Tor.

    Kapitel 7 – Hinter Gittern


    Irgendwann spürte Joy wieder frische Luft auf ihrer brennenden Haut, was ihre Schmerzen leicht linderte. Trotz dieser Besserung waren sie noch wie vor so präsent, dass sie keinen klaren Gedanken fassen konnte. Sie konnte nur folgen. Es kam ihr vor wie eine Ewigkeit. Ihr Käufer sprach nicht, ignorierte ihre Versuche auf sich aufmerksam zu machen und zog sie mit ihrem Halsband durch die unbekannten Straßen. Doch dann, irgendwann, an irgendeinem Ort, stoppte er.
    „Der Ort müsste reichen. Ich nehme dir jetzt die Augenbinde ab, also erschreck dich nicht", erklärte die Stimme.
    Schnell nickte Joy. Sie spürte seine Hände und bemerkte dabei das erste Mal bewusst seinen Geruch, der in ihr stumme Verwirrung auslöste. Er roch gut, wundersam wie seine Stimme. Zuerst hatte sie an Rosen gedacht, doch dann entdeckte sie den Duft von Lavendel, nur damit dieser im nächsten Moment zu einem Hauch von Jasmin verwandeln konnte. Und dieser Wechsel setzte sich fort. Immer, wenn sie meinte den Duft erkannt zu haben, entdeckte sie einen neuen Geruch, oder alles Vorhandene wandelte sich plötzlich in etwas völlig anderes.
    Dann wurde ihr die Augenbinde abgenommen. Licht flutete ihre Wahrnehmung. Angestrengt kniff sie die Augen zusammen und versuchte ihren Käufer zu erkennen. Er verweilte mit dem Gesicht direkt vor ihr. Die Umrisse wurden klarer und sie erkannte einen goldenen Schwall von Haaren, die in einem lockeren Pferdeschwanz einen Großteil seiner linken Schulter bedeckten. Dann trafen sich ihre Blicke. Joy erstarrte. Seine bernsteinfarbenen Augen betäubten sie. Schweißperlen bildeten sich an ihrem Körper und ihr Atem beschleunigte sich. Er lächelte, offenbarte Zähne aus reinem Weiß und strich dann mit seinen Fingerkuppen über ihre Wangen, hinauf zu ihren Schläfen. Joy zitterte und errötete. Vorsichtig richtete sich die Spitzen ihrer Ohren wieder auf, ihre Schwanzspitze fing an leicht zu zucken. Doch als sie ihren Mund öffnete, legte ihr der Mann einen Finger auf die Lippen. Währenddessen war seine andere Hand weiter nach oben gewandert, hatte sich in ihren Haaren vergraben und fing an Joy hinter den Ohren zu kraulen. Sofort entspannte sie sich. Zusammen mit ihrem Mund schlossen sich auch ihre Augen und ihr Kopf bewegte sich zögerlich in die Richtung der kraulenden Hand.
    Darauf entschlüpfte dem Mann ein leises Lachen. Joy öffnete die Augen wieder und gab ein paar fragende Laute von sich. Das Kraulen wurde stärker. Ihr Körper erzitterte, ihre Schultern sackten beinahe kraftlos nach unten.
    „Lass mich raten. Du hast gefragt, wer ich bin?", sinnierte der Mann amüsiert, während er Joy weiter wie eine Hauskatze kraulte.
    „Jemand, der sich fragt, ob er sich seinen lang ersehnten Wunsch erfüllen soll, oder nicht."
    Joy wollte wieder etwas sagen, doch die Hand hinter ihren Ohren lenkte sie ab. Er hatte damit angefangen das flauschige Fell ihrer Ohren mit liebevollen Streicheleinheiten zu liebkosen. Für einen Moment vergaß sie ihre Situation und seufzte genüsslich. Doch dann wurde sie von einem Flüstern zurück in die Realität gerissen:
    „Es ist wirklich ein Jammer. Er hat dich nicht verdient..." Mit brennenden Wangen und Ohrläppchen begehrte sie auf, auch wenn ihr Knebel keinen verständlichen Laut passieren ließ.
    Das Lächeln des Mannes wurde breiter und seine streichelnden Bewegungen stoppten. Er legte Joy seine Hand auf den Hinterkopf, drückte sie sanft nach vorne und beugte sich gleichzeitig zu ihr herab, sodass sie seinen Atem spüren konnte.
    „Du bist ein kleines Hauskätzchen, das sich für einen Tiger hält", langsam fuhr er mit seinen Fingern die Seiten ihres Gesichts nach,
    „Nur leider siehst du das nicht ein... Bald werde es dir zeigen... Sehr bald..."
    Während er sprach, wanderte seine Rechte von ihrem Hinterkopf über ihren Rücken und legte sich besitzergreifend auf ihre Hüfte. Danach zog er ihren zitternden Körper zu sich heran und flüsterte ihr ins Ohr:
    „Dann bist du wahrlich mein und ich bin frei. Ohne Ketten und falschen Glauben."
    Doch Joy war zu verwirrt, um seine Worte wahrzunehmen. Ihr ganzer Körper rebellierte gegen ihren Verstand. Der unbeschreibliche Duft des Fremden umschmeichelte sie, legte ihren Geist in ein blühendes Feld roter Rosen. Sie spürte seine Wärme, sehnte und ekelte sich zur gleichen Zeit, genoss und verfluchte ihre Hilflosigkeit. Sie protestierte mit unverständlichen Lauten und versuchte irgendwie von dem Mann davonzukommen. Jedoch verhinderten ihre Fesseln jeglichen Erfolg ihres Widerstands. Plötzlich herrschte für einen Augenblick Stille. Doch dann gab ihr der Mann einen beherzten Klaps auf den Hintern. Sofort entschlüpfte ihr ein Laut der Überraschung, der trotz Knebel stark dem Miauen einer Katze ähnelte. Der Mann lachte erneut, streichelte die Stelle, die er geschlagen hatte sanft, worauf Joy flehend die Augen schloss. Schließlich entfernte der Fremde sich wieder von ihr, während er jeden Millimeter ihres Körpers aufs Genauste musterte.
    „Aber bis es soweit ist, habe ich keine andere Wahl. Auch wenn ich dich jetzt gerne für mich behalten würde, muss ich meinen Job erledigen", erklärte er, wobei das Lächeln von seinem Gesicht verschwand.
    Mit diesen Worten zog er sanft an dem Seil, das an ihrem Halsband festgebunden war. Mit langsamen, gar bedächtigen Schritten, ging er zu einem Holzpfeiler, der das schäbige Vordach eines nahen Hauses stützte. Dabei wanderte Joys Blick zum Himmel, wo sie die Sterne und zwei Monde entdeckte. Verblüfft blinzelte Joy und sah sich suchend nach der Lichtquelle um, die es geschafft hatte sie mitten in der Nacht zu blenden und die dreckige kleine Seitenstraße auf der sie sich befand, zu erhellen. Ihr Kinn klappte herunter, als sie eine schwebende Lichtkugel entdeckte, die brav dem Fremden zu folgen schien. Erst als der Mann anfing ihre Leine an dem Pfeiler festzubinden, überwand sie ihre Überraschung. Es war ein Ausbruch ohne Vorwarnung. Mit all ihrer Kraft warf sie sich nach hinten, bevor er den Knoten vervollständigte. Doch sie hatte keine Chance. Es reichte ein einziger Ruck am Seil, der sie zurückholte. Sie verlor das Gleichgewicht und landete rückwärts auf dem Hosenboden. Tränen stiegen in ihre Augen und ihr schmerzender Kehlkopf zwang sie zu husten. Ungerührt nutzte der Mann seine Chance und vervollständigte seinen Knoten. Dann wandte er sich mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck wieder an Joy, streichelte ihren Kopf und meinte:
    „Sein ein braves Kätzchen und bleib hier, bist du abgeholt wirst."
    Joys Augen weiteten sich ängstlich und wimmernde Laute entglitten ihr. Währenddessen drehte der Mann seine Hand um und ließ über seiner Handfläche eine goldene Kugel aus Licht entstehen.
    „Ich meinte es wirklich ernst. Das fällt mir nicht leicht. Am liebsten würde ich mitnehmen. Aber das kann ich nicht. Es ist mein Job...", erklärte er mit einem gequälten Lächeln. Dabei stieg die Lichtkugel wie von Geisterhand bewegt in die Luft. Zuerst langsam, doch dann immer schneller begann sie in Richtung Himmel zu rasen. Schweigend beobachtete Joy das unmögliche Schauspiel. Erst als die Kugel mehrere Meter über den Dächern der Häuser schwebte und urplötzlich in einer hellen Lichtfontäne explodierte, riss sie sich die Gegenwart des Mannes zurück. Sofort begehrte sie erneut auf. Riss an ihren Fesseln und schrie in ihren Knebel. Doch sie verstummte, als der Körper des Mannes begann sich aufzulösen. Kleine Lichtpartikel, die sich auch schon beim Tor der Wünsche gesehen hatte, wurden von ihm abgesondert. Sein Körper wurde transparent und bevor er völlig verschwand meinte er:
    „Bedanke dich bei der Person, die du zu retten erwünscht."
    Verdattert starrte Joy auf die Stelle, wo er gestanden hatte.
    Nur einen Wimpernschlag später fanden Tränen ihren Weg über ihr Gesicht, tropften herunter, nur um dann im erdigen Boden zu versickern.
    Plötzlich richteten sich ihre Ohren ruckartig auf. Das Scheppern von Metall, Schreie und Rufe drangen zu ihr durch. Sofort versuchte sie wieder aus ihren Fesseln zu entkommen. Doch ihre Hände waren noch wie vor fest verschnürt und das Seil widerstand all ihren Bemühungen. Es dauerte nicht mehr lange, bis die Wachen die kleine Seitenstraße erreicht hatten. Joy fauchte, versuchte so bedrohlich wie nur möglich zu wirken, doch der Knebel erstickte all ihre Bemühungen. Die Wachen näherten sich immer weiter. Sie hatten nicht einmal ihre Waffen gezogen. Aufmerksam suchten sie die Gegen ab, bevor sie sich an Joy wandten. Ein Soldat trat hervor und streckte seinen Arm in Joys Richtung und zeigte ihr damit seine Handfläche, wo ein bläuliches, ellipsenförmiges Licht schwach zu scheinen anfing. Nach wenigen Momenten ballte der Soldat seine Hand zu einer Faust. Das Licht erstarb und er meinte zu dem Hauptmann der kleinen Truppe:
    „Sie hat keinerlei magischen Fähigkeiten. Jemand anderes muss den Zauber gewirkt haben."
    Der Hauptmann trat vor und bedachte die wimmernde Joy mit einem langen Blick. Dann meinte er mit kalter Stimme:
    „Schmeißt sie ins Gefängnis und informiert den König. Wer auch immer der Magier war, er wird bereits ein Versteck gefunden haben."
    Nach einer Pause, die Joy einen kalten Schauer über den Rücken jagte, fuhr er fort:
    „Und falls der Neuankömmling nicht freiwillig reden will, werden sie zum Reden bringen. Unsere Spezialisten haben da ihre Methoden."
    Joy wimmerte, doch einer der Soldaten ergriff das Seil, zog einmal kräftig daran und zwang sie damit zum Folgen.


    Da ihre Sicht diesmal nicht von einer Augenbinde blockiert war, konnte Joy wenigstens erkennen, wohin sie geführt wurde. Sehr schnell ließen sie die Seitengassen und dunklen Bereiche der Stadt hinter sich, um die Hauptstraße zu betreten, die einer geraden Linie direkt zum Palast führte. Joy fühlte sich, wie auf dem Präsentierteller. Überall erkannte Gesichter in den Fenstern der teils mehrstöckigen Steinbauten, die sich entlang der gepflasterten Straße aneinanderreihten. Beschämt wich sie den Blicken aus, indem sie den Boden fixierte.


