Schrei der Erde

  • so hier meine Geschichte an der ich zur Zeit schreibe *leider meine Muse vermisse und deshalb nicht weiter komme*
    vielleicht kann mir jemand inspiration liefern



    Schrei der Erde




    Die Erde wünscht sich eine Reform, eine Erneuerung
    und ich werde ihren Wunsch erfüllen.
    Die verpestete Luft wird sich regenerieren.
    Pflanzen und Bäume werden wieder blühen und gedeihen.
    Die Meere werden sich erholen. Ihr Wasser wird klar sein. So klar,
    wie zu Anbeginn der Zeit.
    Und in diesem Wasser wird neues Leben entstehen.
    Zuerst Tiere und mit der Zeit vielleicht auch wieder Menschen.
    Geboren auf einer besseren Erde.
    Doch damit dies alles geschehen kann,
    muss zuerst dem Wunsch der Erde entsprochen werden.





    Ein Schrei. Der Schrei eines neu geborenen Kindes, dass soeben auf die Welt kam. Ein einziger Schrei, um zu zeigen, dass es lebte, dass ich lebte. Ein weiteres Lebenszeichen, außer das regelmäßige Pochen meines Herzens gab es nicht. Ich schrie nicht mehr, bewegte mich nicht, und auch meine Augen konnte ich nicht öffnen.
    Ich spürte kalte Hände die meinen kleinen, zierlichen und zerbrechlichen Körper hoch hoben. Ich wurde untersucht, dann in etwas warmes eingewickelt und an meine Mutter übergeben, die leise schluchzte, aber nichts sagte. Auch mein Vater, der eine hohe Position in der Politik bezog, war da.
    Seinen Schmerz konnte ich nicht sehen, und auch nicht denn meiner Mutter. Doch etwas stimmte nicht. Etwas stimmte ganz und gar nicht. Doch ich begriff nicht was oder warum?
    Wie sollte ich auch? Ich war ein neugeborenes Baby, dass eigentlich leben sollte, und doch tat ich es nicht. Mein Körper verstand schon viel früher als ich, was mit mir los war: Ich würde eine Gefangene sein, eine Gefangene in meinem eigenen Körper.



    Wochen vergingen ...
    Ich wurde von einem Arzt zum anderen gebracht. Lauter Untersuchungen musste ich, mein Körper über mich ergehen lassen, ohne dass ich sagen oder schreien konnte, dass ich dies nicht wollte. Ich wollte nur mein Ruhe haben. Zu Hause im gemütlichen, weichen Bett liegen, dass meine Eltern für mich ausgesucht hatten. Doch stattdessen, immer nur Untersuchungen und neue Untersuchungen.



    Monate vergingen ...
    Immer und immer mehr Ärzte untersuchten mich. Ich wurde in lauter Röhren gesteckt, bekam Spritze und Schläuche und vieles mehr, das ich gar nicht wollte. Ich wollte mich wären, meinen Körper bewegen, endlich Schreien, damit meine Eltern wussten, dass ich dies nicht wollte. Doch nichts. Nichts von all dem, was ich so gerne tun wollte konnte ich machen. Und ich spürte, dass meine Eltern mit jedem Tag mehr und mehr an Hoffnung verloren und die Verzweiflung die Oberhand zu gewinnen drohte. Und ich würde es nicht aufhalten können.



    Zwei Jahre sind vergangen ...
    Mein Körper ist gewachsen. Ich bin gewachsen. Mein Körper ist der Körper eines zwei Jahre alten Kindes, doch mein Verstand ist schon wesentlich weiter in seiner Entwicklung, auch wenn es nach außen hin nicht den Anschein hat.
    Inzwischen haben meine Eltern es aufgegeben, mich von Krankenhaus zu Krankenhaus zu schleppen. Alle Test, Blutproben und all die anderen Sachen waren negativ. Keiner der Ärzte hatte herausgefunden was mir fehlte. Geschweige denn davon mir zu helfen.
    Einen eigenen Hausarzt hatte ich bekommen. Rund um die Uhr war er für mich da. Überwachte mich mit Kameras, und an Monitoren. Und ein leise, stetiges Piepsen, erinnerte mich daran, dass mein Herz noch schlug. Über Schläuche wurde ich mit Nahrung versorgt, und alle zwei Stunden wurde mir die Windel gewechselt.
    Mehrmals am Tag, kam meine Mutter vorbei. Je nachdem wie viel Zeit sie hatte, setzte sie sich zu mir und erzählte mir, was sie erlebt hatte. Manchmal aber kam sie auch nur kurz herein, streichelte mir über die Wange, oder gab mir einen Kuss auf die Stirn, bevor sie wieder ging.



    Inzwischen bin ich fast sechs Jahre alt ...
    mittlerweile habe ich herausgefunden, was mich so anders macht. Warum ich so anders bin. Ich Lebe, aber ich bin eine Gefangene. Eine Gefangene in ihrem eigenen Körper. Die sich weder Bewegen, noch sprechen kann. Weder laufen, noch irgendeine andere Aktivität, kann ich machen, dies alles wird mir verwehrt. Auch sehen kann ich nicht. Dies alles, was ein normaler Mensch können sollte, sowohl lachen als auch weinen, kann ich nicht.
    Aber ich habe gelernt damit zu leben. Und dann lernte ich auch meine besondere Gabe, oder Fluch, je nachdem wie man es nennen mag, kennen. Ich persönlich würde es als ein Fluch und eine Gabe zugleich nennen. Denn obwohl ich eine Gefangene in meinem eigenen Körper bin, kenne ich das Gesicht meiner Eltern. Ich sehe es so deutlich vor mir, als würde ich ihnen direkt gegenüber sitzen. Ich kann die Gefühle der Menschen um mich herum erkennen. Ich weiß was sie fühlen, wie sie sich bewegen, und so entsteht ein geistiges Bild. Wie das genau passiert, begreife ich nicht, und ob ich dies jemals begreifen werde, wage ich zu bezweifeln. Aber mit meinem Wissen, dass ich jetzt habe, weiß ich, dass ich einzigartig bin.



    Ich bin einsam ...
    so furchtbar einsam. Ich spüre es. Meine Mutter ist wieder glücklich, und mein Vater ist es auch. Doch nicht wegen mir, sondern wegen ihm, dem Baby. Meine Mutter ist wieder Schwanger. Sie hat es mir zwar nicht erzählt, aber ich spüre es. Spüre eine wachsende Seele im Bauch meiner Mutter. Und ich sehe auch, dass dieses Baby ein ganz normales, gesundes Baby sein wird. Es wird schreien und sich bewegen können. Lachen und laufen, spielen und rennen können. Und ich...
    Ich liege hier, immer noch in dem gleichen Bett, in dass mich meine Eltern vor sieben Jahren gelegt haben. Nicht ein einziges mal, wurde ich seitdem von ihnen auf den Arm genommen. Sie haben Angst. Aber nicht, weil sie fürchten mir weh tun zu können, nein sie haben Angst, dass das was ich bin, was mich so werden ließ, wie ich jetzt bin, auch das Baby befallen könnte.
    Aber dies wird niemals geschehen. Denn ich bin einzigartig, und werde es auch immer bleiben...



    Winter ...
    Der kalte Winterwind rüttelt an den Fenstern. Schnee fällt vom Himmel und alle freuen sich auf die Weihnachtszeit. Besonders meine kleine Schwester. Sie heißt Aisha, und ist zweieinhalb Jahre alt. Seitdem sie auf der Welt ist, besuchen mich meine Eltern kaum noch. Nur der Hausarzt, er ist immer noch da.
    Kurz nach der Geburt meiner kleinen Schwester hatte es angefangen, die Schreie...
    Tag und Nacht hörte ich sie. Spürte sie durch meinen ganzen Körper fließen und doch konnte ich nichts dagegen unternehmen. Ich war gezwungen zuzuhören und es wortlos zu akzeptieren. Sie kamen nicht von mir. Aber auch nicht von meinen Eltern oder von Aisha, denn ihre Stimme klang anders. Und doch schien es mir als würde ich die Stimme kennen. Seitdem ich Atme. Nein, manchmal habe ich sogar das Gefühl, als würde dieses Schreien von noch früher kommen, als ich noch im Bauch meiner Mutter, ein Fötus, war. Kann das sein? Eigentlich nicht, denn so etwas gibt es doch nicht. Na ja, ich bin ja auch nicht „normal“. Ich bin eben anders. Kann es also sein dass ich die Schreie schon im Leib meiner Mutter gehört habe?



    Eingeschlossen ...
    Meine kleine Schwester kann inzwischen laufen und ist ganz schön neugierig. Schon mehrmals hat sie versucht in das Zimmer zu kommen, indem ich liege. Doch seitdem sie auch nur angefangen hat zu laufen, ist mein Zimmer fast rund um die Uhr abgeschlossen. Meine Eltern haben Angst, um Aisha. Da sie nicht wissen, wie sie auf mich reagiert, sollte sie mich sehen. Aisha ist nicht dumm, sie weiß, dass hinter dieser Tür etwas ist, dass ihr verborgen bleiben sollte. Und in diesem Punkt, stimme ich meinen Eltern zu: Aisha sollte mich nicht sehen. Auch wenn ich sie unbedingt kennen lernen wollte. Ich sah sie zwar durch den Geist meiner Eltern, durch ihre Augen, doch insgeheim wünschte ich mir, ich könnte sie selbst kennen lernen.
    Aber es ist besser für sie, wenn sie mich nicht kennen lernt. Denn zum ersten Mal in meinem Leben habe ich Angst. Angst, da ich nicht weiß, wie meine kleine Schwester auf mich reagieren wird. Würde sie mich akzeptieren oder würde sie sich einfach umdrehen und versuchen zu vergessen was sie hier sehen würde? Vor diesem Ereignis habe ich Angst und deshalb darf sie mich nicht sehen! Niemals!



    Treffen ...
    Es ist mitten in der Nacht. Normalerweise ruht sich mein Geist um diese Zeit aus. Doch heute, in dieser verregneten Januar Nacht, ist etwas auf dem Weg zu mir. Ich spüre es, es kommt näher, immer näher. Und mit jedem Schritt, denn es auf mich zukommt, will mein Geist es mehr. Es ist, als ob mein Geist darauf reagiert, als ob es schon immer darauf gewartet hätte, auf dass, was jetzt auf den Weg zu mir ist. Wieso verlangt mein Geist danach? Und auch mein Körper scheint darauf zu reagieren. Für einen Moment setzt mein Herz aus zu schlagen. Ein langgezogener Ton erklingt, um dann wieder zu einem normalen leisen Hintergeräusch zu werden, welches ich schon fast vergessen hätte. Mein Herz schlägt wieder, und sehnsüchtig wartet es darauf dem zu begegnen, was hinter dieser verschlossenen Tür wartet.
    Mit einem leisen klicken, wird der Schlüssel im Schloss umgedreht und leise öffnet sich die Tür. So plötzlich, als würde mich ein gleißend helles Licht blenden, spüre ich ihre Seele. Die Seele meiner kleinen Schwester Aisha. Leise, um unsere Eltern nicht zu wecken, schließt sie die Tür und kommt näher. Schritt für Schritt nähert sie sich meinem Bett, auf dem ich gefesselt, durch meinen eigenen Körper liege. Ich spüre es, sie hat keine Angst vor mir. Sie will mich kennen lernen, hat keine Vorurteile gegen mich. Sie wird mich so akzeptieren wie ich bin, das alles verrät mir ihre hell leuchtende Seele. Sie tritt an mein Bett und legt vorsichtig ihre kleine Hand in meine.
    Und nun endlich, kann ich ihr Gesicht mit meinen eigenen geistigen Augen sehen. Sie hat eine blasse Haut, fast so blass wie meine und schöne blonde Haare. Ihre Augen haben die gleiche Farbe wie unsere Mutter, blaugrün. Und ihre Stimme. Wie ein Engel kam mir ihre Stimme vor, als sie fragte: „Bist du meine große Schwester?“
    In diesem Moment, hätte ich weinen können. Weinen aus Freude. Ich wollte sie umarmen, wollte sie in die Arme schließen und ihr all ihre Fragen beantworten, wie es große Schwestern nun einmal taten, doch ich konnte nicht. Wieder einmal, jetzt mehr denn je, merkte ich, wie sehr es doch ein Fluch war eine Gefangene im eigenen Körper zu sein. Ich wollte ihr so gerne Antworten und wenn es nur diese eine sein würde. Doch ich konnte nicht. Ich Schrie! Innerlich schrie ich meinen Schmerz heraus. So laut, dass mein Körper, zum ersten mal in meinem Leben reagierte. Eine einzelne Träne stahl sich in meine geschlossenen Augen und lief seitlich hinunter.
    Aber bevor sie mein Ohr erreichen konnte, fing Aisha sie auf und lächelte mich an. Ihre Seele, ihr Geist begriff im gleichen Moment wie sie, dass ich auf ihre Frage geantwortet hatte. Sie setzte sich zu mir aufs Bett und betrachtete mein Gesicht so genau, als hätte sie Angst sie könnte vergessen wie ich aussehe, sobald sie sich umdrehte.
    Und ich versuchte mir ebenfalls jede Einzelheit, jeder noch so kleine Unterschied auf ihrem Gesicht einzuprägen. Mein Geist, sah sie vor mir, als würde ich sie mit offenen Augen anschauen, was natürlich unmöglich war. Irgendwann hörte ich ein leises regelmäßiges Atmen. Aisha lag zusammengerollt, neben mir im Bett und schlief. Ohne auch nur einen Funken von Zweifel zu haben, war sie zu mir gekommen, um mich kennen zu lernen und nun schlief sie hier, als wüsste sie, dass ihre große Schwester auf sie aufpassen, sie vor jedem Unheil beschützen würde.