    Die Prozession dauerte noch einige Minuten, bis sie schließlich den Palast erreicht hatte. Doch Joy hatte keine Augen für die Pracht die sich ihr zeigte. Die hohen Türme drohten sie zu erdrücken, die goldenen Verzierungen, die sich über die gesamte Außenwand zogen, waren matt und käsig, die aufwendig bemalten Fenster zeigten Szenen von Tod und Verderben. Deswegen war sie auch nicht enttäuscht, als der Soldat sie nicht durch das Haupttor, sondern durch einen Seiteneingang in das riesige Gebäude führte.


    Die schwere Holztür fiel hinter mit einem lauten Quietschen ins Schloss, was Joy zusammenzucken ließ. Ihre Ohren und damit ihr Kopf schmerzten, während sie von der Wendeltreppe tief unter die Erde geführt wurde.
    Am Ende der Treppe angekommen fand sie sich schließlich in einem dunklen Gang wieder. Rechts und links von ihr erstreckten sich angerostete Zellengitter hinter denen eine schier undurchdringliche Finsternis lauerte. Der Soldat führte sie weiter, bis zum Ende des Gangs. Dort angekommen schloss er die Zelle links von Joy auf, schubste sie hinein und verriegelte das Tor. Sofort begehrte Joy auf und ließ gedämpfte Laute ertönen, die man gerade eben so als Fauchen identifizieren konnte. Doch der Soldat meinte nur höhnisch:
    „Mach es dir bequem. Morgen im Laufe des Tages wird dich der König begutachten."
    Mit diesen Worten verschwand der Soldat und ließ die noch immer wild protestierende Joy allein zurück. Erst als er die Tür hinter sich wieder ins Schloss fallen ließ, verstummte sie. Zuerst starrte sie nur ins Leere, doch dann erfasste allmählich ein Beben ihren gesamten Körper. Tränen, zuerst nur wenige Tropfen, dann ein reißender Strom, bahnten sich ihren Weg über Gesicht und benetzten den kalten Steinboden. Ihr Brustkorb bebte, ihre Schultern zuckten unkontrolliert auf und ab. Und dann brach es aus ihr heraus. Sie fiel auf die Knie und kauerte sich zusammen, während sich durch den Knebel undefinierbar gemachte Laute mit ihrem wilden Schluchzen vermischten.
    „Reiß dich zusammen! Hier versucht jemand zu schlafen...", ertönte plötzlich eine Stimme. Noch immer schluchzend hob Joy ihren Kopf und starrte überrascht in die gegenüberliegende Zelle, wo sie eine verschwommene Bewegung ausmachte.
    „Es ist ja nicht so, als ob du morgen geköpft werden würdest", murrte die Stimme. Trotz nach wie vor hüpfendem Brustkorb und fließenden Tränen zwang sich Joy dazu ihr Schluchzen zu unterdrücken. Ihr Blick ruhte ganz auf der Person in der anderen Zelle, die soeben an die Gitterstäbe trat und verschlafen zu herüber spähte. Sofort erkannte sie die vertrauten, wenn auch sehr müden Gesichtszüge und schrie gegen den Stoff an:
    „Hmm! Mhhh! Hmmhmmm mhhh!"
    Kyrill blinzelte noch einmal und fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen. Danach starrte er die aufgeregte und noch immer weinende Joy mehrere Minuten an, bis sich seine Augenbrauen langsam in die Höhe bewegten.
    „Das darf doch nicht wahr sein... Joy?"
    Sofort richtete sich ihre Ohren voller freudiger Erregung auf und ihr Schwanz reckte sich kerzengerade in die Höhe. Heftig nickte sie und versuchte ihn zu bestätigen:
    „Mhh! Mhh! MhhhmmmHmmm!"
    Darauf fuhr er sich mit der Hand übers Gesicht und musterte Joy durch seine gespreizten Finger mit einem resignierenden Ausdruck.
    „Warum hast du nicht auf mich gehört?"
    „Hmm! Mhh hmmm mhhmhn hmmnnn!"
    Kyrill seufzte und strich sich darauf durch die langen schwarzen Haare. Dann trat er einen Schritt zurück, stellte sich vor das Schloss seiner Zelle und murmelte:
    „Eigentlich hätte ich gerne noch ein bisschen Zeit gehabt, um mich es ein bisschen besser kontrollieren zu können, aber du hast meine Planung grandios über den Haufen geschmissen."
    Joy verstummte. Gebannt folgten ihre Augen seiner Hand, die einen tellergroßen Kreis beschrieb. Sobald er die Form geschlossen hatte, glühte der Kreis einmal kurz in einem kräftigen Rot auf. Danach wurde das Licht durch einen in sich wirbelnden, aber der Form treu bleibenden, schwarzen Nebel ersetzt. Kyrill malte weitere Formen in den Kreis hinein, bis Joy ein Pentagramm erkennen konnte, dessen Spitze nach unten deutete. Die Innenräume des Pentagramms schmückte er noch mit Symbolen aus, die Joy an Runen erinnerten. Sobald er zufrieden mit seinem Werk war, machte er eine wischende Handbewegung und der Kreis mitsamt des Pentagramms fing an sich zu drehen und zu schrumpfen, bis es in das Schlüsselloch der Zellentür passte.
    „Zerstöre", flüsterte Kyrill mit kaum vernehmbarer Stimme. Sofort fing das Schloss an rot zu glühen. Ein leises Knirschen ertönte. Dann ein Zischen und Knarren. Kyrill lächelte und übte einen sanften Druck auf die Zellentür aus. Quietschend schwang sie auf und Kyrill betrachtete für einen Moment gedankenverloren das verbrannte Metall.
    „Mmhhh Mhmmm!", protestierte Joy und holte ihn damit wieder zurück in die Realität.
    „Tschuldige, aber du willst doch nicht in die Luft gejagt werden, oder?", meinte Kyrill lächelnd, während er die Prozedur an Joys Zellentür wiederholte. Hastig schüttelte diese den Kopf rutschte schnell von der Tür weg.
    „Zerstöre!"
    Diesmal war der Knall ein bisschen lauter, sodass Joy erschrocken zusammenzuckte. Rötlicher Rauch wallte aus dem Schloss und es roch streng nach Schießpulver. Dann zog Kyrill die Tür auf und setzte im Schneidersitz vor Joy auf den Boden. Schweigend suchte sie seinen Blick, der langsam über ihren Körper wanderte, wobei er an ihren Ohren, ihrem Schwanz und ihren neuen Haaren hängen blieb. Er kratzte sich am Kopf und schüttelte seufzend den Kopf.
    „Du bist ein dummes Mädchen", stellte er sachlich fest, während er ihren Knebel löste. Joy hustete und versuchte mit aufwendigen Bewegungen ihrer Zunge die Überreste des Stoffs aus ihrem Mund und aus den Zwischenräumen ihrer Zähne zu entfernen.
    „Wirklich... Was hast du dir dabei gedacht?"
    „Das... Dieses Tor... Ich...", stammelte sie und wandte dabei ihren Blick von seinem Gesicht, um den Boden anzustarren. Währenddessen versuchte Kyrill ihre Handfesseln zu lösen.
    „Ich wollt nicht, dass du dich veränderst", flüsterte sie schließlich mit roten Backen. Da lösten sich ihre Fesseln und Kyrill seufzte. Sie rieb sich die schmerzenden Handgelenke und wagte es wieder zu ihm aufzuschauen, allerdings nicht ohne ihren Kopf einzuziehen, als würde sie eine Schelte erwarten.
    „Du machst dir immer genau dann sorgen, wenn sie völlig unberechtigt sind", meinte Kyrill sanft und streichelte ihr liebevoll über den Kopf. Sofort entspannte sich Joy. Doch das machte den Weg frei für einen weiteren Ausbruch. Der Strom der Tränen fing wieder an zu fließen und ihr Schluchzen erfüllte den Raum. Im nächsten Moment schmiegte sie sich eng an Kyrill, vergrub ihr Gesicht in seiner Brust, krallte sich in den schwarzen Stoff seines Shirts und erklärte mit verweinter Stimme:
    „Ich wurde verwandelt, gejagt, betäubt, versklavt, gekauft, freigelassen, wieder eingefangen und eingesperrt. Und alles nur wegen dir. Und du sagst, es wäre nicht nötig gewesen? Das ist lustig... Idiot! Arsch! Voll..."
    Kyrill ließ sie verstummen, indem er seinen Arm um sie legte und sie näher an sich heran zog. Dabei kraulte er sie weiter hinter den Ohren und flüsterte:
    „Ich weiß, ich weiß... Aber ich habe mich doch noch nie von Geschichten und Gerüchten unterkriegen lassen, oder?"
    Doch Joy klammerte sich nur fester an ihn. Ihr Seufzen wurde leiser und der Tränenstrom ebbte langsam ab.
    „Du brauchst dir keine Sorgen mehr zu machen. Mir geht's gut. Die Göttin der Schwelle hat sich von mir um die Nase führen lassen und mir die Magie gegeben, die ich beweisen wollte. Ich kann uns hier rausbringen."
    Aber auch dieses Mal verharrte Joy schweigend an Kyrill geschmiegt. Ihre Tränen waren versiegt, ihre Augen geschlossen und ihre Krallen bohrten sich weiter in Kyrills Kleidung.
    „Joy?"
    Plötzlich ging ein sanftes Vibrieren von ihrem Brustkorb aus und ein wohlgefälliges Schnurren ertönte. Verdattert blinzelte Kyrill und starrte das Mädchen fassungslos an. Joy vergrub ihr Gesicht weiter in seiner Brust. Erst nachdem Kyrill ein gedämpftes Lachen entschlüpfte, lugte sie schüchtern mit aufgeblasenen Backen zu ihm hoch.
    „Du bist wieder am Puffeln", meinte er lächelnd, während er ein Ohr besonders intensiv kraulte und sie damit zum Schließen ihres rechten Auges brachte.
    „Mit Recht! Immerhin bist du es Schuld, dass ich dazu überhaupt in der Lage bin!", beschwerte sie sich halbherzig und drückte sich noch enger an ihn, worauf dieser verstummte. Er runzelte die Stirn, als wolle er sich an etwas Wichtiges erinnern.
    „Kyrill? Alles in Ordnung?", fragt Joy mit einem Anflug von Panik. Ernst erwiderte er ihren Blick und fragte:
    „Das... sind das deine Brüste die ich da spüre? Die... waren doch nicht immer so groß, oder?"
    Jetzt war es Joy die verdattert blinzelte. Dann zuckte ihre Schwanzspitze einmal verräterisch und die Röte schoss ihr ins Gesicht. Ihre Krallen bohrten sich durch den Stoff in seine Haut und ein leises Fauchen übertönte seinen Ausruf der Überraschung.
    „Ah, ich hab mich doch nur gewundert! Vorher hattest doch nichts... Aua, ganz ruhig Joy. Ich entschuldige mich ja schon. E-es tut mir leid!"
    Kyrill löste die Umarmung und versuchte Joy an den Handgelenken zu packen, um ihre Krallen aus seiner Haut zu lösen, doch sie nutzte die Gelegenheit und biss ihm leicht in den Arm.
    „Es tut mir leid! Es kommt nicht wieder vor, ich verspreche es!", heulte Kyrill wie ein geschlagener Wolf, während er nach hinten auf den Rücken fiel und Joy damit auf sich zog. Noch einen Moment ließ Joy nicht locker, zeigte dann aber Erbarmen und löste sowohl ihre Krallen, als auch ihren Biss. Erleichtert seufzte Kyrill und hob den Kopf, um Joys Blick zu suchen. Nach wie vor lag sie auf ihm und sah ihn mit einem lauernden Ausdruck an, während ihre Pose ihm den ersten direkten Einblick auf ihr Dekolleté gestattete.
    „Ich war nur überrascht...", rechtfertigte sich Kyrill, ohne seine Augen von dem ungewohnten Anblick losreißen zu können.
    „Die Göttin hat mich nur so verwandelt, weil du mal wieder auf deinen Willen bestanden hast. Du kannst froh sein, wenn ich dir nicht dein ganzes Gesicht zerkratze!"
    „Schon gut, ich hab´s verstanden. Ich schulde dir etwas, sobald wir wieder zuhause sind, richtig?", beschwichtigte Kyrill weiter und fing dabei wieder an ihre Ohren zu kraulen. Schnurrend erwiderte sie:
    „Das will ich doch hoffen."
    „Gut... Dann würde ich sagen, dass wir aufhören zu kuscheln. Ich finde es zwar gerade auch furchtbar bequem, aber das bringt uns nicht zurück", schlug Kyrill lächelnd vor, worauf Joy nickte und sich zögerlich von ihm löste. Sie standen auf und bevor sie die Wendeltreppe betraten, erklärte Kyrill:
    „Unser Ziel ist der König. Soweit ich weiß ist er der einzige in diesem Königreich, der die Macht besitzt ein Portal in unsere Welt zu öffnen."
    „Du willst doch nicht etwa...", flüsterte Joy entsetzt. Doch Kyrills gefährliches Lächeln ließ sie verstummen.
    „Ganz Recht. Der Typ wollte, dass ich ihm meinen erfüllten Wunsch aushändige und dafür würde er mich zurückschicken. Oder ich könnte ihn behalten und ewig als sein Untertan leben."
    „Aber du hast natürlich nicht zugestimmt und bist im Kerker gelandet."
    „Genau. Wie gesagt Worte haben mich noch nie kleingekriegt. Als ob der Königstitel eine Ausnahme wäre."
    „Manchmal bin ich dann doch froh darüber, dass du ein Idiot bist."
    „Sonst säßest du jetzt hier fest. Aber lass uns die Einzelheiten später klären. Wir sollten erst einmal dafür sorgen, dass wir hier raus kommen."

    Kapitel 6 - Gefangen


    Also Joy erwachte, brauchte sie mehr als nur ein paar Minuten, um sich zu orientieren. Sie stöhnte, in ihrem Kopf hämmerte ein Presslufthammer von innen gegen ihren Schädel und ihr ganzer Körper war taub. Nur langsam kehrten genug ihrer Sinne zurück, damit sie erkennen konnte, dass sie gefesselt und geknebelt in einem dunklen Zimmer lag. Panik ergriff sie. Ihre Hände waren fest hinter ihren Rücken verschnürt und auch ihre Füße wurden durch ein Stück rauen Seils zusammengebunden. Sofort zerrte sie an ihren Fesseln. Der Presslufthammer in ihrem Kopf schaltete erbarmungslos in die nächste Stufe. Sie biss die Zähne zusammen, schmeckte den filzigen Stoff in völlig ausgetrockneten Mund. Doch die Fesseln saßen zu fest. Egal wie sehr sie zerrte, sie lockerten sich nicht. Ihr entglitt ein verzweifeltes Schluchzen, was durch den Stofffetzen in ihrem Mund zu einem gedämpften, undefinierbaren Laut wurde. Und plötzlich ging ein Ruck durch das Zimmer. Zuerst dachte Joy, dass es ihr Schwindel war, doch dann vernahm sie die dröhnenden Geräusche von Holz, das auf Stein traf. Das Ruckeln, Holpern und Dröhnen setzte sich fort und folterte ihr feines Gehör. Tränen stiegen in ihre Augen, als sie ihre Beine an den Körper zog und sich schützend zusammen rollte. Ihr Schwanz war zwischen ihren Beinen eingeklemmt und ihre Ohren lagen eng an ihrem Kopf an, während sie am ganzen Leib zitterte.


    Die Folter dauerte eine gefühlte Ewigkeit an. Doch dann hörte das Ruckeln schließlich auf und das Dröhnen verstummte. Vorsichtig drehte Joy den Kopf und richtete ihre Ohren ein Stückchen auf. Sie hörte Schritte. Sie gingen an ihr vorbei und dann vernahm sie das Rascheln von schwerem Stoff. Licht flutete den dunklen Raum und blendete Joy, was die Hammerschläge in ihrem Kopf nur noch weiter verstärkte.
    „Hm… Da habt ihr uns aber wirklich ein exotisches Exemplar gebracht. Das wird bei der Auktion einiges einbringen“, meinte eine fremde Stimme freudig. Joy kniff die Augen zusammen und starrte ins Licht, wo sich die Konturen von zwei Menschen abzeichneten.
    „Das hör ich gerne. Meine Dienerin hat sie vor wenigen Stunden aufgelesen. Ich hoffe doch, dass wir uns auf einen guten Preis einigen können. Solche Neuankömmlinge sind sehr selten. Das wissen wir beide!“, meinte die andere Gestalt und lachte. Die erste Stimme fiel mit ins Gelächter ein. Noch während sie am Lachen waren, spürte Joy, wie sich der hölzerne Boden unter ihr leicht neigte und ein dumpfes Knarren von sich gab. Eine der Gestalten hatte den Wagen betreten, kam auf Joy zu und schob sich vor die Lichtquelle.
    „Ist unser Kätzchen schon aufgewacht? Das ist schlecht. Wer weiß, was du tun wirst, sobald die Wirkung des Betäubungsmittels nachlässt?“


    Im nächsten Moment riss Joy ihre Augen voller Angst auf. Verzweifelte versuchte trotz ihrer Fesseln von dem Mann wegzukommen. Doch dieser lachte nur, ging vor ihr in die Knie und packte sie grob an den Haaren. Sofort schossen Joy Tränen des Schmerzes in die Augen, als er sie zu sich auf Augenhöhe hochzog. Sie gab protestierende Laute von, doch der Mann ignorierte sie. Dann kramte er aus seiner Manteltasche eine grobe, metallene Spritze hervor. Ohne zu zögern und auf Joys panisches Gewinde und Gezappel zu achten, stach er ihr die Spitze in den Hals und injizierte ihr den gesamten Inhalt. Es dauerte keine zwei Wimpernschläge, bis Joy die Auswirkungen spürte. Zuerst verflog der Schmerz. Eine völlige Leere, die ihr die Kontrolle über ihren Körper raubte, erfüllte sie bis in den letzten Winkel. Und dann schwand ihr Bewusstsein.


    Als sie wieder zu sich kam, war ihr Mund frei, ihre Hände waren über ihrem Kopf mit Ketten an ein Gestell gebunden und ihre Füße baumelten frei über dem Boden. Doch sie spürte keinen Schmerz. Sie spürte rein gar nichts. Langsam öffnete sie die Augen. Ihre Lieder waren schwer. Es kostete sie fast all ihre Kraft, um sie heben und sich in dem dunklen Raum umzusehen. Ihre Sicht war verschwommen, doch grobe Umrisse konnte sie erkennen. Der Raum war klein. Die Wände waren aus einem massiven dunkel braunen Holz und irgendwo über ihrem Kopf verbreitete etwas ein konstantes, schummriges Licht. Direkt vor ihr war ein Tisch, auf dem ein hölzerner Krug stand, der noch zur Hälfte mit einer grünlichen Flüssigkeit gefüllt war. Hinter diesem führte ein ebenfalls schwach beleuchteter Gang aus dem Zimmer hinaus. Langsam und unter Aufbietung all ihrer Kräfte drehte Joy den Kopf zur Seite. Da registrierte sie, dass sie nicht allein war. Neben ihr waren mehrere andere Gestelle, in denen andere Mädchen und Frauen gefesselt waren. Ebenfalls erkannte sie, dass diese Gestelle auf Rollen montiert waren. Die anderen Gefangenen waren alle noch bewusstlos. Joy wollte sie ansprechen, sie aufwecken, doch alles, was aus ihrer Kehle kam, war ein kaum vernehmliches Krächzen. Erneut traten Tränen in ihre Augen.


    Plötzlich vernahm sie Schritte. Aus dem dunklen Gang traten mehrere Personen heraus, die geschäftig die Gestelle zu verschieben begannen. Joy versuchte den Männern mit ihrem Blick zu folgen, doch ihr eingeschränktes Sichtfeld erlaubte es ihr nicht. Dann trat jemand vor sie, griff sie grob am Kinn und zwang sie nach vorne zu sehen. Es war ein Mann mit aufgedunsenem und kahlem Gesicht, der sie mit einem überlegenen Lächeln betrachtete.
    „Erstaunlich, dass die Droge schon ihre Wirkung verliert… Aber ändern wird es nichts. Bis du die Kontrolle über deinen Körper zurückerlangst, wirst du wahrscheinlich noch ein paar Stunden brauchen“, flötete er, als wäre es eine Sache, die es zu feiern galt. Joy wollte wieder etwas erwidern, doch auch diesmal versagte ihr ihr Körper den Dienst. Doch der Mann grinste breit und meinte:
    „Will da etwa jemand wissen, was mit ihm passieren wird?“ Er lachte laut.
    „In Suma gibt’s eine außergewöhnliche Gesellschaft. Wünsche, die in der ursprünglichen Welt nicht erfüllt werden können, sind hier möglich. Dementsprechend gibt es viele Menschen mit besonderen Bedürfnissen. Und du wirst mir helfen jene Wünsche zu erfüllen und damit meinen Geldbeutel zu füllen.“
    Mit diesen Worten schnippte er mit den Fingern und Joys Gestell wurde aus dem Raum heraus geschoben. Dabei versuchte sie dem Mann noch einen möglichst hasserfüllten Blick zuzuwerfen. Doch die Leere hielt ihren Körper in einem eisernen Griff. So konnte sie nur dabei zusehen, wie sie in einen weiteren Raum gebracht wurde, der deutlich schmaler war. Dort wurde das Gestell wieder gestoppt und Joy konnte eine leise Stimme vernehmen:
    „Verkauft für 300 Gil!“ Es folgte eine Pause.
    „Und nun kommen wir zum Hauptevent des heutigen Abends.“ In diesem Moment wurde das Gestell wieder weiter den Gang entlang geschoben.
    „Sie ist ein Neuankömmling, die glücklicherweise gefangen genommen wurde, noch bevor sie beim König vorgestellt wurde.“
    Sie wurde von einer hellen Lichtquelle geblendet und schloss gepeinigt die Augen. Sie hörte noch ein Raunen mehrere Menschen, bevor die Stimme fortfuhr.
    „Meine Herren, wie ihr seht, ist sie eine junge Katzenfrau. Die erste, die je dieses Königreich betreten hat. Deswegen wird das Startgebot bei 400 Gil angesetzt! Darf ich um Ihre Gebote bitten?“
    Noch immer betäubt blinzelte Joy. Sie begriff die Worte. Doch die Droge verweigerte ihr jede Gefühlsregung. Selbst als sie langsam die verschwommenen Umrisse des Saals erkannte, die Blicke von hunderten Männern auf sich spürte, die sich gegenseitig überboten, war sie zu keiner Emotion in der Lage.
    „600! 650! 700!“
    Hilflos ließ sie ihren Kopf sinken.
    „800! 900!“
    Wieso hatte sie nicht auf Kyrill gehört? Warum hatte sie nicht einfach diese zwölf Minuten auf ihn gewartet?
    „2000…“
    Die Stimme war leise, doch deutlich. Ruhig und doch bestimmt. Freundlich und zugleich grausam. Warm, aber so kalt, dass sie Joys betäubten Körper zum Zittern brachte. Sie hob ihren Kopf und versuchte die Quelle der Stimme ausfindig zu machen, doch der Schwindel packte sie und ließ die Umrisse der Welt aufs Neue verschwimmen.
    „2000… Das Angebot steht bei 2000! Wer bietet mehr? Bietet wer mehr?“, stotterte der Auktionator überrumpelt. Doch auf niemand reagierte mehr auf seine Aufforderung.
    „1… 2… 3… Verkauft! Das Katzenmädchen geht an den Herrn mit den langen Haaren! Sie können sich die Ware am Ausgabestand abholen!“
    Mit diesen Worten wurde Joy von der Bühne wieder in die Dunkelheit geschoben. Sie schloss die Augen. Jetzt war alles vorbei.