    Seit diesem Tag ...
    kam meine Schwester Täglich bei mir vorbei. Am Anfang heimlich. Und irgendwie war es schön, ein Geheimnis zu haben, dass nur wir beide kannten. Jeden Abend, lange nachdem unsere Eltern ins Bett gegangen waren, kam sie zu mir und erzählte mir was sie den ganzen Tag gemacht hatte. Aber sie hätte es mir nicht erzählen brauchen, ich wusste auch so was meine Schwester machte. Es war, als wäre ein unsichtbares Band entstanden, als sie mich zum ersten mal gesehen hatte, und seitdem sah ich alles was meine Schwester auch sah. Jederzeit konnte ich alles durch ihre Augen, ihren Geist sehen. So lernte ich auch dass nicht immer dass, was jemand sagte, auch dachte. Jeden Tag lernte ich mehr darüber und so, kaum ein halbes Jahr später, konnte ich noch viel weiter in den Geist eines Menschen vordringen. So weit, dass es schon fast unheimlich war. Ich konnte durch die Träume anderer wandern. Zu erst besuchte ich meine Schwester, beobachtete sie, doch schnell bemerkte sie mich und so besuchte ich sie fast jede Nacht. In diesen Träumen, konnte ich mich frei bewegen. Konnte sehen, hören, laufen und fühlen. In diesen Träumen liefen wir meistens Barfuß am Strand entlang und unterhielten uns über alles mögliche. Wie zwei, fast ganz normale, Geschwister.
    Doch irgendwann kamen unsere Eltern dahinter, dass Aisha mir täglich mindestens einen Besuch abstattete. Aber da war es bereits zu spät um irgendetwas daran zu ändern. Das Band zwischen uns war mittlerweile so stark geworden, dass ein längeres fernbleiben meiner kleinen Schwester, meinen Zustand nur noch verschlimmerte und sie krank wurde.
    Irgendwann, als sie Aisha wieder von mir fernhielten, fing mein Körper an jegliche Form von Flüssigkeit abzulehnen. Mein Herz fing an unregelmäßig zu schlagen oder setzte sogar für mehr als eine halbe Minute lang aus.
    Aisha ging es auch nicht besser. Sie bekam Kopfschmerzen, Fieberanfälle und einmal musste sogar der Notarzt gerufen werden. Irgendwann begriffen dann meine Eltern, dass sie uns nicht trennen konnten und ließen es bleiben. Auch wenn ich ihren Zweifel und ihre Angst deutlich, in ihren Gedanken, hören konnte. Wie konnte es sein, dass zwei so unterschiedliche Wesen wie wir eine solche Verbindung zu einander hatten? Unsere Eltern wussten darauf keine Antwort und ich auch nicht. Gab es darauf überhaupt eine Antwort?



    Wissen ...
    Mittlerweile besuchte meine Schwester die vierte Klasse einer Realschule. Jeden Tag vor der Schule schaute sie bei mir im Zimmer vorbei um zu sehen ob ich noch da war. Wie dumm.. Wo sollte ich denn hingehen? Ich, die eine Gefangene im eigenen Körper ist. Es war ein Tag, wie jeder andere, dachte ich zumindest. Ich folgte dem Geist meiner Schwester bis zur Schule, dort ließ ich sie los und zog mich zurück, oder blieb noch eine Weile, nur um ihr beim Unterricht zuzuschauen. Auch wen meine Schwester es nicht erklären konnte, und es niemandem je sagte, sie wusste ganz genau, wann ich in ihren Gedanken war oder wann ich mich zurück zog. Jederzeit hätte sie etwas sagen oder nur zu falsches fühlen zu müssen, und ich hätte mich sofort zurück gezogen. Denn ich weiß, ich habe nicht dass recht sie für mich alleine zu beanspruchen, und deshalb akzeptierte ich ihre Privatsphäre auch. Auch wenn diese nur sehr klein war, weil sie fast alles mit mir Teilte. Ihr Gedanken, ihr Tagesablauf, so viel erzählte sie mir und dies lenkte mich von dem Schrei ab, der immer stärker in mir, an meinem Körper zerrte.
    Doch heute, hatte meine Schwester eine Mathematikarbeit zu schreiben und ich ließ meine Gedanken einfach durch die Gegend schweifen, bis ich auf einen großen, alten aber immer noch sehr standhaften Baum, mitten auf dem Schuldgelände stieß. Etwas schien mich an ihn zu ziehen, als würde auch zwischen uns ein unsichtbares Band bestehen. Je näher ich kam, desto lauter wurde der Schrei in meinem Kopf und brachte meinen Körper dazu aus dem Gleichgewicht zu fahren. Mein Herz fing schneller an zu schlagen und mein Atem kam unregelmäßig. Aber nichts von dem bekam ich mit. Viel zu sehr war ich von diesem Baum, der mich wie ein Band an sich zog, fasziniert. Und dann, mit einem Riss in meine Seele, wurde mein Geist vollständig vom Körper getrennt.
    Mir wurde schlecht, auch wenn ich mir das nur einbildete, denn mein Körper konnte ja nichts fühlen, und für einen Moment wurde mir schwarz vor Augen. Als sich meine Sicht wieder gebessert hatte, merkte ich, dass sich nicht nur mein Geist vom Körper gelöst hatte. Wie auch zuvor in den Träumen meiner Schwester, stand ich nun, vor dem Baum, für die Kinder, die gerade auf den Schulhof strömten, nicht zu erkennen, weil es wie eine Geister-Ebene war, und legte beide Hände an die Rinde des Baumes. Augenblicklich wurde der Schrei, der mich seit einigen Jahren begleitete Stärker. Er wurde stärker und immer stärker, bis es so schlimm wurde, dass ich glaubte mein Kopf würde zerplatzen.
    Und in diesem Moment, sah ich so vieles. Der Baum zeigte mir sein Leben, wie er all die Jahre schon gelebt hatte und noch viel mehr. Er zeigte mir, wie die Blumen aufblühten und wieder verwelkten, wie die Tiere Jahr für Jahr übers Überleben kämpfen und noch vieles mehr zeigte er mir. Sowohl aus der Vergangenheit, als auch aus der Gegenwart. Ich wusste, dass ich noch lange nicht alles gesehen hatte, was der Baum mir gezeigt hatte, und dass ich noch sehr viel würde lernen müssen, doch erst musste ich zurück in meinen Körper, denn meine Schwester rief nach mir. Sie würde mich nicht sterben lassen. Das könnte sie doch gar nicht. Wir waren schließlich miteinander verbunden. Also ließ ich den Baum los und kehrte in meinen Körper zurück. Sofort wurde auch meine kleine Schwester ruhiger. Und in diesem Moment, indem ich dies alles gesehen hatte, wusste ich, dass der Schrei, denn ich all die Jahre schon hörte, der Schrei der Erde war. Ein Hilferuf der Erde. Einer Erde, die endlich erhört werden wollte, die endlich wollte, dass die Menschen ihr zuhörten.



    Lernen ...
    Während meine Schwester die Schule besuchte, oder mit ihren Freunden unterwegs war, verbrachte ich die Zeit, bei dem großen, alten Baum auf dem Schulhofgelände. Er zeigte mir sehr sehr viele Dinge und ich war eine fleißige Schülerin. Gierig zog ich alles in mir auf, was er mir zeigte. Wollte mehr und mehr lernen. Und mit der Zeit viel es mir immer schwerer und schwerer in meinen Körper zurückzukehren. Ich liebte es zuzuhören.
    Obwohl meine Schwester mich nach wie vor jeden Tag besuchte, merkte sie doch, wie aufgewühlt ich war, und ich anfing mich immer mehr von ihr zurückzuziehen. Bis zu jenem Tag, als sie mir erzählte, in ihrer Schule würde ein Musical aufgeführt werden und sie wünschte sich, ich würde es mir ansehen. Für einen Moment Rang ich mit dem Gedanken, ob ich sie nicht einfach ignorieren sollten. Doch das konnte ich nicht, dass hatte ich in den letzten Monaten viel zu oft getan. Und sie wünschte es sich so sehr. Also tat ich ihr den Gefallen, und war es auch nur um ein lächeln auf ihrem Gesicht zu sehen. Denn ich spürte, dass sie traurig war, auch wenn sie versuchte es vor mir zu verbergen. Aisha wurde größer und unsere Eltern kümmerten sich mehr um ihren Ruf in der Öffentlichkeit, als um ihre Kinder. Ich kannte es ja nicht anders, aber meine Schwester nicht, und so fing auch sie langsam an zu begreifen, was es hieß immer in der Öffentlichkeit zu stehen. Und da ich sie wieder glücklich sehen wollte, schaute ich mir durch ihre Augen das Musical mit an.
    Am Anfang hatte ich es langweilig gefunden, doch dann hatte mich eine Klarinettenspielerin angezogen. Sie spielte gerade ein Solo und plötzlich lag meine ganze Aufmerksamkeit bei ihr. Ihre Musik hatte etwas beruhigendes und zugleich trauriges an sich. Sie spielte mit geschlossenen Augen, ließ sich von ihrer Musik leiten und spielte eine wunderbarere Melodie als ich sie jemals gehört hatte. Ich war von ihr gefesselt, und dann als sie ihre Augen öffnete und durch das Publikum wandern ließ blickte sie direkt in die Augen meiner Schwestern.
    Nein! Nicht in ihre, in meine. Durch die Augen meiner Schwester schaute sie mich direkt an. Sie schaute mich an und zum ersten mal in meinem bisherigem leben fühlte ich mich nicht alleine. Es war als würde sie mich verstehen. Das Musical nahm ich gar nicht mehr war, nur noch die azurblauen Augen dieser Klarinettenspielerin und ihrer Musik. Es war als würden wir auf einem Felsen stehen, umgeben von saftigen grün der Wiesen und nur wenige Schritte von uns entfernt das Meer. Sein salziger Geschmack lag mir auf der Zunge. Und da begriff ich was ihre Musik zu bedeuten hatte, was Sie zu bedeuten hatte. Dieses Mädchen spielte nicht irgendeine Melodie, sie spielte den Schrei der Erde. Und in diesem Moment wusste ich, dass sie wie ich war. Sie konnte ebenfalls die Erde hören. Und sie begriff es im gleichen Augenblick wie ich: Wir gehörten zusammen.



    Ungeduldig …
    Ich musste sie unbedingt kenne lernen. Dieses Mädchen. Wobei Mädchen wohl nicht die passende Bezeichnung für sie ist. Sie musste wohl in meinem alter sein. Plus – Minus eins zwei Jahre vielleicht. Aber das spielt keine Rolle. Wichtig ist nur, dass ich sie kennen lerne.
    Ungeduldig drängte ich meine Schwester ihr zu folgen. Doch in dem Getümmel das nun folgte, weil es zur Pause geläutet hatte, verlor sie sie aus den Augen. Mehrmals entschuldigte sich Aisha bei mir, da sie gemerkt hatte, wie wichtig es mir war die Klarinettenspielerin kennen zu lernen. Ich versicherte ihr dass es nicht ihre Schuld war und ermunterte sie dazu, zu ihren Freunden zu gehen. Ich würde mich alleine auf die Suche nach ihr machen. Versprach aber zurück zu sein, sobald das Musical weiter ging.
    Ich zog mich aus den Gedanken meiner Schwester zurück, bis sie nur noch ein leichtes Hintergrundgeräusch war und ließ meinen Geist durch die Menge schweifen. Flüchtig berührte ich die Gedanken der herumstehenden, doch keiner war der, nachdem ich suchte.
    Und dann, meine Ungeduld war kaum zu ertragen, streifte mich ein Gedanke. Ich hielt in meiner Suche inne und nahm den Gedanken ganz in mich auf: Meer, Salzwasser, Schreie der Möwen, das Rauschen der Wellen, Wellen die gegen Felsen prallen und zerbersten.
    Ich folgte ihm, durch die provisorischen Kabinen, in dem sich die Schüler während der Pause aufhielten und weiter den Gang hinunter, bis zur Hintertür. Je näher ich dieser Tür kam, umso intensiver spürte ich sie und dann kaum das ich im freien war, drehte sie sich zu mir um. Schaute mich an, als würde ich wirklich vor ihr stehen und nicht nur als Geist – der mich doch sonst niemand sehen konnte.
    Aber sie sah mich und lächelte. Ihre Seele strahlte. Schien sich richtiggehend zu freuen, mich endlich zu treffen. Doch woher sollte sie von mir wissen? Wieder so viele Fragen. Und doch weiß ich, dass diese Person sie mir beantworten kann.



    Erstes Gespräch …
    Sie lächelte und ihre ersten Worte an mich waren: Ich freue mich dich endlich kenne zu lernen.“ Und sie sprach mit einer Ehrlichkeit, wie ich sie nur von meiner Schwester kenne. Keine versteckten oder bösartigen Gedanken. Nichts.
    Ich erwiderte ihr Lächeln und war erstaunt, als sie leicht den Kopf neigte.
    „Wir haben leider nicht viel Zeit, das Musical geht gleich weiter,“ sprach sie mit einer sehr hellen und lieblichen Stimme. „Ich würde mich freuen, wenn wir uns heute Nacht unterhalten könnten. Du hast sicher viele Fragen und allen voran die, warum ich dich sehen, dich wahrnehmen kann. Und ich verspreche dir alle Fragen zu beantworten. Doch jetzt sollst du wissen, dass ich schon lange auf der Suche nach dir bin.“ Ich trat näher, schaute in ihre azurblauen Augen und prägte mir ihr Gesicht ein. Wusste nicht was ich ihr sagen sollte. Schließlich fand ich doch eine Frage, die sie mir unbedingt jetzt beantworten musste: „Wie werde ich dich finden?“
    „Ich werde meinen Geist für dich öffnen. Werde deinen Ruf hören und dann können wir ungestört reden.“ Sie wandte sich zum gehen. „Jetzt muss ich leider wieder rein, die Pause ist gleich zu Ende. Es wäre mir eine Freude, wenn du dir das Stück bis zum Schluss anschauen würdest. Deine Schwester wird sich mit Sicherheit auf freuen.“ Erneut neigte sie leicht den Kopf, drehte sich um und ging ins Gebäude zurück.



    Durcheinander …
    Ich war so aufgeregt, dass ich von dem Musical kaum noch etwas mitbekam. So langsam schien die Zeit zu vergehen. Spielte die Zeit gegen uns? So kam es mir jedenfalls vor. Aisha musste mich zweimal rufen bis ich überhaupt registrierte, dass sie mich etwas gefragt hatte. Doch was?n ich weiß es nicht. So ein Durcheinander herrscht in meinem Kopf.
    Ein Wirbel aus unendlich vielen Fragen . Wenn ich versuche nach einer bestimmten Frage zu fassen, dreht sich alles nur noch schneller. Mir wurde schwindelig und ich bekam Kopfschmerzen. Es ist glaube ich an der Zeit meinem Geist etwas Ruhe zu gönnen. Wenigstens zwei drei Stunden, bis wir uns endlich treffen würden.