    Hinter ihren geschlossenen Liedern spürte sie wieder Licht. Stimmen murmelten, ihre Fesseln wurden gelöst und bevor sie auf den Boden fallen konnte, wurde sie von zwei starken, aber verschwitzten Armen aufgefangen. Dann legte man ihr etwas über den Kopf, fesselte ihre Hände hinter ihrem Rücken, verband ihre Augen und legte ihr ein kaltes Halsband an.
    „Vielen Dank“, meinte die seltsame Stimme ihres Käufers. Sofort reagierte ihr Körper. Ein Schauer, ein Zittern, das die Betäubung aufhob und sie schaudern ließ, durchrieselte ihren Körper. Trotzdem öffnete hielt sie ihre Augen geschlossen. Sie wollte ihn nicht sehen. Jenen Mann, der glaubte sie wie eine Sklavin behandeln zu können.
    „Bitte geben Sie ihr jetzt noch das Gegengift. Ich habe keine Lust sie den ganzen Weg zu tragen.“
    „Sind Sie sicher? Wir wissen nicht, zu was dieser Neuankömmling alles in der Lage ist.“
    „Mit gefesselten Händen bestimmt nicht zu besonders viel. Ich werde schon mit ihr fertig.“
    „Wie Sie wünschen, Herr…“
    Damit wurde Joy grob am Kiefer gepackt und dazu gezwungen ihren Mund zu öffnen. Ihr kraftloser Widerstand bewirkte nichts und schon wenige Momente später, spürte sie wie eine geschmackslose Flüssigkeit ihren Hals herablief. Sofort setzte sie ihre Kehle in Brand. Sie hustete und schnappte dabei gierig nach Luft, als das Brennen ihre Lungen erreichte und sich von dort in ihren ganzen Körper ausbreitete. Doch mit dem Husten kehrte auch ihre Kraft und Kontrolle wieder. Aber damit auch der Schmerz. Ihr ganzer Leib pochte protestierend gegen die Behandlung, die ihr in den letzten Stunden zu Teil geworden war. Als ihr Peiniger ihren Kiefer packte und ihr erneut etwas in den Mund stopfen wollte, wehrte sie sich. Reflexartig schnellte ihr Kopf abwehrend zur Seite, sie riss ihrem Mund auf und biss zu. Die spitzen Zähne bohrten sich in das warme Fleisch der schwülstigen Hand. Der salzige Geschmack des Schweißes vermischte sich mit dem Blut zu einer ekelerregenden Brühe. Doch sie trieb ihre Zähne immer weiter. Der Mann schrie und brüllte. Er versuchte sie abschütteln. Riss seine Hand herum und verschlimmerte damit nur seine Schmerzen. Und dann sah Joy Sterne, trotz der Augenbinde. Ein dröhnender Schmerz füllte ihren Kopf aus, als dieser unter der Wucht eines Schlags zur Seite gerissen wurde. Schnell zog der Mann seine blutige Hand zurück und knurrte:
    „Verfluchtes Tier! Ich werde…“
    „Du wirst nichts. Ich habe sie nicht gekauft, damit du sie tot prügeln kannst“, schnitt die wundersame Stimme ihres Käufers dazwischen. Es herrschte einen Moment lang Stille, doch dann knurrte der Mann wütend:
    „Dann kümmere dich gefälligst selbst um ihre Abfertigung. Bei dem Temperament wird sie nach Hilfe schreien, wenn du ihr keinen Maulkorb verpasst.“ Damit entfernte er sich mit schweren Schritten. Doch Joy wagte es noch nicht aufzuatmen. Wimmernd legte sie ihre Ohren noch fester an den Kopf und klemmte ihren Schwanz zwischen ihren Beinen ein. Dann, ohne Vorwarnung, legte sich plötzlich eine Hand auf ihren Kopf. Sanft und ohne Gewalt.
    „Der Herr hatte leider Recht. Ohne Knebel kann ich dich leider nicht mitnehmen. Schließlich möchte ich nicht hier auffliegen. Das verstehst du doch, oder Joy?“ Als er ihren Namen erwähnte, zuckte Joy zusammen.
    „Woher…“, entfuhr ihr es sofort, doch ihr Käufer nutzte die Chance und stopfte ihr das Stück Stoff in den Mund.
    „Tut mir Leid, Kleines, aber wie ich schon sagte. Du musst verstehen, dass ich meine Gründe habe. Es ist einfach nicht der richtige Ort, um sich zu unterhalten“, erklärte ihr Käufer ruhig, während er den Knebel vervollständigte. Dann griff er hinter sie und zog ihr etwas, das sich ebenfalls anfühlte wie Stoff über den Kopf. Da registrierte Joy erstmals, dass ihr ein dünner Umhang oder ähnliches umgelegt worden war.
    „Kannst du stehen?“, fragte ihr Käufer und griff ihr dabei auffordernd unter die Arme. Langsam nickte Joy. Ihre Beine wankten, aber sie würde gehen können.
    „Tapferes Mädchen“, meinte der Mann sanft und liebkoste dabei ihr Gesicht mit einem seiner Finger,
    „Und nun komm. Ich wette, du möchtest auch nicht länger als nötig hier verweilen, oder?“ Sofort rieselte ein kalter Schauer über ihren Rücken. Dennoch gehorchte sie und nickte wieder. Dann wurde ein leichter, aber unnachgiebiger Zug auf ihren Nacken ausgeübt, der ihr die Richtung wies. Während sie so ihrem Käufer folgte, fing ihr Brustkorb an zu beben und ihre Augenbinde tränkte sich mit ihren Tränen. Verstummelte Laute drangen durch ihren Knebel, die ihr Käufer jedoch komplett ignorierte.

    Kapitel 5 - Suma


    Joy vermied es das Dorf zu betreten. Sie blieb auf Abstand, machte die Straße aus, die der Mann gemeint hatte, und folgte ihrem Verlauf. Ihre Anspannung äußerte sich nach wie vor im Zucken ihrer Schwanzspitze. Die Umgebung ließ sie nicht aus ihren Augen und jedes Mal, wenn ihr jemand entgegen kam, verkrampfte sie sich und bereitete sich innerlich auf eine Auseinandersetzung vor. Glücklicherweise waren es nicht viele Leute, die ihr begegneten. Viele von ihnen würdigten sie auch nur eines schnellen Blickes und beeilten sich dann sie zu passieren. Es machte sie stutzig, doch überwog ihre Erleichterung sich nicht jedes Mal wieder aufs Neue erklären zu müssen. Jedoch gab es ein paar wenige Leute, die die gleichen Reaktionen zeigten, die auch der junge Mann gezeigt hatte. Sie lachten sie aus. Doch eine Sache unterschied sich von ihm. Sie bezeichneten Joy als krank. Nachdem sie zwei dieser Frauen mit einer Demonstration ihrer Zähne und Klauen verstummen ließ und ihren Weg wieder fortsetzte fragte sie sich murmelnd:
    „Meine Wünsche? Waren das wirklich meine Wünsche? Diese Göttin meinte sie hätte sie mir erfüllt. Aber warum auf diese Art und Weise?“
    Eine Antwort auf diese Fragen fand sie nicht. Dennoch mussten sich erst die Umrisse einer Stadt am Horizont abzeichnen, um sie von ihren Gedanken abzulenken. Ihre Aufregung wuchs und sie beschleunigte ihre Schritte.
    „Ich hoffe bloß, dass ich diesen Idioten schnell finde…“, brummte sie, während sie das Tempo ihrer Schritte noch weiter erhöhte, bis sie förmlich über die Straße zu fliegen schien. Sie wollte unter allen Umständen die Stadt noch vor Sonnenuntergang erreicht haben.


    Als die Sonne den Horizont küsste und die Welt in ein schimmerndes, surreales Rot tauchte, hatte Joy die Stadt erreicht. Einige Meter vor den Stadttoren kam sie schließlich angestrengt atmend zum Stehen, um die Situation aus der Entfernung beurteilen zu können. Die Stadt war von einer riesigen Mauer aus kaltem Stein umgeben, die im Abendrot wie mit Blut überzogen schien. Hinter den Mauerzinnen konnte Joy in regelmäßigen Abständen rote Lichter erkennen, in denen sich verschwommene Gestalten bewegten. Das Stadttor stand den Ausmaßen der restlichen Mauer in nichts nach. Seine Breite betrug mehrere Meter, sodass dort hunderte Menschen gleichzeitig passieren konnten, ohne dass es eng wurde. Doch reichten nur vier Menschen aus, um Joy sich in ihre Unterlippe beißen zu lassen. Sie war zwar noch weit wog, doch die scheppernden Geräusche ihrer Rüstungen und Schwertscheiden jagte ihr einen kalten Schauer über den Rücken. Unsicher beruhigte Joy zuerst ihren Atem und sah dann einmal skeptisch zum Himmel hinauf. Die Sonne würde nicht mehr lange Licht spenden und ihre Instinkte sagten ihr, dass es keine gute Idee war die Nacht draußen zu verbringen. Zögernd ging sie auf die Wachen zu. Trotz der nahenden Dunkelheit wurde sie schnell entdeckt und die Soldaten richteten ihre Aufmerksamkeit auf Joy. Ihre Ankunft erwartend stellten sie sich nebeneinander auf und blockierten damit das Tor. Joy schluckte, ihre Beine wurden weich, doch sie setzte ihren Weg fort, bis sie schließlich kurz vor den Soldaten stand.
    „Bist du ein Neuankömmling?“, fragte einer der Soldaten schroff, bevor Joy auch nur ein Wort murmeln konnte. In seiner Stimme vernahm sie ein seltsames Rasseln, das sie stutzig werden ließ. Eingeschüchtert nickte sie und meinte:
    „Mir wurde gesagt, ich solle hier her kommen.“
    „Das ist richtig. Du hast Glück. Die Ausgangssperre fängt gerade an. Wärst du einen Moment später gekommen, hättest du dich vor einem verschlossenen Tor wiedergefunden“, erklärte der gleiche Soldat. Joy konnte sein Gesicht nicht sehen, da er einen Helm trug, dessen Visier jeglichen Augenkontakt unterband. Seine Rüstung war die gleiche, wie auch die der anderen, jedoch war seine Schwertscheide mit aufwendigen Ornamenten verziert. Er musste der ranghöchste der Soldaten sein.
    „Wir wollen schließen. Also geh rein“, forderte er sie gebieterisch auf. Joy nickte zögerlich. Ihre Instinkte warnten sie und brachten ihre Schwanzspitze zum Zucken.
    „Folge mir“, gebot ihr der Soldat, drehte sich um und ging voraus. Nach einem weiteren Zögern folgte Joy ihm. Doch schon nach den ersten Schritten wurde ihre schlechte Vorahnung stärker. Skeptisch beobachtete sie die Soldaten, die ihnen folgten. Die drei bildeten einen Halbkreis, um Joy, als würden sie davon ausgehen, dass sie flüchten würde. Sie sah wieder nach vorne. Der Hauptmann passierte das Stadttor und würdigte sie keines weiteren Blickes. Als sie auf Höhe des Fallgitters war, zögerte Joy und blieb stehen. Alles in ihr sagte, sie solle nicht weitergehen. Die Soldaten hinter ihr kamen näher, der Hauptmann drehte sich zu ihr um und forderte sie barsch auf:
    „Folge mir! Oder willst du nicht zurück in deine Welt?“
    Die anderen Soldaten hatten sich mittlerweile hinter Joys Rücken positioniert. Hätte sie es gewagt sich umzusehen, hätte sie gesehen, wie die Soldaten ihre Hände auf die Schwertgriffe gelegt haben.
    „Ich suche jemanden. Könnt ihr mir vielleicht helfen ihn zu finden?“, erwiderte Joy unsicher. Darauf näherte sich der Hauptmann mit scheppernden Schritten. Immer wenn das Metall den Steinboden berührte, zuckte Joy innerlich zusammen. Wenige Schritte vor ihr stoppte er und bot ihr seine gerüstete Hand an.
    „Oberste Priorität ist es dich nach Hause zu bringen. Und dafür musst du den König treffen. Also sei ein braves Mädchen und komm mit uns.“
    „Ich muss diese Person zuerst finden. Ich werde nicht ohne sie zurückkehren.“
    Der Soldat ließ seine Hand sinken und legte sie auf seinen Schwertknauf. Reflexartig wich Joy einen Schritt zurück.
    „Das können wir nicht zulassen. Die Befehle des Königs sind absolut. Du wirst mit uns kommen.“ Mit diesen Worten ertönte ein klirrendes Geräusch, während der Hauptmann sein Schwert zog. Ohne zu zögern stieß Joy ein Fauchen aus, ihr Schwanz sträubte sich und sie wirbelte herum, um aus der Stadt zu fliehen. Doch da stürmten die anderen Soldaten mit gezogenen Waffen auf sie los. Der Anblick der scharfen Klingen verdrängten Joys Verstand. Sie hatte nur einen einzigen Gedanken, der zugleich ihren gesamten Willen widerspiegelte. Entkommen. Innerhalb eines Wimpernschlags hatten ihre Instinkte die Kontrolle über ihren Körper übernommen. Ein tiefes Knurren bildete sich in ihrem Brustkorb, als sie dem ersten Soldaten mit katzenhafter Geschicklichkeit zur Seite auswich. Doch die anderen beiden reagierten augenblicklich. Mit unmenschlicher Schnelligkeit versperrten sie Joy den Weg. Wieder stieß sie ein Fauchen aus und entblößte dabei ihre Zähne. Unbeeindruckt rückten die Soldaten näher. Ihre Schwerter schlagbereit erhoben. Joy hörte die Schritte des Hauptmanns in ihrem Rücken.
    „Gib auf, Mädchen. Wir wollen dich nicht umbringen. Also zwing uns nicht dir weh zu tun“, beschwor sie der Hauptmann. Doch sie glaubte ihm nicht. Statt auf seine Forderung zu reagieren, brach sie nach zur rechten Seite aus. Doch die Soldaten reagierten erneut mit übermenschlicher Schnelligkeit. Sie schnitten Joy den Weg ab, bevor ihr erster Schritt den Boden berührt hatte. Aber sie hatte es erwartet. Sobald ihr Fuß den Boden berührte, stieß sie sich nach hinten ab, drehte ihren Körper in der beinahe fliegenden Bewegung und hetzte am überrumpelten Hauptmann vorbei. Trotzdem reagierte er schnell. Seine Hand schoss ihr hinterher, berührte sogar die Spitze ihres Schwanzes, griff dann aber nur in die Leere. Verdattert blieb er einen Wimpernschlag lang stehen und schrie dann mit seiner rasselnden Stimme:
    „Hinterher! Schnappt sie euch! Lasst das Tor herunter! Sie darf nicht entkommen!“
    Das Krachen des Fallgitters betäubte beinahe Joys gespitzte Ohren. Doch sie hörte nicht auf zu rennen. Die Soldaten waren schnell. Das Scheppern ihrer Rüstungen war hinter ihr. So schnell sie konnte tauchte sie die Schatten einer nahen Gasse ein. Die Soldaten folgten ihr, doch sie wusste, dass sie den Vorteil hatte. Ihre Schritte waren lautlos. Ihr Gehör würde ihr die Position aller Feinde verraten.