    *leider hab ich den nächsten Absatz, das Gespräch mit Sophia gelöscht ....
    ...sooo endlich hab ich auch Sophias Geschichte nochmal geschrieben (auch wenn er nicht so schön geworden ist wie beim ersten mal aber naja....*


    *erdbeertee schlürf*

    Zwielicht
    [SIGPIC][/SIGPIC]
    Trenne dich nie von deinen Träumen. Wenn sie verschwunden sind wirst du weiter existieren, doch aufgehört haben zu leben.

    2 Mal editiert, zuletzt von Soraya ()

  • ich stell trotzdem schonmal den nächsten Teil on



    Sophias Geschichte …
    Wenn man in seiner eigenen Traumwelt ist und die Macht hat alles so zu gestalten wie man möchte, spielt wohl jeder mal gerne mit dem Gedanken, ein Hurrikan entstehen zu lassen, der alles und jeden fortweht, oder ein riesiges Haus. Vielleicht sogar eine eigene Stadt und vieles mehr. Mir jedenfalls kommen solche Gedanken öfters. Doch dies alles mache ich nicht. Nicht heute Nacht. Heute Nacht sitze ich am Strand, die Füße leicht darin verbuddelt und schaue mein Gegenüber erwartungsvoll an.
    Sie heißt Sophia und ich finde ihre Augen so faszinierend, dass ich sie stundenlang betrachten könnte und auch nach dieser Zeit würde ich noch immer das Meer und diese Tiefe darin sehen. So sehr spiegelt es sich in ihr wieder.


    Sie setzte sich zu mir in den Sand und betrachte mich genauso aufmerksam wie ich sie. Dann erzählte sie mir, wie ihrer Familie vor vielen Generationen das passiert war, was sie heute genauso einzigartig machte wie mich. Die Familie gehörte zu den ärmsten in dem Dorf und kam kaum über die Runden. Deshalb mussten sie selbst an den schlechtesten Tagen raus auf Meer fahren, damit alle am Abend etwas zu Essen hatten. Alle Kinder mussten mit anpacken. An jenem Tag war der Himmel noch blau, doch nur Minuten später war ein Sturm aufgezogen und das Boot trieb immer weiter hinaus aufs Meer. Die Wellen brachten das Boot fast zum kentern und die Tochter verlor den Halt und stürzte in die stürmische See. Dort wäre sie auch ertrunken, wäre da nicht diese Stimme gewesen die gesagt hatte: „Du bist nicht diejenige, die Ich suche. Aber du liebst das Meer und verstehst sie wie kein anderer. Deshalb möchte ich dass du am Leben bleibst. Hilf mir bei meiner Suche und ich schenke dir das Leben und die Macht der Meere.“ Das Mädchen willigte ein und kehrte unversehrt zu ihrer Familie zurück. Seitdem wurde ihre Gabe an jedes erstgeborene Mädchen in ihrer Familie weitergegeben. Wie dieses Mädchen hieß, ging allerdings im Laufe der Generationen verloren. Nur die Worte, die vom Meer selbst zu kamen schienen wurden Wort für Wort weitergegeben.



    Schmerz …
    Ein markerschüttender Schrei weckte mich. Ich zitterte und fühlte mich schwach. Mein ganzer Körper schmerzte. Ich brauchte eine Weile bis ich mich so weit beruhigt hatte, dass ich begriff das der Schrei den ich gehört hatte nicht von außerhalb kam, sondern von meinem Körper selbst. Nicht äußerlich. Äußerlich hatte ich mich nicht einen Millimeter bewegt und auch die Geräte blieben stumm. Also horchte ich in mich hinein, versuchte die Ursache zu ergründen warum ich mitten in der Nacht wach wurde.
    Als eine erneute Schmerzenswelle durch meinen Körper fuhr, schickte ich meinen Geist los und folgte dem Schrei. Er konnte nur von der Erde selbst kommen. Kein anderer vermochte mich so tief in meinem Inneren anzusprechen, zu berühren. Und dann sah ich was los war:
    weit weg, in einem anderen Land wurde gerade erneut ein tiefes Loch gegraben. Die Gedanken der Menschen verrieten, dass sie es auf das schwarze Gold abgesehen hatten. ÖL. Doch weil sie sich nicht sicher waren, wo genau die Ölquelle lag bohrten sie einfach immer mehr und mehr Löcher. Und je tiefer sie in das Erdinnere vordrangen, umso größer wurde der Schmerz. Die Natur war ihnen egal. Ihnen ging es nur um das Vermögen, welches sie verdienen würden, hätten sie erst einmal die Quelle gefunden.
    Ich konnte ihre Gedanken nicht mehr ertragen. Ich zitterte vor wut. Wie konnten die Menschen all dies tun ohne auch nur an die Konsequenzen zu denken? Für sich selbst und die Natur. Soviel Schmerz durchfuhr mich. So gerne wollte ich helfen. Wollte den Schmerz lindern den die Erde ausstrahlte. Wenn ich es gekonnt hätte, hätte ich die Erde umarmt. Sie fest an mich gedrückt und getröstet. Doch ich konnte nichts tun. Machtlos war ich gefangen. Eine stille Beobachterin. Gezwungen zuzuschauen, zu hören, zu fühlen ohne jedoch etwas ausrichten zu können.



    Tapfer …
    Auf einem Hügel, nicht weit von den riesigen Maschinen entfernt, ragte eine einsame Wildblume aus der trockenen Erde hervor. Tapfer kämpfte sie ums überleben. Doch hier gab es nicht genügend Wasser. In ein paar Tagen würde sie verdorrt sein. Wenn sie es überhaupt so lange aushielt. Um sie herum war die Erde zertrampelt und viele ihrer Freunde waren schon verwelkt. Nur sie versuchte weiter tapfer durchzuhalten.
    Sie bemerkte mich. Rief mich zu sich. Brauchte jemandem zum reden. Sachte kniete ich mit vor sie hin und strich ihr federleicht über die Blütenblätter. Sie lachte und freute sich, und ihr Lachen war eine wunderbare Melodie. Erfüllte mich mit Freude, bis sie begann mir ihre Geschichte zu erzählen:
    Sie erzählte das es hier früher ein ganzes Meer von Blumen gegeben hatte. Sie waren glücklich und freuten sich über jeden weiteren Tag. Egal ob die Sonne schien oder es regnete. Doch dann waren die Menschen gekommen, hatten alles zertrampelt, den Boden für die Pflanzen unfruchtbar gemacht, bis sie nach und nach alle eingegangen waren. Und jetzt war nur noch diese eine übrig.
    Sie zeigte mir Bilder wie es hier früher ausgesehen hatte und ich wurde traurig. Wie konnten die Menschen nur wenigen Jahren so einen Schaden anrichten?
    Ein letztes mal strich ich der Blume über ihre Blätter und kehrte in meinen Körper zurück.


    Was sollte ich auch anderes tun? Die Schmerzen waren unerträglich und ich wollte einen Moment für mich haben. Um nachzudenken. Um all dies zu verarbeiten. Was mir aber wahrscheinlich niemals gelingen würde. Zu groß was der Schmerz. Zu groß die Sehnsucht das die Menschen die Erde verstanden. Ihren Ruf hörten und endlich begriffen. Begriffen wie viel Leid sie ihrem eigenen Planeten antaten.
    Als ich in meinen Körper zurückgekehrt war, bemerkte ich eine Veränderung. Zwar zeigten die Geräte an die ich angeschlossen war keine Reaktion aber etwas hatte sich verändert. Durch meine geschlossenen Augen flossen Tränen. Ich weinte. Mein Körper zeigte eine Reaktion. Eine winzig kleine Reaktion und gleichzeitig doch so groß.
    Die Erde spürte dass ich sie verstand, mit ihr leidete und mein Körper weinte ihre Tränen. Die Tränen der Erde



    Trost ...
    Ich saß auf einem Felsen. Umgeben von Gras und vielen Blumen. Sie alle wiegten sich im Lied des Windes, der unablässig wehte. Er wehte mir die Haare ins Gesicht und mir gefiel es. Ich brauchte diese Rauheit der Natur. Heute brauchte ich sie einfach. Der Himmel war verdunkelt, als ob es jeden Moment anfangen könnte zu regnen. Und dicke schwarze Wolken zogen vorbei. Ich stieß einen tiefen Seufzer aus und der Wind nahm noch etwas an Stärke zu. Ich stützte mich mit den Händen an, als ich mich leicht nach hinten neigte und mein Gesicht offen dem Himmel zeigte. Die Kälte traf mich ins Gesicht und ich genoss es.
    Ein Moment der Ruhe. Ein Moment um mich innerlich zu sammeln.
    Heute Morgen war meine Schwester vorbei gekommen – eigentlich kam sie ja mehrmals am Tag vorbei – und strich mir sachte durch die Haare. Sie hatte meinen Schmerz die Nacht gespürt, konnte aber nicht zu mir kommen, weil sie nicht zu Hause gewesen war. Deshalb hatte sie es sich nicht nehmen lassen mir die Haare zu bürsten. Sie sprach nicht mir mir.. Wusste genau das ich das nicht konnte und sie gab mir auf ihre Art Trost und Liebe. Sie verstand mich so gut. Manchmal brauchten wir keine Worte. Gefühle reichten schon. Und ihre Liebe gab mir die kraft, die ich nicht dazu in der Lage war aufzubringen.
    Sophia erschien neben mir. Auch sie spürte das ich aufgewühlt war. Wortlos setzte sie sich mir und lies ihren Blick über die endlosen Blumen gleiten, die sich bis zur Unendlichkeit zu erstrecken schienen. Auch sie sprach nicht mit mir. Tröstete mich nicht. Aber sie war da. Eine einfache Geste, die mir zeigte, dass sie mich verstand und für mich da war.



    Melodie …
    Irgendwann während dieser Zeit des Schweigens fing sie an auf ihrer Violine zu spielen. Erst langsam, dann immer schneller, mal lauter, mal leiser. Ich ließ den Wind verstummen und auch die Wiese verblasste langsam. Die Melodie die sie spielte war traurig. Traurig und doch hatte sie etwas wildes, etwas unbezähmbares. Wie das Meer. Ja, ihre Augen hatten die Farbe des Meeres, ihre raue Schönheit lies mich ein Meer um uns bilden.
    Wir trieben in einer Seifenblase über das Meer. Die Richtung war egal. Es ging nur um die Melodie. Mein Körper entspannte sich, fühlte sich leichter und ausgeglichener. Die Melodie beruhigte nicht nur mich, sondern auch den Planeten. Die Erde wusste sie war nicht alleine. Sophia konnte die Erde zwar nicht so hören wie ich, aber trotzdem verband auch sie etwas mit ihr. Ein Geschenk und ein Fluch zugleich, wie nur wir es zu verstehen vermochten.
    Als die Melodie endete, verschwand das Meer um uns und zurück blieb ein weißes Nichts. Ihre Musik hatte mich so gefesselt, dass ich einen Moment brauchte bis ich mir bewusst war, dass wir in einer Leere standen. In unseren Gedanken die leer waren.
    „Ich wollte noch etwas mit dir besprechen. Da ich jetzt aber noch einen Termin habe und du sicher noch etwas alleine sein möchtest, werde ich später bei dir vorbei kommen.“ Mit diesen Worten und einem traurigen lächeln auf dem Gesicht verschwand sie. Ja, sie hatte recht. Ich brauchte noch einen Moment für mich alleine.
    Lange blieb das aber nicht so. meine Schwester rief nach mir. Ich hatte ihr versprochen sie nach der Schule zu begleiten. Sie wollte neue Klamotten kaufen gehen und hatte mich dazu überredet mit ihr zu kommen. Ihre Argumente waren: „Mädchen gehen nun mal gerne einkaufen. Deshalb möchte ich dass du mich begleitest. Du bist meine große Schwester und musst mich einfach beraten.“ Dabei hatte sie mich mit einem solchen Ausdruck im Gesicht angesehen, dass ich gar nicht anders konnte. Außerdem war ich Neugierig und ich sah wie ihr Geist strahlte, als ich ihr versprach mitzugehen. Und so verließ ich meine Traumwelt und folgte dem Ruf meiner Schwester.



    Besucher ...
    Ich konnte mir schon denken worüber Sophia mit mir reden wollte. Es ging um meine Eltern, um ihre Reaktion auf mich. Sie hatten Angst vor mir. Das hatten sie zwar schon immer, aber mittlerweile war es schlimmer geworden. Ich wusste es, weil ich immer wieder ihre Gedanken streifte. Doch so etwas wie Liebe, konnte ich nicht zu ihnen aufbauen. Vielleicht deshalb weil sie mir nie welche entgegengebracht hatten? Meiner Schwester gegenüber wahren sie die Liebenswürdigkeit und Mütterlichkeit in Person. Soweit das bei Eltern die ständig im Rampenlicht standen möglich war. Aber es passte ihnen nicht, dass Aisha mich ständig besuchte und sich mit mir unterhielt. Für sie war ich schließlich nur eine leblose Hülle, zwar fähig zu Atmen aber zu mehr auch nicht. Geräte versorgten mich mit allem was meinem Körper am leben erhielt. Aber sie besuchten mich nicht mehr. Ein privater Arzt und eine Krankenschwester kümmerten sich um mich. Viel zu viel Angst fesselte sie. Und so hatte ich bis jetzt auch nicht mit ihnen Kontakt aufgenommen. Warum auch? Sie würden es sowieso nicht verstehen. Und es passte ihnen nicht, dass eine fremde Person mich sah. Sie hatten von Sophia erst erfahren, als meine Schwester sie schon zu mir gebracht hatte. Sie sprachen es zwar nicht aus und versteckten ihre Gefühle und Gedanken hinter einer freundlichen Maske, aber nicht nur ich merkte, dass dies nur gespielt war. Doch was konnte ich schon dagegen unternehmen?


    Ich wachte vom fallenden Regen auf der gegen die Fenster prasselte. Ich liebte den Regen und die Musik die er hinterließ. Wenn ich ihn doch nur wirklich auf meiner Haut spüren könnte. Aber das ging leider nicht. Also begnügte ich mich damit meinen Geist nach draußen in den strömenden Regen zu schicken. Ich beobachtete wie die Regentropen auf die Erde fielen, sich in den Blättern und Blumen verfingen. Gierig saugte die trockene Erde das Wasser in sich auf. Es hatte seit Wochen nicht mehr geregnet und die Temperaturen waren immer weiter in die Höhe gestiegen. Viele Pflanzen waren durch die Hitze schon eingegangen und auch die Luft war schwül. Wollte sich trotz des Regens nicht abkühlen.
    Barfuß wanderte ich durch den riesigen Garten, der von einem hohen Zaum umrahmt wurde, um unerwünschte Besucher, wie meine Eltern es nannten, fernzuhalten. Der nasse Rasen kitzelte mich an den Füßen und ich genoss die Kühle die in meine Fußsohlen drang. Ich näherte mich gerade dem größten und ältesten Baum im Garten. Ich liebte diesen Ort und verbrachte viel Zeit hier, als ich durch den strömenden Regen auf der anderen Straßenseite eine Person entdeckte. Sie stand mitten im Regen, ihre Kleidung war völlig durchnässt und schaute durch das Seitentor, der für das Personal bestimmt war, in den Garten. Ich war neugierig. Wer hielt sich bei so einem Wetter draußen auf? Und dass auch noch ohne Regenschirm! Ich trat also näher ans Tor um die Person besser zu sehen, da legte diese den Kopf schief, schaute einmal nach links und rechts und überquerte die Straße. Er, es war eindeutig ein Mann, lief direkt auf das Tor zu. Davor blieb er stehen und schaute einmal nach oben, direkt in die Kamera. Er lächelte, so als ob es ihn nicht im geringsten interessieren würde und mit einem Sprung war er über die Mauer gesprungen und landete geduckt auf der anderen Seite, direkt vor meinen Füßen. Er schaute zu mir auf. Erschrocken wich ich einen Schritt zurück. „Du kannst mich sehen?!“ Es war nur geflüstert, doch der Mann nickte zustimmend und erhob sich. „Aber selbstverständlich. Wer würde Euch nicht erkennen. Ihr die Ihr unser aller Schicksal in den Händen haltet.“ Er richtete sich auf und musterte mich. „Verzeiht mir. Ich hätte mich erst vorstellen sollen, meine Name ist Daniel und ich freue mich Euch endlich kennen zu lernen. Der Wind hat mir zugeflüstert, dass die Zeit nun gekommen sei Euch kennen zu lernen.“
    „Der Wind?“ Ich war etwas verwirrt und gleichzeitig gab mir seine Nähe eine Geborgenheit die ich nicht kannte. Ich schaute ihn mir genauer an. Er war groß, viel größer als ich und muskulös. Er musste regelmäßig Sport treiben und seine Augen. Seine Augen hatten eine Farbe die ich erstmals nicht einordnen konnte. Sie waren grau und doch spiegelte sich ein Hauch von weiß und schwarz darin wieder. Faszinierende Augen. Unwillkürlich trat ich näher, unfähig mich dem Bann seiner Augen zu entziehen. Ich hob meine Hand, wollte sie auf seine Wange legen, und er senkte den Kopf damit ich ihn ohne Anstrengung berühren konnte. Mein Geist streifte seinen und bereitwillig öffnete er sich mir. Ein tosender Sturm schlug mir entgegen. Nicht gefährlich, jedenfalls nicht für mich, er hielt mich willkommen, aber für jeden anderen eine tödliche Gefahr. Jetzt wusste ich auch an was mich seine Augen erinnerten. An einen Sturm, kurz bevor er unberechenbar wurde.
    „Du trägst die Kraft des Windes in dir.“ Auch ich öffnete mich ihm und unsere Gedanken schienen miteinander zu verschmelzen. Es kribbelte in meinem Körper. Erst leicht, dann heftiger und schließlich glaubte ich ein Stromschlag durchfuhr mich.
    Er hob die Hand und legte sie an seine Wange, direkt auf meine und wollt etwas sagen, doch in diesem Moment passierte etwas in mir. Ich löste mich auf, hatte keine Kontrolle mehr über meinen Geist.



    Reaktion ...
    Ich wurde zurück in meinen Körper geschleudert. Mit einem so starken Sog verband sich mein Geist mit meinem Körper, dass ich zuerst nicht verstand was ich da hörte. Die Monitore schlugen an. Ein stetiges Piepsen das immer lauter zu werden schien. Jemand kam ins Zimmer gerannt und kontrollierte sofort die Geräte, der Arzt. Doch was er genau tat, bekam ich nicht mit, ich war viel mehr darauf konzentriert was ich fühlte. Ich fühlte etwas. Ich lag auf etwas weichem und es fühlte sich so gut an. Zum ersten Mal fühlte ich die weiche Matratze auf der ich lag. Ganz leicht konnte ich meine Finger bewegen, strichen über die Bettdecke. Dann durchfuhr mich erneut ein heftiger Schlag und mein Körper verkrümmte sich. Während meine Schultern in die Matratze gedrückt wurden, erhob sich mein Oberkörper. Blieb ein paar Sekunden in dieser Haltung und viel dann wieder in sich zusammen. Ich blieb so reglos zurück als hätte ich mich nie bewegt. Für einen Moment wurde mir Schwindelig weil sich das Bett unter mir aufzulösen schien. Doch ich begriff dass dies nicht so war. Ich spürte nichts mehr, nicht körperlich.
    Da wurde erneut die Tür aufgerissen und meine Schwester kam herein gerannt. Ihr Gesicht war so bleich. So hatte ich sie noch nie gesehen. Sie zitterte und war total aufgewühlt. Sie warf sich auf mein Bett und fing an zu schluchzen. Der Arzt konnte sie nicht beruhigen und je mehr er versuchte sie von mir herunter zu ziehen, desto heftiger wehrte sie sich dagegen. Sie fing an zu schreien und klammerte sich an mir fest. Ich strich behutsam über ihren Geist, versicherte ihr dass es mir gut ging, auch wenn ich total verwirrt war, wollte ich ihr das nicht anmerken lassen.
    Unsere Eltern kamen ins Zimmer gerannt, sahen Aisha und sofort fing Mutter an zu kreischen. Sie wollte nicht das Aisha bei mir war, sie fing an zu schimpfen und verlangte dass man sie sofort von mir trennen musste. Der Arzt stimmte meiner Mutter zu und gab meiner Schwester ein Beruhigungsmittel, sodass mein Vater sie aus dem Raum bringen konnte. Erst als sie weg war, schaute meine Mutter mich an und purer Hass und Boshaftigkeit gepaart mit Angst schlugen mir entgegen.



    Entscheidungen …
    Ich wachte über den Geist meiner Schwester, bis die Beruhigungsmittel nachgelassen hatten und tröstete sie lautlos, bis sie in einen unruhigen Schlaf hinüber geglitten war. Immer wieder strich ich ihr über die Haare und prägte mir ihr Gesicht ein. Meine Schwester, sie gehörte mir! Niemand durfte sie mir wegnehmen. Nachdem auch ich mich wieder beruhigt hatte kehrte ich in den Garten zurück, doch Daniel war verschwunden. Er musste verschwunden sein, als ich unweigerlich in meinen Körper zurückgezogen worden war. Er war zwar nicht mehr da, aber ich wusste dass ich ihn jederzeit erreichen konnte. Ich musste ihn nur rufen und er würde meinem Ruf folgen und kommen. Was vor einer guten halben Stunde mit meinem Körper passiert war konnte ich nicht erklären, ich wollte darüber nachdenken, doch meine Gedanken wurden abgelenkt, als ich sah dass Licht im Wohnzimmer brannte. Ich sah meine Eltern und den Arzt auf der Couch sitzen und leise flüstern hören. Ich trat näher an sie heran, wollte wissen was sie da besprachen. Es ging um mich. Der Arzt konnte sich nicht erklären warum und worauf mein Körper da reagiert hatte. Er war genauso ratlos wie ich. Meinen Eltern machte dies Angst und nachdem der Arzt sich zurückgezogen hatte flüsterte meine Mutter: „Wir müssen sie loswerden. Sie macht mir angst. Und ich mache mir Sorgen um Aisha. Es ist das beste für sie, wenn sie von ihrer … wenn sie von diesem Ding … so schnell wie möglich getrennt wird.“ ich zuckte zusammen. Das meine Eltern mich nicht mochten machte mir nichts aus, aber dass sie mich als ein Ding und nicht als ein Lebewesen bezeichneten tat mir weh. Es schmerzte. Meine Eltern unterhielten sich noch lange darüber doch waren sich beide einig, dass es das Beste für Aisha wäre, wenn ich aus ihrem, aus ihr aller Leben verschwinden würde. Und dafür gab es nur eine Lösung. Eine Lösung die endgültig sein würde. Tod!
    Nein! Das würde ich nicht zu lassen. Sie konnten mich doch nicht so einfach umbringen? Das durften sie nicht. Meine Gedanken überschlugen sich. Das konnten sie doch nicht einfach machen? Ich war zu geschockt um irgendetwas zu tun. Und so sah ich hilflos zu wie sie erst nach meiner Schwester schauten, dass sie auch wirklich schlief und dann die Tür zu ihrem Zimmer absperrten, sodass sie, sollte sie doch aufwachen, nicht hinaus konnte. Dann machten sie sich auf den Weg in den Raum indem ich lag.
    Ich rief nach meiner Schwester, versuchte sie zu wecken, doch sie war noch zu benommen. Ich drang in ihren Geist, in ihrem Traum ein und rief nach ihr. Ich brauchte sie, sie musste mir doch helfen! Ich flehte sie an aufzuwachen, drängte sie unaufhörlich. Mir kam es wie Stunden vor, bis sie endlich die Augen aufschlug, doch es mussten wohl nur Sekunden vergangen sein, den unsere Eltern hatten mein Zimmer noch nicht ganz erreicht. Mit zitterndem Körper kämpfte sich meine Schwester aus dem Bett und rannte zur Tür. Sie schlug mit ihrer Faust dagegen. Rief nach unserer Mutter, nach unseren Eltern. Flehte sie an, dass nicht zu tun. Doch ihr flehen blieb ungehört. Schluchzend hämmerte sie immer weiter auf die Tür ein, bis sie sich ihre Fäuste wund geschlagen hatte und Blut an ihnen herunterlief. Trotzdem hörte sie nicht auf. „Es tut mir so leid,“ flüsterte sie. Sie war genauso verzweifelt wie ich. Was konnten wir tun? Wie sollten wir sie aufhalten? Sie hatten mein Zimmer erreicht. Ich hörte sie. Leise schlossen sie die Tür und schalteten die Überwachungskameras aus, die angeblich zu meinem Schutz angebracht worden waren.
    Nein das durften sie nicht tun!
    Würden sie mich töten, würde ich Aisha mitnehmen. Sie gehörte mir. Ich würde nicht zulassen dass sie sie mir wegnahmen.
    „Ich hab dich lieb.“ Als ich diese Worte zu meiner Schwester sprach fing sie an noch heftiger zu weinen und schüttelte den Kopf. Liebevoll strich ich ihr über das verweinte Gesicht, dann kehrte ich in meinen Körper zurück.



    Tod …
    Nein! Meine Eltern würden mich nicht töten. Wer kümmerte sich dann um die Erde? Wer hörte der Erde zu? Ich wollte noch nicht sterben. Ich durfte noch nicht sterben! Meine Eltern traten an mein Bett und der Arzt, er war auch da. Er steckte also auch mit drin, er würde meinen Eltern helfen. Er zog eine Nadel auf und trat an mein Bett. Nein, bitte nicht!
    Der Arzt schaute meine Eltern an. „Sind sie sich ganz sicher?“ Vater und Mutter nickten einvernehmlich. Ich konnte kein Mitleid in ihren Gesichtern erkennen.
    Nein! Ich schrie. Schrie so laut ich konnte und rief um Hilfe.
    Der Arzt hatte gerade die Spritze an den Infusionsbeutel geschlossen und wollte den Kolben herunter drücken, als ein lautes Klirren von zerspringenden Scheiben zu hören war. Ein Windstoß wehte durch den Raum und mit einem undefinierbarem Geräusch prallte der Körper des Arztes gegen die hinterste Wand und sackte lautlos zu Boden. Die bodenlangen Vorhänge bauschten sich auf und da stand er. Daniel.
    Sein Gesicht strahlte so viel Feindseligkeit aus. Lautlos bewegte er sich durch den Raum und kam auf mich zu, ohne jedoch dabei meine Eltern aus den Augen zu lassen, die sich vor Schreck mit jedem Schritt den er näher kam, zurück wichen. Er entfernte sämtliche Schläuche an die ich angeschlossen war und ignorierte dabei die Geräte die anfingen verrückt zu spielen.
    So vorsichtig, als wäre ich zerbrechlich wie Porzellan, legte er einen Arm unter meine Knie, die andere unter meinen Rücken und hob mich hoch. Presste mich vorsichtig an sich.
    Ich konnte seinen Herzschlag hören, unregelmäßig hatte es die ganze Zeit gepocht, bis er mich in den Armen hielt. Erst jetzt fing er, sein Körper sich an zu entspannen. Jetzt war ich in Sicherheit. Meine Eltern würden mir nicht mehr wehtun können. Doch sie mussten bestraft werden. Nicht nur für dass was sie mir beinahe angetan hätten, sondern auch dafür, dass sie mich von meiner Schwester trennen wollten.
    „Kannst du mich zu meinen Eltern bringen?“ bat ich Daniel. Er nickte und trat auf meine Eltern zu, die ängstlich an die Wand zurückgewichen waren. Die Tür konnten sie nicht erreichen, die war viel zu weit weg. Als wir nur noch eine Armesslänge von ihnen entferne waren blieb er stehen. Und zum ersten Mal tat ich etwas, was ich noch nie gemacht hatte. Ich berührte nicht nur den Geist meiner Eltern, sondern drang in ihren ein. Heftig zuckten sie zusammen. Ich ließ sie wissen dass ich wusste was sie mit mir vor gehabt hatten, ließ sie wissen, dass ich all die Jahre gewusst hatte was um mich herum geschah, was ich gesehen hatte und dass ich ihnen dafür nicht verzeihen konnte.
    Meine Eltern fingen an zu weinen und zu betteln, doch ich hatte kein Mitleid mit ihr. Nur töten konnte ich sie nicht. Nicht aus irgendwelchen gefühlsduseligen Gefühlen. Nein. Einzig alleine Aisha zu liebe konnte ich es nicht tun.
    Aber das brauchte ich auch nicht. Daniel verstand meine Gefühle so gut, als wären es seine. Er verbarg seine Gefühle hinter einer Maske aus Gleichgültigkeit und rief den Wind herbei. Er blies mir sachte durch die Haare ehe er sich auf meine Eltern stürzte und ein Windloch erzeugte, der sie solange umgab, bis ihnen sämtliche Luft entzogen war und sie schließlich tot zu Boden fielen.
    Ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen, trug er mich aus dem Zimmer, die Treppen nach unten und hinaus aus dem Haus, indem ich mein ganzes bisheriges Leben gewesen war.
    „Was ist mit meiner Schwester? Ich muss zu ihr.“
    „Macht Euch keine Sorgen. Eurer Schwester geht es gut. Sophia hat sie aus ihrem Zimmer befreit und bringt sie an einen sicheren Ort.“
    „Bringst du mich zu ihr?“
    „Aber natürlich.“ Er lächelte auf mich herab und mit einem einzigen Sprung hatten wir mein Elternhaus hinter uns gelassen und standen auf dem Dach eines weiteren Hauses, nur eine Straße weiter. Ich strich durch seinen Geist, der mich sogleich willkommen hieß und ließ ihn all das spüren was ich im Moment nicht in der Lage war zu sagen.