    Und so hatte Joy schon bald ein Versteck gefunden. Es war eine sehr enge Straße, dessen Eingang von einem Haufen gestapelter Kisten versperrte wurde. Nur dank ihren Krallen hatte sie dort hochklettern können und sich vorerst hinter der hölzernen Wand in Sicherheit wiegen können. Dort saß sie nun am Boden, lehnte sich mit ihrem Rücken an eine kühle Steinwand und versuchte ihr pochendes Herz zu beruhigen. Doch die Soldaten wollten sie noch nicht ruhen lassen. Immer wieder hörte Joy sie an der Gasse vorbeirennen. Jedes Mal hielt sie ihren Atem an und kauerte sich mit eingeklemmtem Schwanz in die Ecke zwischen den Kisten und der Wand.
    „Moah, Kyrill, was hast du mir da nur wieder eingebrockt?“, murmelte Joy kleinlaut, während sie schutzsuchend ihre Beine umschlang.


    Sie verharrte so noch weitere Stunden, bis sie plötzlich die Müdigkeit in den Knochen spürte. Die hohen Wände und die Enge der Gasse tauchten Joy in beinahe völlige Dunkelheit. Sie wollte nicht schlafen. Doch dann wurde das Scheppern der Rüstungen immer leiser. Die Soldaten entfernten sich. Ein Gefühl der temporären Sicherheit überkam sie und im nächsten Moment sackte ihr Kopf zur Seite. Der Schlaf überwältigte sie und zerrte ihr das Bewusstsein aus dem Körper.


    Am nächsten Morgen wurde sie durch die Geschäftigkeit der Straße geweckt. Schlaftrunken murmelte sie:
    „Wo bin ich? Wa… Warum bin ich in einer Gasse?“ Dann erblickte sie ihren Schwanz und die Erinnerungen kehrten zu ihr zurück. Zwar nur langsam, aber unaufhörlich spielte sich der letzte Tag vor ihrem geistigen Auge ab. Sie stöhnte und murmelte geistesabwesend:
    „Womit habe ich das verdient… Kyrill, du Dummkopf. Warum hast du mich auch allein gelassen…“ Dann schüttelte sie ihren Kopf, sodass ihre langen blonden Haare flogen und rief sich selbst zur Ordnung:
    „Frühstück! Ohne etwas im Magen, überleb ich den Tag nicht. Ich hab seit gestern Morgen nichts mehr gegessen…“
    Damit stand sie auf und spitzte ihre Ohren. Die Straße vor ihrem Versteck wurde nicht sonderlich stark benutzt. Dennoch würde sie sofort erkannt werden. Die Ohren und der Schwanz waren ohne Hut und vernünftige Klamotten unmöglich zu verstecken. Sie biss sich auf die Lippe und fluchte leise, worauf ihr Magen umso lauter knurrte.
    „Verdammt noch mal, was soll ich tun? Ich kann so unmöglich durch die Stadt laufen… Zumindest nicht am helllichten Tag.“ Sofort ertönte ein protestierendes Knurren ihres Magens. Joy strich sich mit einem seufzen über den Bauch und murmelte:
    „Schon gut, schon gut… Ich versuch doch schon etwas daran zu ändern.“
    Doch genau in diesem Moment vernahm sie hinter sich ein dumpfes Geräusch. Erschrocken sprang Joy auf und sah sich hektisch um. Verdattert entdeckte sie an der Wand links neben ihr eine Tür. Und das dumpfe Klopfen, das sie aus dem Gebäude vernahm, kam immer näher. Panik ergriff sie. Sie hatte sich geradewegs in eine Sackgasse hineinmanövriert.
    „Wie hatte ich das übersehen können?!“, fluchte sie und suchte panisch nach einem Ausweg. Reflexartig fuhren ihre Krallen aus und sie sah zu dem Berg aus Kisten hoch. Doch sie zögerte. Würde sie jetzt auf die Straße flüchten, würde sie von allen gesehen werden. Die Soldaten wären ihr bestimmt direkt wieder auf den Fersen. Ihr Zögern reichte aus, um dem Fremden genügend Zeit zu geben die Tür zu erreichen und sie zu öffnen. Joy erstarrte und biss sich auf die Lippe. Ihre Augen verengten sich und sie senkte ihr Becken angriffsbereit. Dann trat die Person aus dem Gebäude hervor. Es war eine Frau mittleren Alters. Ihr schmales, gar mageres Gesicht wurde von braunen Haaren umrahmt, deren splissige Spitzen auf Höhe ihrer Schultern endeten. Als sie Joy entdeckte weiteten sich ihre blassen blaugrauen Augen in Überraschung. Die beiden Frauen verharrten für einen Moment. Joy tastete die Fremde mit warnenden Blicken ab und ergriff zuerst das Wort. Leise meinte sie:
    „Ich will dir nichts tun. Aber wenn du schreist, oder zu den Wachen rennst, wirst du mir keine andere Wahl lassen.“
    Die Frau blinzelte und nickte langsam, während ihr Blick auf Joys Krallen verweilte.
    „Du warst es also, die gestern Abend diesen Aufruhr verursacht hat?“
    Joy nickte gequält.
    „Leider. Diese Soldaten haben mich entführen wollen.“ Überrascht entgegnete die Frau:
    „Aber willst du denn nicht zurück in deine Welt? Du weißt doch schon, dass der König deine einzige Chance ist hier wieder wegzukommen, oder?“ Joy nickte, wollte etwas erwidern, wurde dann aber von ihrem knurrenden Magen unterbrochen. Darauf schmunzelte die Frau und meinte nach einem kurzen Zögern:
    „Wenn du mir hilfst eine der Kisten zu tragen, kannst du gerne mit mir frühstücken.“
    „Huh? Wirklich?“
    Die Frau lächelte und nickte. Darauf zogen sich Joys Krallen zurück, ihr Schwanz streckte sich freudig in die Höhe und sie erwiderte:
    „Das würde mich retten! Vielen, vielen Dank!“
    Die Frau winkte ab, schnappte sich eine Kiste und ging zurück ins Haus. Joy tat es ihr gleich und folgte ihr.