    *so weiter hab ich noch nicht geschrieben, ich hänge fest
    SUCHE meine MUSE*


    über Kommis/Anregung/Kritik ... würde ich mich freuen

    Zwielicht
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    Trenne dich nie von deinen Träumen. Wenn sie verschwunden sind wirst du weiter existieren, doch aufgehört haben zu leben.

    2 Mal editiert, zuletzt von Soraya ()

  • Die Geschichte ist wirklich atemberaubend schön, so etwas habe ich noch nie gelesen! Du schreibst wirklich sehr spannend und bringst die Gefühle der Personen sehr deutlich rüber. Hoffe dass du diese einigartige Geschichte weiterschreibst und ich hoffe auch dass das Mädchen irgendwann sich bewegen kann und sie mit ihrer Schwester glücklich leben kann.
    Grüße Ashley

  • Hallo Soraya,
    habe mir gerade deine Geschichte durchgelesen und bin wirklich gefesselt. Du beschreibst die Gefühle der Personen, so genau. Ich konnte mich total in die Geschichte hinein versetzen. Du hast einen tollen Schreibstil. Mach weiter so ! Und ich bin mir sicher das dir bald einfällt, wie die Geschichte weitergehen kann. Freue mich schon auf ein neues Kapitel.


    Lieben Gruß
    Darkfire

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    "Nur weil du paranoid bist, heißt das nicht, dass sie nicht hinter dir her sind!"


    ___________________________________



    .. Nimm dir Zeit zu träumen, es ist der Weg zu den Sternen.

  • Nachschub!!!
    Bald gibts wieder was zu lesen. Hab nicht nur meine Muse wieder gefunden ich bin auch fast fertig mit der Geschichte.
    Es fehlen nur noch ein paar Kleinigkeiten und dann gibts
    Nachschub ... :)



    *erdbeertee schlürf und vorm TV gemütlich mach*

    Zwielicht
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    Trenne dich nie von deinen Träumen. Wenn sie verschwunden sind wirst du weiter existieren, doch aufgehört haben zu leben.

  • und hier ist der Nachschub ... dank neuer Musik konnte ich endlich weiter schreiben


    Ankunft …
    Man hatte meine Schwester in das Zimmer direkt neben meines gelegt, welches durch eine Verbindungstür miteinander verbunden war. Auf meine Wunsch hin wurde die Tür aufgelassen, das Aisha wenn sie aufwachte sofort wusste, dass ich bei ihr war. Sie jederzeit zu mir kommen konnte. Die lange Fahrt und die vergangenen Ereignisse hatten sie erschöpft. Beharrlich hatte sie sich aber geweigert sich auszuruhen. Also tat ich was nötig war und zwang sie sachte dazu zu schlafen, sich auszuruhen. Nun ruhte mein Geist an ihrem Bett. Liebevoll strich ich ihr durch die Haare, berührte ihr Gesicht. War einfach nur für sie da. Doch sie sollte ruhig noch etwas schlafen.
    Das sollte ich eigentlich auch. Meinem Geist Ruhe gönnen. Doch die neue Umgebung und zu viele verwirrte Gedanken hielten mich davon ab.
    Wie hatten mir meine Eltern das antun wollen? Ja sie hatten Angst vor mir. Aber dass sie zu soweit gehen würden? Das hätte ich ihnen nicht zugetraut. Oder doch? Hatte ich es vielleicht einfach nicht wahrhaben wollen? Es verdrängt? Mit einem ungutem Gefühl wandte ich den Blick von meiner Schwester ab und trat an die riesige Wand aus Glas, die einen herrlichen Blick in einen traumhaft angelegten Garten ermöglichte. So wild die vielen Blumen auf den ersten Blick auch zu wachsen schienen, waren sie doch mit äußerster Sorgfalt gepflanzt worden. Sogar einen Teich gab es. Dazu eine Brücke und Bänke und Fische schwammen darin. Ein wunderschöner Garten, der zum verweilen einlud.
    Ich stand einfach nur da. Mein Blick war zwar in diesen wunderschönen Garten gerichtet, doch einen klaren Gedanken fassen konnte ich nicht. Also versuchte ich an gar nichts zu denken. Lies einfach den Blick schweifen und war für meine Schwester da, sollte sie mich brauchen. Irgendwann siegte dann doch die Müdigkeit und ich kehrte in meinen Körper zurück. Gönnte ihm die so dringend benötigte Ruhepause.



    Schrecklich ...
    Ich kann nicht Atmen! Irgendetwas schnürt mir die Kehle ab. Ich atme tief ein, versuche Sauerstoff in meine Lunge zu bekommen. Es klappt nicht. Was passiert mit mir? Meine Kehle!
    Es fühlt sich an als würde etwas Dickflüssiges hinab rinnen. Es breitet sich aus, langsam aber stetig. Warum kann ich nicht atmen? Hilfe!
    Es ist ein widerlicher Geschmack. Er breitet sich auf meiner Zunge aus. Ich muss würgen. Was ist das für ein Geschmack? Ich kenne ihn nicht, weiß nur, dass er gefährlich ist. Woher? Instinkt! Es verätzt meine Lunge, fließt langsam durch meinen Körper, meine Arme. Es brennt. Hätte ich eine Farbe um es zu beschreiben würde ich sie pechschwarz nennen. So schwarz wie das Böse. Es nähert sich meinem Herzen, verstopft die Gefäße. Verhindert, dass sich das Blut gleichmäßig weiter verteilen kann. Mir ist schlecht!

    Bilde ich es mir nur ein oder dreht sich alles?

    Wo ist oben, wo unten?
    Liege ich überhaupt noch?
    Wo bin ich? Ich kann nichts sehen. Dieses Etwas, es nimmt mir die Sicht. Verhindert, dass ich etwas, irgendetwas wahrnehmen kann. Nein! Das kann doch nicht sein. Alles ist schwarz. Ich sehe nichts mehr. Was ist das? Mein Körper kann sich dagegen nicht wehren, ist zu schwach. Verzweifelt versuche ich Luft zu bekommen. Es klappt immer noch nicht. Warum? Mein Körper erzittert.
    Ist das Sophia die nach mir ruft? Ich verstehe sie so schlecht. Versuche mich auf ihre Stimme zu konzentriert, doch es klappt nicht. Am liebsten würde ich schreien. Schreien und mich übergeben. Ich spüre wie dieses Etwas aus meinen Ohren läuft. Angst! Solche Angst. Ich höre immer weniger. Ja,ich bin sicher Sophia ruft nach mir und meine Schwester.
    Nein! Ich höre nichts mehr. Bin alleine. Einsam. Es ist Dunkel. Ich ersticke. Keine Luft.
    Mein Körper hört auf sich zu wehren. Ergibt sich und ich habe keine Wahl, ich lasse los.

    Ich verlasse meinen Körper. Schwebe frei und werde aus dem Haus, der Umgebung gezogen. Immer weiter, immer schneller. Und als der Sog schwächer wird, schließlich zum Stillstand kommt, dringen auch langsam wieder Geräusche an mein Ohr. Wellen, das Kreischen der Vögel und vor allem dieser ekelhafte Geruch. Schon alleine die Geräusche lassen mir die Haare zu berge stehen. Es muss schrecklich sein, was auch immer passiert ist. Ich habe Angst die Augen zu öffnen. Angst davor was ich sehen werde. Doch der Schmerz ist da und die Augen davor zu verschließen hielt nicht. Also öffne ich sie und blicke auf … ja, auf was?
    Ich sehe das Meer auf dem sich ein schwarzer Teppich ausbreitet. Der Strand voll von diesem Zeug, Tiere die darin gefangen sind. Ein umgekipptes Schiff, aus dem diese Flüssigkeit läuft. Unaufhaltsam.
    ÖL! Ein Ölteppich breitet sich aus. Unaufhaltsam rinnt es ins Meer. Beschmutzt es.
    So sehr es mich schmerzt, kann ich den Blick doch nicht davon abwenden.


    Solcher Schmerz. Ich würde so gerne weinen. Wie lange schaue ich schon darauf? Mittlerweile sind Hilfsschiffe eingetroffen. Sie errichten eine Sperre, versuchen die Katastrophe einzudämmen. Ich schüttel den Kopf. Denn so sehr sie sich auf bemühen den Schaden einzugrenzen, er ist bereits entstanden und kann nicht Rückgängig gemacht werden. Unaufhaltsam sickert er in die Tiefe, verseucht die Fische, die Meeresbewohner. Am schlimmsten sind die Tiere betroffen, die regelmäßig an die Oberfläche müssen. Weitere Schiffe kommen, wollen den Ölteppich mit Chemikalien aufhalten. Nein! Das dürfen sie nicht. Dadurch machen sie alles nur noch schlimmer. Auch diese Chemikalien werden unausweichlich im Ökosystem landen. Wie schrecklich!
    Sie schütten die Chemikalien ins Meer. Meine Haut fängt an zu brennen, am liebsten würde ich sie mir von den Knochen reißen. Es ist schlimmer als vorher. Die Menschen machen es nur noch schlimmer.

    Ich wende den Blick ab und sehe die Seevögel. Kreischend liegen sie am Strand. Ihr ganzes Gefieder ist verklebt. Sie können nicht mehr fliegen. Das macht mich noch trauriger. Geht das überhaupt? Bei so viel Leid? Sie versuchen ihr Gefieder zu putzen, wollen wieder frei sein. Ihre Schnäbel nehmen das Öl auf. Ich spüre wie es sich in ihnen ausbreitet. Sie frieren, vergiften sich selbst und werden daran ersticken.
    Ich möchte weinen. Bitte!
    Ich nähere mich ihnen. Da, ein Babyvogel. Es hat keine Chance zu überleben. Dafür ist es noch nicht stark genug. Lasse mich neben ihn sinken, versuche den Gestank zu ignorieren. Behutsam lege ich meine Hände um ihn. Höre sein ängstliches Herz pochen. Streiche durch seine Federn. Es scheint ihn etwas zu beruhigen. Sein gefippse hört auf. Er wird ruhiger, vertraut mir.
    Weiß, dass er nicht alleine ist und dass seine Schreie, seine Schmerzen nicht um sonst waren. Ich höre, sehe und fühle es. Seine und die Schmerzen der anderen. So viel Leid und ich kann nichts dagegen machen.



    Sophias Lied …
    Plötzlich höre ich eine bekannte Melodie. Erst leise, so als würde ich es mir nur einbilden, doch es wird lauter. Kommt näher. Ich kenne diese Melodie und ich kenne das Instrument auf dem es gespielt wird. Eine Violine. Sophia! Sie tauchte neben mir auf, ohne ihr Spiel zu unterbrechen.
    Für einen Moment begegnen sich unsere Blicke. In ihnen spiegeln sich auch Trauer, Leid und Schmerz. Kaum merklich nicke ich. Ich bin nicht alleine. Sie schließt die Augen und spielt weiter. Spielt für die Tiere. Spielt den Schmerz und die Trauer. Es beruhigt mich. Langsam kann ich wieder freier Atmen. Mein Körper beruhigt sich. Lässt sich trösten und lauscht der Melodie.
    Die Tiere werden ruhiger und dann für ein paar Sekunden verstummen die Tiere, alle. Es ist still. Nicht einmal der Wind rührt sich. Auch das Meeresrauschen verstummt. Ein winziges Lächeln huscht mir übers Gesicht. Sie alle haben es gehört. Das Lied. Sophias Lied.
    Es hat uns alle berührt und nun wissen sie, dass sie nicht alleine sind.
    Noch einmal spielt Sophia die letzte Strophe, dann verstummt sie. Und ich sehe eines der schönsten Geschenke an diesem so grässlichen Tag, dass sie mir machen kann: Sie weint.
    Weint die Tränen, die ich nicht vergießen kann. Ein lautloses Danke kommt mir über die Lippen. Sie neigt den Kopf und plötzlich verschwimmt alles. Als ich wieder klar sehen kann, bin ich zurück im Anwesen. Meine Schwester sitzt auf dem Bett neben mir, hält meine Hand auch wenn ihr Blick auf den Fernseher gerichtet ist, indem gerade von der Ölkatastrophe berichtet wird. Sie weint. Trauert mit mir.
    Und auch Daniel ist da. Den Blick abgewandt und doch weiß ich, dass auch er unglücklich ist. Alle die mir etwas bedeuten und sind hier, bei mir und weinen für mich. Weinen meine und ihre Tränen.



    Unaufhaltsam ….
    „Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Es ist nur ein Schulausflug. Am Abend bin ich wieder zurück,“ versuchte Aisha es erneut. Ich wollte nicht dass sie diesen Ausflug mitmachte. Nicht nur weil ich besorgt war. Sondern weil es ihr erstes öffentliches Auftreten nach dem Tod unserer Eltern war. Es wurde zwar viel spekuliert, aber schließlich nachdem die Ermittlungen ins Leere gelaufen waren, hatte man den Fall als ungelöst zu den Akten gelegt. Dies alles hatte ich Sophias Familie und ihrem Einfluss zu verdanken. Auch hatten sie sich ohne großes Aufsehen zu erregen um die Angelegenheit wegen dem Sorgerecht gekümmert. Wie sie das angestellt hatten wollte ich gar nicht wissen. Ich war ihnen einfach nur dankbar.
    Zur Schule war Aisha zwar schon länger wieder gegangen. Doch immer wurde sie gefahren und wieder abgeholt. Doch nun wollte sie unbedingt an diesem Ausflug teilnehmen. Mir gefiel das ganz und gar nicht und das wusste sie auch. Aber ich konnte und wollte sie auch nicht einsperren. Also gab ich schließlich nach und wurde mit einer liebevollen Umarmung belohnt. Sie drückte mir noch einen Kuss auf die Wange dann verschwand sie auch schon in ihr Zimmer. Wahrscheinlich um ihre Freundinnen anzurufen um ihnen zu sagen, dass sie mitkam.


    Als Aisha sich am Morgen von mir verabschiedete, verbarg ich meine Sorge. Verbarg sie sorgfältig vor ihr. Kaum hatte sie das Haus verlassen, bat ich Daniel meine Schwester im Auge zu behalten. Normalerweise machte ich so etwas nicht aber das ungute Gefühl der letzten Tage wollte einfach nicht verschwinden. Auch Daniel versicherte mir dass ich mir keine Sorgen zu machen brauchte, tat aber worum ich ihn bat und verließ kurz darauf ebenfalls das Haus.


    Ein Kribbeln durchfuhr meinen Körper. Zu Anfang nahm ich es kaum war, doch im Laufe der letzten Stunde wurde es zunehmends schlimmer. Die Geräte an die ich angeschlossen war, lösten Alarm aus. Sie waren so eingestellt, dass sie auf die kleinste Veränderung meines Körpers reagierten. Keine Minute später war die Ärztin da. Am Ohr hatte sie schon ihr Handy um Sophia zu benachrichtigen, da diese heute nicht im Hause war. Doch sie hatte die Veränderung bereits bemerkt. Sofort spürte ich ihre Präsenz. „Was ist los?“ Sie klang besorgt. „Die Erde ist in Bewegung. Ich weiß nicht was los ist, aber mein Körper reagiert darauf und,“ Meine Gedanken schweiften ab. Richteten sich auf ein anderes Ereignis. Mir läuft es kalt den Rücken hinunter. Ich habe Angst. Die Erde ist aufgewühlt. Ein Erdbeben kündigte sich an. Unaufhaltsam rückte es näher.
    So nahe, es kam immer näher. Und brachte Zerstörung und Vernichtung mit.
    Aber nicht da! Nicht an diesem Ort. Meine Schwester ist dort. Nein, das kann nicht wahr sein. Ich rufe nach ihr. Versuche sie zu warnen. Doch ich erreiche ihren Geist nicht. Zum ersten Mal kann ich sie nicht erreichen. Warum? Ich bin entsetzt und starr vor Angst. Ich will bei ihr sein. Will sie beschützen. Sie ist doch meine kleine Schwester.
    Nein. Ich schreie. Innerlich schreie ich. Rufe nach ihr. Versuche verzweifelt ihren Geist zu erreichen. Vergeblich. Ich sehe sie zwar, kann sie beobachten, verschwommen, doch sie hört mich nicht. Ich werde fortgezogen. Weg von meiner Schwester. Ich strecke die Hände nach ihr aus. Versuche sie zu halten – ihren Geist, aber eine undurchdringliche, unsichtbare Wand hindert mich daran. Nein. Ich will bei ihr bleiben. Aisha.
    Ich verlor sie. Wurde von ihr weggezogen. Alles verschwamm vor meinen Augen. Nur noch ein Meer aus Farbe umgab mich. Immer weiter zog es mich weg. Und schließlich war ich zurück in dem Zimmer in Sophias Haus. Sophia ist da. Sie redete auf mich ein. Versuchte mich zu beruhigen. Doch ich hörte sie nicht. Konnte mich nicht konzentrieren.
    Mein Körper zitterte. Sophia und die Ärztin hielten mich fest. Wollten verhindern dass ich vom Bett fiel.



    Gaia ...
    Mein Körper zeigte eine Reaktion. Aber warum jetzt? Nur weg des Erdbebens? Oder gab es einen anderen Grund? Wieder schweiften meine Gedanken ab. Ich schaute meinen zuckenden Körper fasziniert zu. Wie seltsam. Obwohl er zuckte, spürte ich nichts. Weder das weiche Bett in dem ich lag, noch die Decke die meinen Körper wärmte. Nichts von alldem spürte ich . Und trotzdem bewegte sich mein Körper.
    Wie seltsam dass ich auf einmal meinen zuckenden Körper interessanter fand als mir Gedanken um meine Schwester zu machen. Warum drängte ich sie in den Hintergrund? Mein Körper bäumte sich auf. Als ob er versuchte sich gegen unsichtbare Fesseln zu wehren. Und ich wusste es ist da. Das Erdbeben.
    Auch Sophia spürte es. Sie erstarrte und ihr Blick wurde leer. So als starrte sie in die Ferne. Weit weg, an einen anderen Ort. Sie konnte es nicht sehen. Aber sie fühlte es. Den Schmerz. Und genauso wie ich war auch sie unfähig der Erde zu helfen.
    Die Erde schreit. Will erhört werden und schickt ihren Schmerz in Form eines Erdbebens hinaus.
    Es half nicht. Nicht auf Dauer. Aber für einen Moment verschaffte sie sich Linderung. Lange hielt es nicht. Der Schmerz kam wieder. Er verschwand nicht, nicht ganz. Und mit jeder Minute die verging wurde es wieder schlimmer. Wie lange hielt die Erde das noch aus? Wie lange ich? Diese Last zu tragen wurde immer schlimmer. Immer enger zieht sie sich. Wie eine unsichtbare Schlinge. Nimmt mir die Luft zum Atmen.

    Etwas zerbrach. Etwas in meinem innersten löste sich. Was es war wusste ich nicht. Konnte es bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht benennen, doch nun da es weg war, reagierte mein Körper. Er bäumte sich auf. Bewegte sich und ich schlug die Augen auf. Schaute durch meine Augen und blickte in das Gesicht von Sophia. Sie war besorgt und versuchte beruhigend auf mich einzureden, doch sobald ich die Augen geöffnet hatte und wir uns sahen wurde sie ganz ruhig und flüsterte ein einziges Wort. So leise, dass ich es kaum zu verstehen mochte. Und doch hatte sie es gesagt, es ausgesprochen. Ein Wort, dass mich bis in mein innerstes berührte und mir Tränen über die Wange liefen. Sie hatte es ausgesprochen und ich wusste dass es die Wahrheit war. Sie hatte mir nicht nur einen Namen gegeben. Sie hatte mich bei meinem waren Namen genannt. Gaia, das ist mein Name.

    Ich wollte ihr antworten, doch in diesem Moment zog sich erneut dieses etwas in mir zusammen. Als würde sich wieder zusammenfügen was zerbrochen war, nur mit rissen, die sich niemals wieder reparieren lassen würden und ich verstummte.
    Doch durch meinen Geist, der neben Sophia stand sah ich meine eigenen Augen. Sie waren nicht braun oder blau, hatten keine normale Farbe. Meine Augen spiegelten die Erde wieder. Meine Augen sahen aus wie die Erde, sie waren die Erde.


    Ein paar Stunden später, die Sonne war noch nicht ganz unter gegangen, kehrte Daniel zurück. Erst in diesem Moment fiel mir meine Schwester ein. Wie hatte ich sie nur so lange zeit vergessen können? Ich blickte zur Tür und Daniel trug meine Schwester herein. Meine bewusstlose Schwester sollte ich wohl besser sagen. Was ist passiert? Wie geht es ihr? Ich hatte so viele Fragen, und wusste nicht welche ich zuerst stellen sollte. Daniel brachte sie in ihr Zimmer und deckte sie sorgfältig zu eher er wieder in mein Zimmer kam und leise die Tür schloss.
    „Ihr geht es wieder besser. Aber bitte lasst mich Euch erst betrachten. Dann werde ich alles erzählen.“ Daniel trat zu mir ans Bett und blickte in meine Augen. Auch er flüsterte meinen Namen. Seine Hand strich mir über die Wange, schon eine Haarsträhne hinter mein Ohr und betrachtete mich einfach. Unsere Blicke trafen sich. Ich sah ihn durch meine Augen und es war wunderbar. Ihr seid wunderschön. Diese Worte waren nur für mich bestimmt und ich lächelte.
    Er erzählte von dem Erdbeben und davon wie meine Schwester und ihre Klassenkameraden in dem Gebäude eingeschlossen waren als es anfing zusammenzubrechen. Meine Schwester wurde fast von einer einstürzenden Wand erschlagen, nur das schnelle eingreifen von Daniel hatte schlimmeres verhindert. Sie hatte Schmerzen gehabt, hatte diese immer noch, und kurzzeitig das Bewusstsein verloren. Doch er hatte sie sicher aus dem Gebäude und zu mir zurück gebracht. Und dann erzählte er mir noch etwas, etwas das unmöglich sein sein konnte. Daniel hatte genau gespürt wie mein Körper reagiert hatte. Hatte auch gewusst wann genau ich die Augen geöffnet hatte. In dem Moment, in dem meine Schwester vor Schmerz ohnmächtig geworden war.


    Unmöglich …
    Unmöglich! Wie konnte das Schicksal nur so grausam sein? Ich hatte mich damit abgefunden. Akzeptiert, dass ich anders war, aber sie? Warum? Ich kann es nicht glauben. Doch, ich wusste es! Vielleicht nicht bewusst aber der Gedanke war da. Wahrscheinlich schon immer. Nur wollte ich es nicht wahr haben. Ich will es nicht glauben! Es ist ein Schmerz, der tiefer geht als jede offene Wunde. Viel tiefer, als ich es mir eingestehen will. Noch nicht. Noch bin ich nicht bereit dazu. Aber für wie lange kann ich es verdrängen? Die Zeit nimmt keine Rücksicht und das Schicksal wird sich irgendwann holen was ihm bestimmt ist.
    Sophia, die die ganze Zeit schweigend an meinem Bett gesessen hatte erhebt sich und tritt ans Fenster. Der Himmel hatte seine Schleusen geöffnet und lies das kühle Nass auf die Erde nieder.
    Sie weiß, dass ich den Regen liebe und öffnet die Fenster. Kühle Luft strömt herein und lässt die Temperatur sinken. Es tut gut, beruhigt mich aber nicht.
    Ich glaube nicht, dass sie es wusste. Sie war genauso geschockt wie ich. Doch sie hatte sich schneller wieder gefangen. Wusste, dass ich noch nicht bereit war darüber zu reden. Und sie hatte lange geschwiegen. Jetzt jedoch wagte sie einen neuen Versuch, brach aber ab, ohne auch nur ein Wort zu sagen. Wahrscheinlich wusste sie selbst nicht so genau wie sie das Thema ansprechen sollte. Zum ersten mal, erlebte ich sie sprachlos. Mit betrübten Blick schaute sie aus dem Fenster. Die Stille zog sich weiter, endlos wie es schien.
    Schließlich ertrug ich es nicht länger und bat sie zu gehen. Ich wollte alleine sein. Auch ihre Musik würde mir nicht helfen. Nicht dieses mal.
    So viele verwirrende Gedanken. Wie ein Knäuel der sich immer mehr verknotet, je mehr man versucht es zu entwirren. Mein Blick fiel auf das offene Fenster, hinaus in den Regen. Wie gerne würde ich ihn auf meiner Haut spüren. Vielleicht könnte er meine Gedanken fort wischen.
    Eine männliche Präsenz steht vor der Tür. Ich spürte die Trauer und Besorgnis. Still stand/er da. Ohne Worte spendete er mir Trost und gab mir Sicherheit. Sachte berührte ich seinen Geist und bat ihn zu mir. Lieber hatte ich ihn um mich, als das ´s er einsam vor der Tür stand. Viel zu lange war er das. Nicht so wie ich, schließlich war er früher beim Militär gewesen. Aber das ist seine Geschichte, sein früheres Leben. Vielleicht wird er nie darüber reden, aber das ist okay. Vielleicht irgendwann – wenn er soweit ist oder erst in einem anderem Leben. Wenn er so weit ist, wird er sich öffnen.
    Ohne zu zögern trat er ein und schloss genauso leise wie er sich bewegte die Tür.


    Regen …
    Eine geraume Zeit stand er genauso still da wie Sophia, nur lehnte er an der Tür, als wolle er alles schlechte von hier fernhalten. Aber schließlich trat er zu mir ans Bett und unsere Blicke trafen sich. Seine Kiefermuskeln zuckten, dann machte er sich daran mich von den Geräten zu befreien, an die ich angeschlossen war. Sofort schlugen diese Alarm. Mit einem leisen fluchen zog er einfach den Stecker und brachte die Geräte damit zum schweigen. „Was machst du da?“ Ich war eher verwirrt als entsetzt, denn ich vertraute ihm bedingungslos. Und niemals würde er mir Schaden zufügen.
    „Ich erfülle dir deinen Wunsch.“ Kaum ausgesprochen wurde auch schon die Tür aufgerissen und Sophia kam herein gerannt. Sorge stand ihr groß ins Gesicht geschrieben. Sie beobachtete wie Daniel mich auf den Arm nahm, eine Hand lag auf meinem Rücken die andere unter den Knien. Sachte drückte er mich an sich. Sophia wollte etwas sagen, doch Daniel kam ihr zuvor: „Ganz ruhig. Alles okay.“ Er trug mich an ihr vorbei die Treppe hinunter und durch das großzügige offene Wohnzimmer hinaus in den Garten. Sophia folgte ihm. Und auch die Ärztin, meine neue. Sie kümmerte sich um alles, hielt sich aber doch im Hintergrund und gab mir das Gefühl mehr zu sein als nur eine Last. Ich mochte sie. Auf jedenfall lieber als den anderen Arzt – ehemaligen Arzt. Aber darüber wollte ich nicht weiter nachdenken. Und so verdrängte ich den Gedanken schnell wieder. Stattdessen konzentrierte ich mich wieder auf das hier. Daniel blieb in der Nähe mit einer Wand aus Efeuranken stehen, aber unter freiem Himmel. Direkt in den kühlen Regen. Er prasselte auf mich nieder und es war wunderbar. Zwar war es ungewohnt, doch auf eine wunderbare weise. Mehr bitte!