    Hinter ihr fiel die Tür ins Schloss und Joy fand sich in einem niedrigen Lagerraum wieder, in dem mehrere Krüge und andere Kisten standen. Ein dichter Schleier aus den verschiedensten Gerüchen lag in der Luft und trieb Joy Tränen in die Augen. Sie rümpfte ihre empfindliche Nase und musste sich beherrschen nicht zu niesen. Mit einem breiten Grinsen registrierte die Frau das, beließ es aber dabei und bedeutete Joy ihr in den nächsten Raum zu folgen. Dankbar tapste sie der Fremden hinterher und fand sich in einer Küche wieder. Der Geruch hier war nach wie vor stark, aber nicht so penetrant, wie zuvor. Neugierig sah sich Joy um. Der Raum machte keinen gehobenen, dafür aber einen sauberen Eindruck. Die Wände bestanden aus einfachem, grauen Stein. An der Wand, die sich gegenüber von Joy befand, gab es zwei Feuerstellen, die sich neben einem langen Tisch, auf dem verschiedenen Kochutensilien lagen, befanden. Die rechte Wand war fast vollständig mit Schränken verschiedener Größen gespickt. Links neben Joy führte ein Flur weiter ins Haus hinein. Sie entdeckte dort zwei weitere Türen und eine Treppe, die nach oben führte. In der Mitte des Raumes stand ein runder Tisch mit drei Stühlen.
    „Stell die Kiste doch bitte neben die andere Feuerstelle.“
    Die Stimme der Frau holte Joy zurück ins Hier und Jetzt. Hastig nickte sie und tat wie ihr geheißen. Dann beobachtete sie schweigend, wie die Frau ihre Kiste öffnete und das dort befindliche Feuerholz unter den Kessel auf die Feuerstelle packte. Dann richtete sie sich auf und fragte Joy freundlich:
    „Ich hoffe eine Suppe ist dir recht? Leider kann ich dir nichts Größeres anbieten, weil mich mein Meister sonst köpfen würde. Wir leben hier nicht in der besten Gegend und brauchen, alles um uns selbst über Wasser zu halten.“ Bescheiden antwortete Joy hastig:
    „Nein, gar nicht! Wenn es dir Umstände bereitet, brauchst du mir auch nichts zu geben.“
    „Du bist ein braves Mädchen“, meinte die Frau schmunzelnd, „Aber da brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Ich muss schließlich auch etwas essen. Ob ich jetzt für eine Person oder zwei etwas koche, macht keinen großen Unterschied. Mein Meister wird’s wahrscheinlich nicht einmal merken. Und jetzt steh da doch nicht so doof rum! Setz dich. Fühl dich ganz wie Zuhause.“
    Joy nickte dankbar und ließ sich auf einem der Stühle nieder, während die Frau die Schränke nach verschiedenen Zutaten durchsuchte. Einige davon erkannte Joy. Zwiebeln, Lauch, es waren Pflanzen die es auch in ihrer Welt gab. Doch der Rest war ihr gänzlich unbekannt.
    „Darf ich dich was fragen?“
    „Natürlich, Mädchen. Ein Neuankömmling hat bestimmt einige Fragen“, meinte die Frau gut gelaunt.
    „Was ist das hier für eine Welt? Diese Göttin meinte es wäre die Welt hinter der Schwelle… Aber was bedeutet das? Warum sind hier so viele Menschen? Ich dachte der König würde sie zurückschicken.“
    Die Frau überlegte einen Moment, bevor sie antwortete.
    „Die Welt hier ist ein Wunsch. Und viele der Menschen hier sind auch nur Wünsche. Angeblich gab es einst jemanden, der sich eine Welt nur für sich gewünscht hat. Darauf hat die Göttin die Landschaft und Erde geschaffen. Dann kam ein Mensch durch das Tor, der sich ein Leben voller Magie wünschte. Darauf brachte die Göttin ihre Magie in die Welt. Nach vielen Jahren kam schließlich ein Mann, der sich wünschte König zu sein. Die Göttin gab ihm das Recht über die Menschen zu herrschen und seitdem ist er unser König. Währenddessen kamen auch immer Menschen, die sich die Rückkehr eines Gestorbenen wünschten, oder ein Kind, oder eine Schwester, oder einen Bruder wünschten. Doch die Göttin hat nur Macht in ihrer Welt. Würden die gewünschten Personen zurück in die andere Welt gehen, würden sie verschwinden. Als hätten sie niemals existiert. Und deswegen gibt es hier so viele Menschen. Viele haben entschieden bei ihren Geliebten zu bleiben. Und die Erwünschten haben ohnehin keine andere Wahl, als hier zu bleiben. Beantwortet das deine Frage?“
    Joy schluckte und nickte zögerlich.
    „Das war ein Haufen an Informationen“, gestand sie mit einem entschuldigenden Lächeln. Die Frau lachte, während sie ein unbekanntes Gemüse gekonnt in Streifen schnitt und in den Kessel gab.
    „Aber jetzt musst du mir auch die Frage von zuvor beantworten, Mädchen. Warum bist du vor den Soldaten weggelaufen?“
    „Ich habe jemanden, den ich unbedingt finden muss. Ich bin nur durch dieses verfluchte Tor gegangen, um ihn zurückzuholen und dafür zu sorgen, dass er sich nicht verändert.“
    Die Frau warf ihr einen kecken Blick zu.
    „War es dein Geliebter?“
    „Nein, mein Bruder!“, erwiderte Joy hastig, aber mit Bestimmtheit in der Stimme.
    „Wie langweilig…“, kicherte die Frau, „Aber gut. Und wie planst du ihn zu finden? Und was ist, wenn er bereits wieder in die andere Welt übergegangen ist und sich nun wundert, wo du abgeblieben bist?“
    „Ngh… Das… War alles nicht so geplant“, gestand Joy niedergeschlagen,
    „Ich konnte ja nicht wissen, dass ich in einer anderen Welt lande und zu einer halben Katze mutiere. Wie zum Teufel, soll man so etwas denn auch bitte einplanen?“
    „Mit anderen Worten bist du aufgeschmissen“, stellte die Frau sachlich fest. Hilflos nickte Joy und bohrte einen ihrer Eckzähne in ihre Lippe. Aber dann schwebte ein köstlicher Geruch aus dem Kessel zu ihr herüber und lenkte sie von ihren trüben Gedanken ab. Erwartungsvoll schnupperte sie immer wieder, wartete dabei aber geduldig bis die Frau ihr einen vollen Teller servierte.
    „Hau rein, ich hoffe es schmeckt dir“, meinte sie und wandte sich ab, um sich auch etwas zu nehmen. Joy ließ sich das nicht zweimal sagen und fing an zu essen. Der Geschmack war seltsam, aber ihr Magen nahm die warme Mahlzeit dankend entgegen. Doch dann verschwamm plötzlich die Welt vor ihren Augen.
    „Wa…“, entschlüpfte ihr noch, bevor die Schwärze sie überkam und sie ihr Bewusstsein verlor.

    Kapitel 4 - Ankunft


    Ängstlich sah sich Joy um, konnte jedoch nichts erkennen.
    Im nächsten Moment wurde es aber wieder schlagartig hell, sodass sie geblendet wurde. Eine Reihe von Geräuschen und Gerüchen bombardierten sie, sodass ihr schwindelig wurde. Die Eindrücke überforderten sie. Ihre Beine gaben unter ihr nach und ihre Knie fielen auf einen feuchten, aber weichen Untergrund. Schnell und heftig zuckte ihr Schwanz von einer Seite auf die andere und erzeugte dabei raschelnde Geräusche. Joy blinzelte die Tränen aus ihren Augen, während sie sich langsam an die neuen Lichtverhältnisse gewöhnte. Verwirrt sah sie sich um und fand sich mitten in einem Wald wieder. Durch das lichte Blätterdach fielen die Sonnenstrahlen auf ihre Haut und spendeten ihr eine freundliche Wärme. Ihre Ohren zuckten und nahmen die kleinsten Geräusche wahr. Während sie ihre Umgebung absuchte und die neuen Sinneseindrücke, die Gerüche und Geräusche, den einzelnen Pflanzen und Lebewesen des Waldes zuordnete, richtete sich ihr Schwanz auf und verlangsamte seine Bewegung von links nach rechts.
    „Das muss ein Traum sein…“, flüsterte Joy, nachdem sie sich in ihrer neuen Umgebung zu Recht gefunden hatte. Wandte sich dann aber um und strich zögerlich über das Fell ihres Schwanzes. Ein angenehmes Gefühl breitete sich in ihr aus, was ihr ein gequältes Lächeln abrang.
    „Jetzt bin ich den Katzen wirklich näher gekommen… Meine Allergie ist damit wohl auch nur noch eine Geschichte…“, flüsterte sie und stand dann langsam auf. Ihre Beine fühlten sich nach wie vor an wie Gummi, doch der Schock saß sich nicht mehr so tief in ihren Knochen. Sie spitzte förmlich die Ohren und versuchte sich zu orientieren. Doch selbst ihre neuen Sinne, waren nicht in der Lage etwas anderes, als den Wald wahrzunehmen. Unsicher zögerte sie, fasste dann aber ihren Entschluss. Schleichend fing sie an ihre Umgebung zu erkunden, um irgendeinen Anhaltspunkt zu finden.


    Mehrere ereignislose Stunden, in denen Joy sich immer mehr an ihre neuen Körperteile und ihre neue Sinnesschärfe gewöhnte, vergingen. Und dann vernahm sie ein Geräusch, dass nicht in den Wald gehörte. Mit einem Ruck richteten sich ihre Ohren nach vorne, geradewegs in die Richtung, aus der der Laut zu ihr gedrungen war. Langsam und vorsichtig selbst keine Geräusche durch knackende Äste oder raschelnde Blätter zu verursachen, pirschte Joy sich immer weiter vorwärts. Je weiter sie ging, desto stärker fielen ihr die Zeichen auf. Alle paar Meter entdeckte sie gefällte Bäume und der Boden wies hier und da frische Trampelpfade auf. Nach einigen Minuten hatte sie schließlich den Waldrand erreicht, versteckte sich hinter einem breiten Baum und lugte mit angespannt zuckender Schwanzspitze auf die ebene Fläche, die sich vor ihr ausbreitete.