    Tief holte ich Luft, genoss es und dann öffnete ich meine Augen erneut und schaute in den grauen Himmel. Sah wie die Regenbogen herab fielen, mit meinen eigenen Augen. Herrlich! Aber zu mehr war ich nicht in der Lage. Weder konnte ich meinen Kopf bewegen, noch irgendetwas anderes. Damals, es war nur ein kurzer Moment als sich mein Körper bewegt hatte, jetzt war er so leblos wie vorher. Daniel blickte mir in die Augen, in meine ungewöhnlichen Augen und brauchte nicht mehr um zu erkennen, wie dankbar ich ihm war. Wie sehr ich das Gefühl der nassen Haus, wie Regen daran hinunter lief liebte, wussten sie beide. Daniel und Sophia. Denn nicht nur den Schmerz teilte ich mit ihnen, sondern auch die schönen und dieses liebte ich.


    Empfindungen ...
    Es fühlte sich so wunderbar an den Regen zu spüren. In unterschiedlichen Größen fielen sie vom Himmel. Einige schwerer andere leichter. Mein Geist lächelte und mein Körper genoss das kühle Nass. Die Ärztin machte sich sorgen das mein Körper nicht so lange von den Maschinen getrennt sein sollte. „Vielleicht wäre es besser jetzt wieder hinein zu gehen“, sprach die Ärztin leise, aber bestimmend. Nein. Bitte noch ein paar Minuten. Es ist so schön.
    „Sie möchte noch etwas bleiben,“ erklärte Daniel.
    „Aber wir wissen nicht was für Auswirkungen es haben könnte wenn sie noch länger von den Maschinen getrennt ist. Davon mal abgesehen ist ihr Immunsystem vielleicht nicht stark genug,“ beharrte die Ärztin. „Nein.“ Daniels Ton war endgültig. Und obwohl Sophia die gleichen Befürchtungen hegte, vertraute sie darauf dass ich wusste wie viel ich mir und meinem Körper zumuten konnte.
    Gierig zogen Pflanzen und Erde das Wasser in sich auf. Nahmen sich was sie brauchten und speicherten den Rest. Im Geiste wanderte ich durch den Garten. Berührte die nassen Blätter, wühlte mit den Händen in der Erde, fing einzelne Regentropen die an den Blütenblätter hingen und zu Boden zu fallen drohten. Die Pflanzen freuten sich, wenn ich sie berührte, heißen mich Willkommen. So gerne würde ich selbst über den Rasen laufen. Das kühle Nass an meinen Füßen spüren, die Kälte, die feuchte Erde...
    Plötzlich richtete Daniel mich auf. Drückte meinen Rücken gegen seinen Körper und ließ mich langsam hinunter gleiten, bis meine Füße den Boden berührten. Augenblicklich ging ein Ruck durch meinen Körper, als hätte die Erde nur darauf gewartet das mein Fleisch, mein Körper sie endlich berührte. Da wurde ich mit voller Wucht in meinen Körper zurückgeschleudert. Sofort verstärkte Daniel seinen Griff. Da wir alle drei im Geiste verbunden waren, spürten auch sie das Kribbeln, dass sich durch meinen ganzen Körper zog. Sophia trat neben mich und ergriff meine Hände.

    Zwielicht
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    Trenne dich nie von deinen Träumen. Wenn sie verschwunden sind wirst du weiter existieren, doch aufgehört haben zu leben.

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  • .....
    *... und jetzt nach endlich langer Zeit gibts das große Finale
    ich wünsche euch ganz viel Spaß beim lesen*
    @ Moody: danke für die Erinnerung xd



    Efeuranken ...
    Es war einfach unglaublich. So viele Empfindungen stürzten auf mich ein. Ja, ich fühlte schon die ganze Zeit durch meinen Geist, doch plötzlich war es als würde mein Körper neu zum Leben erwachen. Er fing an zu pulsieren. Alles was ich bis jetzt gespürt, gehört hatte … es wurde alles viel intensiver. Der Boden um uns herum fing leicht an zu beben. Blumen, die eigentlich noch gar nicht blühen sollten sprossen aus der Erde und öffneten ihre Köpfchen. Und an der Stelle wo meine Füße den Boden berührten fing das Gras an zu blühen. So ein schönes, intensives Grün.
    Die Efeuranken lösten sich von ihrem Gitter und krochen über den Boden auf uns zu. Es kitzelte angenehm als sie sich über meine Füße und Knöchel nach oben wanden. Es war angenehm und Angst hatte ich keine. Warum auch. Alles hier hieß mich Willkommen, freute sich dass ich endlich da war. Sophia und Daniel waren genauso erstaunt. Nur die Ärztin wich ängstlich ein paar Schritte zurück. Doch keiner von uns schenkte ihr Beachtung.
    Als das Efeu sich bis um meine Taille geschlungen hatte, bat ich Daniel mich loszulassen. Erst lockerte er nur seinen Griff, weil keiner wusste ob das Efeu mich halten würde. Aber es hielt meinen Körper mühelos und so legte er seine Hände auf meinem Rücken. Keiner von beiden ließ mich los. Ich konnte mich vielleicht nicht von selbst bewegen, weder Arme noch Beine und doch stand ich hier. Im Garten und war glücklich. So unsagbar Glücklich, dass es sich auch auf meine Schwester übertrug, die im Haus, in ihrem Bett lag.
    So ein wunderbares, schönes Gefühl. Die Erde freute sich. Lachte. Und ich tat es ihr gleich. So glücklich, so froh, ich glaubte nicht dass ich dass schon einmal war.



    Pulsieren …
    Immer höher schlängelten sich die Ranken, bis sie mich schließlich vollständig umschlossen hatten. Da weder Daniel noch Sophia mich los ließen wurden auch sie von den Ranken umschlossen. Und dann waren wir drei auch schon von Dunkelheit umgeben. Doch wirklich dunkel war es nicht. Wir waren ja verbunden und würden es auch immer bleiben. In dieser Finsternis leuchteten drei Sterne. Anders kann ich es nicht beschreiben. So wunder schön und jeder in einer anderen Farbe.Sophias in einem blau, Daniel weiß mit einem hauch von grau und meiner selbst spiegelte sich in den Farben der Erde. Sie waren bei mir, alle beide, und doch auch wieder nicht. Wo immer dieser Ort auch war, er rief nach mir. In diesen einem Moment spielte Zeit keine Rolle.
    Wichtig ist nur, dass ich hier bin.
    Da! Unter mit bildet sich eine dicke, rote Linie. Sie pulsiert. Wie ein eigener Herzschlag. Aus dieser Linie wachsen im rasantem Tempo viele kleine Linien. Immer weiter spannt sie sich. Und jede einzelne von ihnen, mag sie auch noch so groß oder klein sein, pulsiert.
    Nein. Es sind nicht einfach nur Linien. Es sind Adern, Lebensenergie. Unglaublich. Ich weiß nicht was ich sagen soll. Immer weiter breiten sie sich aus. Als ob es keine Ende für sie gäbe. Schließlich bin auch ich von ihnen umgeben, vollständig. Zaghaft berührt mich eine Ader. Es fühlt sich warm und voller Leben an. Dann werden es immer mehr. Überall berühren sie mich. Es wird immer wärmer, heißer, bis ich es kaum noch aushalten kann. Mein Herz fängt an schneller zu schlagen. Und dann durchfährt mich ein solcher Schmerz, dass ich nicht anders kann als zu schreien. Es ist mein Schmerz und doch auch wieder nicht. Die Adern pulsieren weiter in einem ruhigen, gleichmäßigem Rhythmus. Nur sehr langsam fange ich an mich zu entspannen, nachdem der Schmerz schwächer wird, aber nicht vollständig verschwindet.
    Ich kenne nur einen anderen Schmerz, der genauso machtvoll ist, der mich jetzt schon so lange begleitet: die Erde.
    Aber natürlich. Es sind nicht einfach nur Adern. Es sind ihre Adern. Ihre Lebensenergie. Ich lasse mich fallen öffne mich ihr ganz, mit Geist und Körper. Gebe ihr alles von mir und nehme alles von ihr auf, was sie mir gibt. Es ist ungewohnt und auch dieses Gefühl kann ich nicht beschreiben, doch je länger ich hier bin umso besser fühle ich mich.



    Sternenmeer …
    Die Hitze verschwindet und macht einer wolligen Wärme platz. Ich kenne dieses Gefühl. Habe es schön einmal erlebt. Vor sehr sehr langer Zeit. Dieses vertraute, warme Gefühl der Geborgenheit und beschützt zu werden. Im Mutterleib.
    Mein Herzschlag hat sich wieder beruhigt. Schlägt jetzt wieder gleichmäßig und im Einklang mit der Erde. Zwei Wesen die selbstständig Atmen und doch untrennbar miteinander verbunden sind. Zwei Wesen und doch ein Herzschlag, ein gemeinsames Herz.
    Ich öffne die Augen wieder und da ist keine Finsternis mehr. Nur ein Meer von Sternen. So viele Sterne, unmöglich sie alle zu zählen. Manche leuchten stärker, andere schwächer. Jeder einzelne von ihnen ist mit Leben gefüllt, ist das Leben. Die Lebensenergie eines jeden Lebewesens auf diesem Planeten. Von dem kleinsten Tier hin bis zum Menschen. Alle sind sie hier, vereint bei Mutter Erde. Da ist Aisha. Ihren Stern erkenne ich sofort. Sachte umschließe ich ihn mit meinen Händen und hauche einen Kuss hinein. Sie lacht, erkennt mich und freut sich. Aber nicht nur das Gute sehen ich hier, auch das Schlechte. Ich müsste es nur berühren und ein einziger Gedanke reicht um zu zerstören.
    Was für ein erschreckender Gedanke so viel Macht zu haben. Doch die Zeit, diese Macht vielleicht einzusetzen ist noch nicht gekommen. Noch leuchten die Sterne weiter.
    Sophia. Daniel. Sie rufen mich. Es wird Zeit zu ihnen zurück zu kehren.


    Die Efeuranken zogen sich langsam zurück. Gaben uns drei wieder frei und Daniel hielt mich wieder in den Armen. „Vielleicht sollten wir jetzt nach drinnen gehen. Nicht dass du ich noch erkältest,“ witzelte er. Auch ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen. Als ob ich krank werden würde. Wir drei wussten es besser.
    Sie brachten mich wieder ins Haus, doch nicht zurück in meine Zimmer und zu diesen ganzen Maschinen. An diese Geräte musste ich nicht länger angeschlossen sein. Würde es nie mehr sein. Ich brauchte sie nicht länger. Im Wintergarten, der ausschließlich aus Glas bestand, hatte man einen wunderbaren Blick in den Garten, setzten sie mich auf ein riesiges Sofa. Die Sterne, die Millionen von Menschen, von allen Lebewesen waren, hatten sie zwar nicht gesehen, aber sie hatten gespürt das sich etwas verändert hatte. Unser drei Herzen schlugen im gleichen Rhythmus, im Einklang mit diesem Planeten.



    Regenwald ...
    Das gezwitschert Vögel das ich hörte, kam nicht aus dem Garten. Es kam von sehr weit und es erreichte mich nur als leises Echo. Sofort schickte ich meinen Geist los. Machte mich auf die Suche nach dem Ruf der Vögel. Und ich fand ihn. An einem einzigartigen Ort. Einem Ort, der an alter und Leben mit keinem zu vergleichen war. Dem Regenwald. Von oben betrachtet sah er aus wie ein riesiger grüner Ozean, so unendlich weit. Ich stand zwischen den Bäumen und schaute nach oben, versuchte den Himmel zu erkennen. Vergeblich. Es war alles so grün, alles war voll mit leben. Jeder einzelne Platz wurde ausgenutzt. Die Bäume waren größer als jedes Haus, bis weiter über die zehn Meter waren sie in die Höhe gewachsen, immer dem Sonnenlicht entgegen. Es herrschte eine schwüle aber keines falls unangenehme Luftfeuchtigkeit. Es war alles so belebt und bunt. Und keinesfalls still. Alles strotzte nur so von Leben. Hier konnte ich es wie an keinem Ort sonst nicht nur fühlen, sondern auch sehen. Blumen, die keinen Platz auf dem Boden fanden, hatten sich einfach an die Wurzeln und Äste der Bäume gewöhnt und sich dort ihren Lebensraum erschaffen, ohne jedoch Schaden anzurichten. Ihre Köpfchen waren wie dafür geschaffen das Wasser aufzufangen. Schillernd bunte Schmetterlinge schwirrten durch die Luft. Ich streckte die Hand aus und sie spürten mich. Ob sie mich auch sahen? Sie flogen um mich herum, hüllten mich ein in ihrer bunte Farbenvielfalt. So wunderschön. Ich hörte die Affen kreischen und ganz viele andere Tiere. So viele Lebewesen, unmöglich sie alle zu bestimmen. Sie alle zuzuordnen. Doch das spielt keine Rolle. Hier haben sie sich alle ihre Lebensraum geschaffen. Ich lief zwischen den Stämmen hindurch. Wusste nicht wohin ich zu erst schauen sollte. So viel gab es hier zu entdecken. Dieses pulsierende Leben, es floss auch durch meine Adern und es war herrlich. Ich öffnete mich so weit es mir möglich war, versuchte so viel nur ging in mich aufzunehmen. Denn dies war ein Ort, den ich unbedingt auch meiner Schwester zeigen wollte. Sie würde sich bestimmt freuen. Ich nahm mir vor sie später zu besuchen und ihr alles zu zeigen.
    Plötzlich wurde mir schlecht und ich musste mich an einen Baum festhalten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Woher? Mehr brachte ich nicht hervor. Und es war auch nicht nötig. Der Baum zeigte mir seine Erinnerungen. Seine Familie und Freunde alles was er in den letzten Jahren erlebt hatte. Und immer trauriger wurde die Erinnerungen. Die Menschen zerstörten systematisch diesen wunderbaren Ort. Fällten die Bäume mit ihren Bulldozern und wenn das nicht genügte setzten sie kontrolliertes Feuer ein. Nur um Platz für ihre Plantagen und die Landwirtschaft zu schaffen. Sie beuten nicht nur die Bodenschätze aus wie Öl, Gold und Eisenerz, nein sie zerstören auch den Lebensraum der Tiere. So eine große Artenvielfalt gibt es sonst nirgends auf diesem Planeten und mit jedem weiter Baum der fällt wird weiterer Lebensraum vernichtet. Für immer ausgelöscht. Wenn ich die Augen schließe und dieses wunderschöne Sternenmeer vor mir sehe, sehe ich auch die Sterne, die erlischen. Sie leuchten hell und sind so voller Leben und nur durch das eingreifen der Menschen in die Natur sterben sie. Das ist so grausam. Warum sehen die Menschen nicht was für ein Schaden sie anrichten? Sie trampeln alles nieder als ob sie machen könnten was sie wollen. Und was wird dagegen unternommen? Nicht viel. Das was die wenigen Menschen tun um doch, zumindest ein Teil des Regenwaldes zu erhalten, reicht einfach nicht aus. Es reicht nur nicht aus. Sie bemühen sich auch nicht wirklich. Denn würden sie das wirklich machen, hätten sie schon viel mehr erreichen können. Es tut mir so leid. Ich sank auf die Erde, schlang die Arme um meinen Körper und wog mich vor und zurück. Dabei wiederholte ich immer und immer wieder diese Worte. Es tut mir leid. Machtlos bin ich gefangen. Unfähig der Erde zu helfen. Ihren Schmerz zu lindern. Aber ich leide mit ihr und weine ihre Tränen.