    Nur wenige hundert Meter von ihr entfernt, befanden sich mehrere Felder, auf denen monströse Weizenpflanzen in die Höhe schossen. Joys Kinnlade klappte herunter. Die Pflanzen würden selbst einen groß gewachsenen Mann um mehrere Köpfe überragen. Doch dann schloss sie ihren Mund wieder und sah sich weiter um. Hinter den Feldern erkannte sie die Umrisse mehrere Gebäude. Bevor sie sich diese genauer ansehen konnte, vernahm sie eine Bewegung im Feld. Sofort drückte sie sich enger an den Baum und richtete ihre Ohren auf die entsprechende Stelle. Wenige Augenblicke später trat ein junger Mann zwischen den dicken Stämmen der Pflanzen hervor. Er stieß etwas aus, das sich wie ein Fluch anhörte, und kratzte sich an seinem dichten Bart. Dann drehte er sich um und ging auf den Rand des Waldes zu. Scharf sog Joy die Luft ein. Er kam geradewegs zu ihr, auch wenn er sie noch nicht entdeckt hatte. Mit pochendem Herz zog sie ihren Kopf aus seinem Sichtfeld und presste sich mit dem Rücken gegen den Baumstamm. Sie schluckte und versuchte ihre Gedanken zu beruhigen. Ihr empfindliches Gehör nahm seine Schritte immer deutlicher wahr. Auch sein Gemurmel wurde verständlich:
    „Ich war mir sicher, dass ich die Axt mitgenommen habe…“
    Suchend tastete Joys Hand die Stelle ab, wo sich ihr Armband einst befunden hatte. Als sie jedoch nur ihre eigene Haut spürte, biss sie sich auf die Unterlippe und musste durch ein schnelles Zwinkern verhindern, dass eine Träne ihren Augenwinkeln entschlüpfte. Als sie dann seine Schritte nur noch wenige Schritte entfernt vernahm, ließ sie ihre Hand zurücksinken, zögerte, trat dann aber aus ihrem Versteck hervor.
    Der Mann brauchte etwas, um Joys verunsicherte Gestalt zu bemerken, weil er seinen Blick suchend über den Boden wandern ließ. Doch schließlich entdeckte er ihre Füße. Er blieb stehen und ließ den Fokus seiner Augen langsam an ihren unbedeckten Beinen hochwandern. Joy entging dabei nicht, dass sich seine Mundwinkel verräterisch nach oben zogen. Ihre Schwanzspitze reagierte darauf mit einem drohenden Zucken. Als er dann jedoch die ersten Ansätze ihres Schwanzes entdeckte, veränderte sich sein Gesichtsausdruck. Seine Augen weiteten sich überrascht, sein Blick wanderte schneller und die Lippen presste er aufeinander. Schließlich blieben seine Augen an ihren Ohren hängen und seine Mundwinkel zuckten.
    „Du brauchst gar nicht so blöd zu gucken!“, entschlüpfte es Joy, deren Wangen ein leichtes Rot angenommen hatten. Doch anstelle einer vernünftigen Antwort brachte der Mann nur ein leises Lachen hervor. Zuerst versuchte er es noch aufzuhalten, aber sobald sich Joys Schwanz sträubte und ihr ein beleidigtes Fauchen entglitt, wurde sein Lachen immer schallender. Es dauerte einige Minuten, bis er sich wieder beruhigt hatte und Joy ohne zu schmunzeln ansehen konnte.
    „Das. Ist. Nicht. Lustig.“, brummte Joy und warf ihm böse Blicke zu. Doch er winkte nur ab und meinte:
    „Tschuldige. Aber das… Es ging einfach nicht anders. Was bitte hast du getan, dass dir die Göttin der Schwelle solch einen Körper verpasst?“
    Joy biss sich aus Reflex auf die Lippe und entblößte dem Mann dabei ihre katzenhaften Eckzähne, die er respektvoll betrachte.
    „Sie war nicht begeistert über die Tatsache, dass vor mir schon jemand das Tor betreten hatte…“, erwiderte Joy vorsichtig, während sie ihrerseits den Fremden nicht aus den Augen ließ.
    „Aber warum bist du hier? Gibt’s hier noch andere Menschen?“, fragte sie neugierig.
    „Jede Menge sogar. Ein ganzes Königreich um genau zu sein.“
    Verblüfft klappte ihr Kinn nach unten. Darauf lachte der Mann und sagte:
    „Das ist die typische Reaktion jedes Neuankömmlings“, er grinste breit, „Du solltest jetzt lieber gut zuhören. Also spitz deine haarigen Ohren!“
    Der Mann breitete die Arme aus und deutete mit einer umfassenden Bewegung auf die Welt hinter ihm.
    „Herzlich willkommen in Suma, dem Land der erfüllten Wünschen, mein kleines Kätzchen.“
    „Ich bin kein Kätzchen!“, fauchte Joy sofort, während ihr Schwanz aufgeregt zuckte. Der Mann überging ihren Einwand und erklärte:
    „Bevor du fragst, möchte ich dir ein paar Dinge erklären. Jeder, der hier ankommt hat wohl die gleichen Fragen. Erstens: Wenn du wieder zurück willst musst du zur Hauptstadt und dir deine Rückkehr verdienen. Zweitens: Schaffst du es nicht, oder willst du nicht tun, was von dir verlangt wird, werden dir deine Wünsche genommen und du wirst den Rest deines Lebens hier bleiben. Und drittens: Nein du kannst nicht einfach den gleichen Weg zurück nehmen, den du gekommen bist. Der König hat es verboten.“
    „Das heißt, Kyrill wird zur Hauptstadt gehen?“
    „Kyrill?“, fragte der Mann verdutzt und kratzte sich am Bart,
    „Ist das derjenige, der vor dir kam?“
    „Ganz genau! Hast du ihn gesehen? Kannst du mir sagen wo er ist?“
    Doch der Mann schüttelte nur den Kopf und erklärte weiter:
    „Jeder Neuankömmling wird an einem anderen Ort dieser Welt ankommen. Wir glauben, dass es zufällig ist, wo man auskommt, aber so ganz sicher können wir uns da nicht sein.“
    „Aber Kyrill wird definitiv zur Hauptstadt gehen?“
    „Das ist sehr wahrscheinlich. Jeder auf dem Land ist angewiesen den Neuankömmlingen zu erklären, dass ihre einzige Chance auf Rückkehr in der Hauptstadt liegt. Also wird er sich vermutlich direkt auf den Weg dorthin machen. Außer er würde nicht in seine Welt zurückwollen.“
    „Wie komme ich da hin?“, bohrte Joy sofort weiter nach ohne auf seine letzten Worte einzugehen.
    Das Lächeln des Mannes wurde breiter und er gab ein wissendes „Hm?“ von sich, bevor er meinte:
    „Was dein Liebling wohl dazu sagen wird das seine Freundin plötzlich zu einer halben Katze geworden ist?“
    Damit trieb er die Röte weiter in Joys Gesicht, auch wenn diese vehement erwiderte:
    „Er ist nicht mein Liebling! Eher so etwas wie mein Bruder. Und jetzt wisch dir gefälligst dieses bescheuerte Grinsen aus deinem Gesicht!“
    „Schon gut, schon gut, Kätzchen“, meinte er amüsiert, drehte sich halb zur Seite und deutete auf das Dorf,
    „Wenn du zum Dorf gehst, wirst du eine Straße finden, die geradewegs zur Hauptstadt führt. Und keine Sorge. Für euch Frauen wurde es extra ausgeschildert.“
    Wieder fauchte Joy. Doch dieses Mal schossen auch ihre Krallen aus ihren Fingerkuppen hervor. Erschrocken wich der Mann zurück und hob beschwichtigend die Hände.
    „Ganz ruhig. Das sollte nur ein Scherz sein“, erklärte er rasch, wobei sein Blick unruhig zwischen ihren Krallen, ihren Zähnen und ihrem gesträubten Schwanz hin und her zuckte.
    „Wenn mit deinem Körper so etwas angestellt worden wäre, wärst du auch nicht in der Laune für dumme Witze!“, fauchte Joy wütend. Dabei schlichen sich animalische Katzenlaute in ihre Stimme, die ihr einen bedrohlichen Charakter verliehen.
    „Ich hab mich doch schon entschuldigt“, erwiderte der Mann, der Joy um mindestens zwei Köpfe überragte hastig, während er einen Schritt zurückwich. Mit seiner Bewegung erreichte plötzlich ein ihr unbekannter Geruch ihre Nase. Zuerst konnte sie ihn nicht zuordnen, doch dann meldete sich ihr Instinkt. Es war Angst. Sie roch seine Angst. Sie registrierte es und es beruhigte sie auf eine seltsame Art und Weise. Mit einem sehr leisen reibenden Geräusch fuhren ihre Krallen zurück und das Fell ihres Schwanzes glättete sich langsam wieder.
    „Gut… Und danke für deine Hilfe. Ich mach mich gleich auf den Weg“, erwiderte sie noch immer fauchend. Der Mann nickt und folgte ihr mit Blicken, als sie an ihm vorbeiging und in Richtung Dorf aufbrach.

    Aloha AnimeWolf


    Also ich kann dir nicht sagen, wie Moody solche externen Links wertet, aber zwei Tipps kann ich dir trotzdem geben.


    Zum einen wäre es glaub ich sinnvoller alles was Geschichten und Texte betrifft im entsprechenden Unterforum zu posten und nicht in der Zeichenecke. ;)


    Und zum anderen ist es vielleicht nicht verboten (je nach dem was Moody sagt) die Links zu posten, aber praktisch ist es nur für dich. Für die Leser ist es umständlich auf die externe Seite zu gehen, dort zu lesen, und dann wieder zurückzukommen, um zu kommentieren. Sind zwar nur ein paar Klicks, aber die Menschen im Internet sind faul. Und manche haben allgemeine Abneigungen gegen externe Links. ^^


    Ich würde dir raten sie hier reinzukopieren. Ist schließlich auch nicht so viel Arbeit. ^^

    "Eine Kantine voller Schüler... "
    Zuerst dachte Yukiko, dass Hayato scherzen würde. Doch je weiter er seine Absichten erklärte, desto klarer wurde es ihr.
    'Das ist sein Ernst', dachte sie ungläubig.


    Bis er geendet hatte, hatten ihre Wangen ein zartes Rosa angenommen und waren auf dem besten Weg in ein sattes Rot überzugehen.
    "Die ganze Kantine?", fragte sie vorsichtig.
    "Ich verstehe ja, dass wir die Essensmarken brauchen, aber glaubst du nicht, dass es ein etwas zu waghalsiger Plan für zwei Leute ist? Das sind ein paar hundert Schüler! Um so viele Leute auf einmal abzulenken, braucht man mehr als nur eine Person. Außer man hätte so etwas wie eine Bühne mit Mikrofon oder so. Dann würde das vielleicht klappen."
    Dann schluckte sie, zog ihre Schultern vor und sah Hayato trotzig an.
    "Außerdem will ich mich nicht vor so vielen Menschen zum Deppen machen... Können wir nicht mit etwas anfangen, das eine höhere Chance auf Erfolg hat? In der kleinen Pause verstreuen sich die Schüler bestimmt in kleinen Gruppen über das ganze Schulgebiet. Wenn wir uns da dann die richtigen rauspicken und ablenken, sollte es leicht sein an das ein oder andere Bento zu kommen. Das reicht doch fürs erste, oder Hayato-kun?"
    Bei ihrer letzten Frage konnte sie das leichte Flehen in ihrer Stimme nicht unterdrücken. Sie hoffte wirklich, dass er für die erste Zeit auf eine warme Mahlzeit am Tag verzichten könnte.

    Ich sag auch mal herzlich wilkommen. :)


    Und meine Nase sagt mir noch was anderes... Riecht sie da vielleicht einen PewDiePie Anhänger, oder will die mich veräppeln? ^^


    160 Mangas sind wirklich ne Menge... Schon fast kein kleines Vermögen mehr. :D
    Aber die Zahl sagt nichts über deine Interessen aus... Was ist denn für dich immer so gerade interessant? Vielleicht irgendwelche Vorlieben, oder so?

    Hai wakarimashita.


    Hab nirgends behauptet, dass es einfach sein sollte. ;)
    War nur neugierig nach welchen Kriterien du das im RPG handhaben wolltest.


    Es ist allerdings gut zu wissen, dass du uns da so einen kleinen Riegel vorschiebst. Also vor die Waffen, Kleidung und sonstwas Erschaffung. Kam vorher noch so rüber, als ob es jeder Spielercharakter tun könnte, solange er das Know How dafür besitzt.

    Nur mal so aus reinem Interesse. Was genau ist denn notwendig, um einen Gegenstand "genau zu kennen"?
    Chemische Zusammensetzung? Mechanisches Verständnis? Das Gefühl bei der Verwendung? Das Können im Umgang mit dem Gegenstand? Zeit die man mit Gegenstand verbracht hat? Bindung zum Gegenstand?


    Ich mein Yukiko wird wahrscheinlich eh nicht in der Lage sein irgendwas mit ihren Gedanken herstellen zu können. Ich würds nur gerne wissen. Und für andere ists vielleicht auch interessant. ^^

    The Name of the Wind von Patrick Rothfuss


    Ich brauch ne Pause von der SAO Novell, hab deswegen auch gerade erst angefangen mit dem Roman. Ist bis jetzt aber sehr vielversprechend.

    09:57 Uhr - Büro des Rektors


    "Ablenken?", wiederholte Yukiko, während sie zu einem der Sofas ging und sich hinsetzte.
    "Soll ich etwa vor versammelter Mannschaft in Ohnmacht fallen?", fragte sie unfähig einen leichten Anflug von Sarkasmus zu verhindern.


    "Falls es dir nicht aufgefallen ist, sind vor etwa einer Stunde zwei Menschen gestorben, einer flog in hohem Bogen aus einem Fenster und brach danach dem anderen das Genick. Und das mitten auf dem Schulhof. Das haben quasi alle aus den Fenstern der Klassen beobachten können. Nur eine einzige Person hat es interessiert!"
    Schmollend pustete sie wie ein kleines Kind ihre Backen auf und sah demonstrativ zum Fenster. Dann seufzte sie, entließ hörbar ihre Luft und sah Hayato an.
    "Entschuldige... Ich muss mich an diese Situation erst noch gewöhnen. Ganz offensichtlich bin ich nicht so widerstandsfähig wie du", meinte sie mit einem entschuldigenden Lächeln. Dann strich sie verlegen ihren Rock glatt und fuhr fort:
    "Was hast du denn überhaupt vor? Und wie viele Schüler soll ich ablenken? Mit 'ein paar' kann ich leider recht wenig anfangen, Hayato-kun. Und viel wichtiger, für wie lange sollen sie abgelenkt sein? Wenn ich das weiß, kann ich mir über das Wie Gedanken machen."

    @ Anfaenger


    Zu 1) nein, gibt es nicht. "Magic Quiz Academie" ist eine sogenannte OVA (Original Video Animation), die meist nur wenige Folgen aufweisen. Ich kenn mich in dem Genre nicht aus, daher kann ich dir leider auch nicht sagen, ob das eine OVA zu einer bereits produzierten Anime Serie ist, oder ob es ein One Shot zu einem Manga war.


    Zu 2) Peinlich ist daran nichts. :)
    Allerdings kann ich dir deine Frage nicht beantworten, weil ich "Baka to Test to Shoukanjo Ni" nicht vollständig gesehen habe. Glaub nach der 4. Folge oder so habe ich den aufgegeben. ^^
    Wenn du dich allerdings für Liebensbeziehungen interessierst, gibt es andere Animes, die man dir empfehlen kann. Zum Beispiel Kaichou wa Maid-Sama!, der Manga von Ranma 1/2, in gewissem Maße auch Angel Beats!, Toradora, Chobits und bestimmt noch eine Menge anderer... Ist auch nicht so ganz mein Genre, von daher müsstest du dich an jemand anderes wenden. ^^



    @ KaptnBuggy


    Infos zu einer dritten Staffel sind mir nicht bekannt, auch wenn ich mir wünschte, dass da endlich wieder was kommen würde. :/
    Liegt denk ich mal daran, dass der Fortschritt beim Manga ziemlich langsam vonstatten geht. Aber naja... Wie gesagt von offizieller Seite sind mir keine Infos bekannt. Im Netz sind noch hier und da Gerüchte zu finden, dass die 3. Staffel eigentlich dieses Jahr im Juni oder Juli ausgestrahlt werden sollte, aber das war wohl nichts. ^^
    Als Überbrückung kann man vielleicht sowas wie Aquarion Evol, Samurai Girls, So I can´t play H!, Rosario + Vampire und Ranma 1/2 (was älter aber trotzdem noch sehenswert ^^) empfehlen.

    Oookay... Bin jetzt am Ende des 5. Volumes (Phantom Bullet müsste das sein) der Light Novel angekommen (noch nicht ganz durch) und ich muss sagen, dass mich SAO immer weiter enttäuscht.


    Das liegt weniger an den uninteressanten Hintergrundgeschichten, als daran dass der Schreibstil von Volume zu Volume für meinen Geschmack immer schlechter wird.
    Die ersten zwei Volumes, das SAO aus dem Anime, sind eine weniger gelugene Variante des Animes, was hauptsächlich daran liegt, dass die Nebengeschichten in einem seperaten Volume nachgeschoben wurden. Der Anime hat beide direkt chronologisch verarbeitet und in einen Zusammenhang gesetzt.
    Mit anderen Worten das erste Volume ist vom Tempo noch ein ganzes Stück schneller als der Anime, weil die ganzen "Nebenquests", wenn mir die Formulierung gestatt ist, weggelassen wurden. Liegt wohl auch daran, dass sich in Japan eine "Light Novel" dadurch definiert, dass sie nicht mehr als 120 Seiten hat. Die Nebengeschichten wurden dann laut der Autorin auch nur nachgeschoben, weil das erste Volume so gut angekommen ist. Und so hat es sich beim Lesen auch angefühlt.


    Die nächsten beiden Volumes, die vom Anime wohl auch noch behandelt werden, empfand ich dann als sehr viel angenehmer. Lange nicht mehr so heftig im Tempo und gefühlt auch deutlich länger und ausführlicher.


    Mit dem fünften Volume hat sich dann allerdings eine Unart im Schreibstil der Autorin eingebürgert, die mir vorher immer nur zu Beginn eines neuen Volumes aufgefallen ist. Da hatte ich das aber auch noch nicht als "Unart" angesehen...


    STÄNDIGE Wiederholungen. Keine Wortwiederholungen, sondern astreine und furchtbar nervige Wiederholungen des Inhalts. Sie hat die Entwicklung versucht aus mehreren Blickwinkeln zu beschreiben und zu erklären, ist dabei meiner Meinung nach aber kläglich gescheitert. Teilweise habe ich ganze Abschnitte, meist zu Beginn von Kapiteln, aber nicht nur, übersprungen, weil ein Sachverhalt, der vorher schon drei Mal geklärt wurde, erneut entdeckt wurde. Nur von einem anderen Charakter und ohne irgendwelche neuen Erkenntnisse. Teilweise war die Erkenntnis selbst sogar völlig unwichtig für die weitere Entwicklung der Geschichte...


    Und die Story des 5. Volumes? Naja... Okay, aber nicht besonders. Diese Idee der virtuellen Realität in einem MMO fängt sich dort langsam an abzunutzen. Die Autorin macht nicht den Fehler alles nur in ein neues Gewand zu kleiden, aber die anfängliche Faszination an der Idee verschwindet so langsam. Das ist aber auch nicht überraschend und ein völlig normaler Prozess.


    So viel dazu...
    Ich zwing mich noch durchs komplette 5. Volume durch und werde mal ins 6. reinschnuppern, aber wenn sich diese Eigenarten am Schreibstil fortsetzen, dann war es das wohl für mich mit SAO.
    Das wird dann der erste Anime sein, von dem ich sagen werde, dass er besser als seine Light Novel Vorlage ist. ^^

    09:55 Uhr - Büro des Rektors


    Hayatos Frage hatte ihre Berechtigung. Eine Welt zu verändern war kein leichtes Unterfangen und mit nur zwei Leuten war schlicht und ergreifend unmöglich.
    Sie hatten jetzt eine gute Stunde im Büro des Direktors verbracht und hingen ihren Gedanken nach, ohne zu sprechen. Aber Yukiko wollte das Schweigen nicht länger im Raum lasten lassen.


    "Wir sollten auf jeden Fall versuchen alle von denen, die mit uns zusammen in dieser Welt erwacht sind, auf unsere Seite zu bringen. Außerdem sollten wir vielleicht versuchen ein paar der Schüler zu uns zu holen. Ich weiß zwar nicht, ob auch sie irgendwann mal gestorben sind, aber einen Versuch ist es wert. Ich wüsste nicht, wie wir sonst Mitglieder herbekommen sollten."
    Dann schwieg Yukiko einen Augenblick, ging zum Fenster und sah auf den Schulhof hinab. Nachdenklich legte sie ihre Hand auf das Glas und fuhr fort:
    "Und was machen wir dann? Wenn wir mehr Mitglieder haben? Wie wollen wir die Mechanismen dieser Welt ändern?"


    Sie ließ ihre Hand sinken und sah Hayato ein wenig verloren an.
    "Wo sollen wir anfangen? Wollen wir Rika finden, oder versuchen wir es bei den Schülern? Oder wollen wir zuerst herausfinden, was wir überhaupt tun können? Und wenn ja wie?"

    Der Anime kann richtig gut, oder aber auch richtig schlecht werden. Der Plot an sich hat Potential auch wenn man alles im Anime bis zur 4. Folge irgendwo recht ähnlich schon einmal gesehen hat. Vielleicht abgesehen von der Katze...


    K hat recht lange gebraucht, um überhaupt so etwas wie einen Spannungsbogen aufzubauen, geschweige denn die Handlung halbwegs ins Rollen zu bringen. Bei einem 13 Episoden Anime finde ich so eine Entscheidung des Schreibers recht fragwürdig.


    Naja ich bin gespannt, denn das Potential zu was Gutem ist da.

    Als Yukiko seine Erklärung hörte, beruhigte sie sich ein wenig. Das Zittern verschwand nicht, aber immerhin konnte sie durch ihn wieder klare Gedanken fassen.
    Die Worte, die darauf ihren Mund verließen, fühlten sich seltsam an. Als wäre selbst der Gedanke an solch ein Vorhaben unmöglich. Er überschattete sogar den Fakt, dass er ihr seinen Vornamen angeboten hat, obwohl sie sich erst seit wenigen Minuten kannten.


    "Hayato, du willst also gegen Gott, oder besser gesagt gegen den Schöpfer dieser Welt rebellieren..."
    Für einen Moment schwieg sie, tief in Gedanken versunken und fuhr dann fort:
    "Mir gefällt die Vorstellung ehrlich gesagt ganz und gar nicht. Gegen einen Gott zu kämpfen... Wir sind nur Menschen. Aber diese Welt gefällt mir noch viel weniger. Ich... In meinem vorherigen Leben war mein Tod schrecklich. Ich wurde entführt... Und... Und..."
    Sie verstummte, als die Erinnerungen sie überkamen. Ohne es wirklich zu registrieren schmiegte sie sich schutzsuchend an Hayatos Rücken.


    "Ich war mehrere Wochen in Gefangenschaft und mit jedem Tag der verstrich, kam ich dem Tod einen Stück näher. Als es endlich so weit war, akzeptierte ein Teil von mir den Tod als eine Art Erlösung. Ich brauchte nichts mehr empfinden. Keinen Schmerz, keine Trauer, keinen Hass.
    All das ist hier nicht möglich. In dieser Welt gibt es keine Erlösung. Eine Welt wie diese darf nicht existieren..."


    Sie löste ihr Gesicht aus Hayatos Schulter und suchte wieder seinen Blick. Über ihren Augen lag ein Schleier aus eisiger Kälte, die ihren sonst strahlenden Augen jeglichen Glanz nahm.
    "Hayato", sagte sie, "Ich werde nicht gegen Gott rebellieren, sondern gegen diese Welt."


    Dann verschwand plötzlich die Kälte aus ihren Augen und sie lächelte ihn freundlich an. Im nächsten Moment schoss ihr die Röte ins Gesicht und sie fing an zu stammeln:
    "Ich ah... Tut mir leid! Hayato-san, ich... eto... Ich.. Hayato-kun, ich wollte die Anrede nicht weglassen, Ehrlich ich..."
    Sie zog ihren Hals ein und versteckte sich erneut hinter seiner Schulter, so dass nur ihre verlegen blinzelnden Augen über seine Schulter lugten.
    "Yuki. Du kannst mich Yuki nennen!", schob sie schnell hinterher.

    08:41 Uhr - Lehrerwohnheim - Treppe

    Yukikos Geist war von einer betäubenden Schwärze umgeben, die ihr jegliches Gefühl raubte. Sie konnte weder denken, noch sich bewegen.
    Doch dann teilte sich die Masse vor ihren Augen und ein Ruck durchfuhr ihren Körper. Noch immer von den Nachwirkungen ihres seltsamen Zustands betäubt, entglitt ihr ein kaum hörbares Seufzen. Dann kehrte die Kontrolle über ihren Körper und ihre Sinne zu ihr zurück.


    In ihrem Delirium spürte sie den fehlenden Boden unter ihren Füßen und einen erneuten Ruck, gepaart mit einem dumpfen, leicht hallenden Laut. Langsam öffnete sie ihre Augen. Etwas schwarzes mit einem silbernen Streifen wippte direkt vor ihr munter hin und her, wobei es dreist ihre Nase seiner feinen Textur kitzelte. Noch einmal blinzelte sie und dann traf sie die Erkenntnis. Voller Schreck richtete sie sich ruckartig auf, wobei sie sofort das Gleichgewicht zu verlieren drohte.
    Ein spitzer Schrei verlieh ihrer Überraschung Ausdruck. Gleichzeitig streckte sie aus Reflex ihre Hände aus, schlang sie um Hayatos Hals und drückte sich an ihn. Sofort verschwand die Gefahr ihr Gleichgewicht zu verlieren und sie atmete erleichtert aus. Direkt darauf schoss ihr die Röte ins Gesicht und mit vor Scham geweiteten Augen lugte sie schüchtern über Hayatos Schulter. Ihre Blicke trafen sich, für einen Moment öffnete Yukiko ihren Mund um sich kleinlaut bei ihm zu entschuldigen und ihn zu bitten sie runter zu lassen. Doch die Worte starben noch ehe sie ihre Kehle verlassen hatten. Das freundliche, wenn auch kühle braun seiner Augen, brachte ihr die Erinnerungen zurück.


    Das fremde Mädchen, das wegen ihr in den Tod gestürzt war, hatte ihr das Genick gebrochen. Noch immer spürte sie das Entsetzen in ihren Knochen, als sich der Leichnam bewegt hatte. Sie war so geschockt gewesen, dass sie weder einen Laut hatte von sich geben können, noch hätte sie sich ihrem Griff entziehen können. All ihre Kraft war aus ihrem Körper gewichen. Für die vermeintlich Tote war es ein leichtes Gewesen ihr Genick zu brechen.


    Kaltes Grauen erfasste Yukiko. Jegliche Wärme wurde durch die Erinnerung aus ihrem Körper gezogen. Verzweifelt klammerte sie sich nun fester an Hayato, dessen Wärme im Moment das einzige war, das sie bei Sinnen hielt.
    "Ich bin gestorben... Gestorben und trotzdem lebe ich... Genau wie sie... Wir können nicht sterben... Diese Welt... ist ein einziger Kreislauf aus Tod und Wiedergeburt. Eine Welt in der man unendlich oft sterben kann. In der man unendlich oft das Leid beim Sterben empfindet... Diese Welt ist schlimmer als die Hölle...", flüsterte sie mit zittriger Stimme, während sie ihr Gesicht in Hayatos Schulter vergrub.