    Spaziergang ...
    Ich wollte meine Schwester auf andere Gedanken bringen. Auch sie musste sich mal so richtig entspannen. Und so besuchte ich sie in der Nacht in ihrem Traum und machte ihr den Vorschlag ihr den Regenwald zu zeigen. Ich versuchte mich an alles zu erinnern was ich im Regenwald gesehen hatte. Die Tiere, Pflanzen, Gerüche, Geräusche, einfach alles versuchte ich in diese Traumwelt zu holen. Nur um meiner Schwester eine Freude zu bereiten. Ich wollte sie lachen sehen.
    Dies hier war mein Geburtstagsgeschenk an sie.
    Etwas anderes konnte ich ihr nicht schenken. Aber sie lächelte mich nur an und versicherte mir das sie sich schon freute, wenn ich einfach nur bei ihr war. Doch freute sie sich sehr über mein Geschenk. So viel liebe strahlte mir entgegen. Und ich gab ihr diese liebe zurück, so gut es mir in meinem Zustand machbar war. Wir verbrachten die ganze Nacht hier, bis es am Morgen zeit wurde aufzuwachen. Noch einmal bedanke sie sich bei mir und wir umarmten uns fest, dann wachte sie auf und ich kehrte in meinen Körper zurück.



    Atommüll ...
    Ein Kribbeln läuft durch meinen Körper. Es ist nicht angenehm, ganz im Gegenteil. Es fühlt sich an, als ob es nicht hierher gehört. Es sollte nicht hier sein. Es sollte nicht nur nicht hier sein, es ist überall und keiner scheint etwas zu ahnen. Doch was ist es? Was beunruhigte mich so sehr? Mich und die Tiere. Die Luft schien elektrisch geladen. Durch eine unsichtbare, nicht zu erahnende Kraft. Woher kam sie? Was war ihr Ursprung? Ich konnte mich nicht dagegen wäre. Musste der Sache auf den Grund gehen. Kurz streifte ich mit meinem Geist den von Daniel und Sophia, die ebenfalls bei mir im Wintergarten saßen und Tee tranken. Auch sie waren beunruhigt. Ich machte mich auf die Suche, ließ mich treiben und öffnete mich Mutter Erde. Sie wies mir den Weg und bald schon stand ich vor einem Zaun. Einem hohen Zaun, mit Maschendraht darauf, der unter Hochspannung stand. All dies um unerwünschte Besucher fernzuhalten. Und dann sah ich auch den Grund. Sah das Schild für Atommüll. Von hier kam also diese Kribbeln. Aber nicht nur von hier. Ich ging weiter, einfach durch den Zaun hindurch auf ein großes Tor zu, das mich tiefer in die Erde führte. Je tiefer ich ging umso unangenehmer wurde es. Hier wurde der Atommüll gelagert. Aber es war nur ein Zwischenlager. Ein Endlager hatten sie noch nicht gefunden. Würden es wahrscheinlich nie finden. Keiner will für das Endlager verantwortlich sein und doch nutzen sie sie diese gefährliche Energie. Immer mehr und mehr. Ein Ende scheint nicht in Sicht.
    Warum standen die Menschen nicht zu ihren Fehlern? Jeder schob die Verantwortung weiter. Weiter und immer weiter. So kann es doch nicht weiter gehen!
    Ich trat näher an die Behälter heran und je näher ich kam umso mehr schien die Luft an Elektrizität zuzunehmen. Wieso? Sollten die Behälter die Strahlung nicht einschließen? Verhindern das sie freigesetzt werden?
    Was war das? Ein winziger Lufthauch wehte mir entgegen. Kaum wahr zu nehmen, doch er war da. Hier unten, so weit unter der Erde sollte dies eigentlich unmöglich sein. Und dann sah ich es, den Grund und erstarrte vor Schreck. Einer der Behälter hatte ein Loch. So klein, dass es mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen war. Doch ich brauchte nicht zu sehen um zu wissen. Ich fühlte es. In der Erde, in der Luft. Wie lange strömte diese gefährliche Strahlung schon nach draußen? Spielte das überhaupt eine Rolle? Es war passiert und würde nicht so einfach aufzuhalten sein. Es suchte sich seinen Weg nach oben. Drang durch die Erde, jede noch so kleinste Ritze und kämpfte sich nach draußen an die Luft. Dort nahm der Wind die unsichtbare Gefahr mit und trug sie in alle Himmelsrichtungen davon. Ohne das die Menschen etwas ahnten, verteilte es sich auf der ganzen Welt. Sie setzten sich selbst ihrer eigens geschaffenen Gefahr aus.



    Zwecklos …
    Konnte man dies überhaupt noch aufhalten? Ich schloss die Augen. Und tat etwas, was ich noch nie vorher getan hatte. Ich suchte die Menschen, die Politiker die dafür verantwortlich waren auf. Ich wollte versuchen mit ihnen zu reden. Vielleicht gab es ja doch noch Hoffnung. Vielleicht hörten sie mir ja zu und würden etwas dagegen unternehmen.
    Ich besuchte sie in ihren Träumen. Zeigte ihnen das Ausmaß der Katastrophe und was sie bereits angerichtet hatte. Aber keiner hörte mir zu. Warum wollten sie es nicht wahr haben? Warum verschlossen sie die Augen davor? Sie hatten es verursacht. Warum unternahmen sie nichts dagegen?
    Ich wartete ein paar Tage. Versuchte es bei anderen Leuten, doch keiner hörte mir zu. Einige Lachten, fanden es sogar lustig. Das ist nicht Lustig!
    Da schnappte ich ein Teil einer Unterhaltung auf, die definitiv nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war. Diese Leute saßen an einem Tisch, in einem abgeschirmten Raum und Diskutierten über alles mögliche. Auch über die Kernenergie und wie man sie am besten voran trieb. Die große Mehrheit war dafür. Nur wenige widersprachen. Eine heftige Diskussion entstand, bei der es nicht nur bei leeren blieben. Einige gingen sogar aufeinander los. Drohungen über einen erneuten Krieg wurden ausgesprochen. Ein Krieg in dem sie nicht davor zurückschrecken wollten auch Atombomben einzusetzen. Ich war entsetzt. Konnte es nicht glauben. Doch sie meinten es ernst. Bitter ernst. Und keiner von ihnen wollte nachgeben. Jeder beharrte auf seinem Standpunkt. Und so wurden aus einst Verbündete Feinde und Kriegserklärungen wurden ausgesprochen.
    Jetzt bin ich wütend. Aber so richtig. Wie können sie nur? Am liebsten würde ich sie auf der Stelle töten. Kaum hatte ich dies gedacht, erlischen ihre Sterne auch schon. Ihre Körper sackten leblos in sich zusammen.
    Doch das war nur die Spitze des Eisberges. Sie waren nicht die einzigen, die über einen weiteren Weltkrieg nachdachten. So viele boshafte, machtgierige Gedanken. Und auch in den Nachrichten wurde bereits öffentlich darüber Diskutiert. Doch was brachten die Diskussionen, wenn keiner etwas dagegen unternahm? Und dann rutschte einem dieser Politiker genau das heraus, was niemals ans die Öffentlichkeit hätte gelangen sollen. Er erklärte seinen Nachbarländern den Krieg würde auch nicht davor zurück schrecken Atombomben einzusetzen.
    Meine Wut ist nicht mehr zu bändigen. Und meine Geduld hat ihre Grenze soeben erreicht. Was zuviel ist, ist zuviel.
    Das, lasse ich nicht zu!



    Es reicht …
    Es reicht! Wie können die Menschen nur so sorglos mit ihrer Umwelt umgehen? Sie leben doch hier. Hier auf diesem Planeten. Er bietet so viel schönes. So viel wunderbares das es zu bewahren gibt. Und doch zerstören sie ihre eigene Welt. Es ist so grausam. Wie lange hat die Erde gehofft dass ihre Kinder doch noch zur Vernunft kommen. Das sie mit der Erde leben. Dass es ein Zusammenspiel und ein leben miteinander gibt. Es ist zwecklos. Wir können hoffen so viel wir wollen. Wie soll etwas Gutes in den Menschen stecken wenn sie soweit gehen und sogar drohen Atomkraft einzusetzen, als Bombe. Nein, nein nein. Das darf so nicht weiter gehen. Auf gar keinen Fall. Es ist zwecklos. Ich kann nicht mehr an das Gute in den Menschen sehen. Vereinzelt ja, aber doch macht sich die Mehrheit keine Gedanken. Es ist ihnen egal. Vollkommen egal. Das ist unverzeihlich!
    Konnte ich am Anfang in die Köpfe der Menschen nur einzeln blicken. So sehe ich sie jetzt klar und deutlich vor mir, alle. Und das Ergebnis ist grausam. So grausam. Darüber kann ich, können wir nicht länger hinweg sehen. Ich will nicht länger untätig bleiben. Das Gute der Menschen reicht nicht aus um all das Schreckliche was sie ihrem Planeten angetan haben zu rechtfertigen. Darin sind wir uns alle einig.
    Sophia, das Wasser.
    Daniel, der Wind.
    Die Tiere und Pflanzen, alle Lebewesen.
    Und ich, Gaia, die Erde.
    Wir alle sind zu dem Urteil gelangt dass es nicht so weiter gehen kann.
    Das Urteil ist gefallen:


    Ich, Gaia, Mutter dieses Planetenwünsche mir eine Reform, eine Erneuerung.
    Alles soll zu seinem Ursprung zurück finden. Die verpestete Luft soll sich regenerieren.
    Pflanzen und Bäume sollen wieder blühen und gedeihe. Unberührt von den Menschen.
    Die Meere, Seen und Flüsse sollen sich erholen. Ihr Wasser soll wieder klar sein. So wie es zu Anbeginn der Zeit war. Und in diesem Wasser soll irgendwann neues Leben entstehen.
    Zuerst Tiere und mit der Zeit vielleicht auch wieder Menschen. Geboren auf einer neuen, einer besseren Welt. Ein Neuanfang. In dem sie hoffentlich lernen mit der Natur zu Leben und nicht gegen sie.



    Es tut mir leid, ich liebe dich …
    Das Urteil ist gefallen und die Zeit ist gekommen das ich erwache. Das ich mich bewegen kann, laufen und sprechen. Damit das Urteil vollstreckt werden kann. Ich muss erwachen.
    Die Zeit der Wahrheit ist nun gekommen. Länger kann ich das Schicksal nicht aufhalten. Nun wird es sich doch holen, was ihm schon die ganze Zeit bestimmt ist. Ich wusste es, kannte die Wahrheit vom ersten Augenblick an und doch wollte ich sie nicht wahr haben. Doch jetzt gibt es kein zurück mehr. Länger kann ich die Augen vor der Wahrheit nicht verschließen. Es ist der einzige Weg zu erwachen.
    Es schmerzt und es zerreißt mir schon beim bloßen Gedanken daran das Herz. Aber es ist der einzige Weg. Meine Augen füllen sich mit Tränen. Meine Seele ist erfüllt von Traurigkeit. Ich liebe sie. Sie ist meine Schwester, meine Liebe. Sie steht vor mir. Auch ihre Augen sind Tränenverschleiert. Aber nicht aus Angst. Sondern aus Liebe. Ihre Liebe zu mir ist grenzenlos. Und in diesem Moment wird mir klar was sie schon immer wusste: Sie muss sterben, durch meine eigene Hand. Damit ich erwachen kann.
    Ich möchte ihr noch so viel sagen, so viel Zeit mit ihr verbringen. Doch das geht nicht. Das Schicksal fordert sein Recht ein.
    „Versprich mir, dass du die Erde gesund machst. Und versprich mir dass auch ich auf ihr ein neues Leben finden werde, sollte ich wiedergeboren werden.“ Darum bittet sie mich?
    Meine liebste Schwester …
    meine Liebe …
    mein Ein und Alles …
    Ich breite die Arme aus und wir beide umarmen uns. Klammern uns aneinander, eine letzte, eine allerletzte Umarmung. Die Tränen lassen sich nun nicht mehr zurück halten und ich will es auch nicht. Nicht in diesem Moment. Sie soll sehen und fühlen wie sehr es mich zerreißt. Wie sehr es uns beide zerreißt.
    Ihre Lebenskraft pulsiert gleichmäßig. Ich sehe ihren Stern vor mir. Er leuchtet so schön hell und warm. Ich muss ihn nur berühren. Ich umarme ihn, drücke ihn sachte an meine Brust und ein einziger Gedanke von mir reicht aus und er zerspringt in tausende Teilchen.
    Und kann nie wieder zusammengefügt werden.
    Meine liebste Schwester,
    meine Liebe, ...
    es tut mir leid, verzeih mir,
    ich liebe dich.



    Reform …
    Die Erde fing an zu beben. Erst leicht, dann immer heftiger. Risse zogen sich durch die Straßen und brachen den Teer auf. Die Menschen fingen an zu schreien und rannten los. Risse zogen sich an den Häusern und Gebäuden entlang. Brachten diese zum Einsturz. Die Menschen schrien panisch um Hilfe, rannten um ihr Leben. Vergeblich.
    Die Meere bäumten sich auf. Rasten unaufhaltsam auf das Festland zu. Überschwemmten die Küsten und nahegelegenen Orte. Brachen durch die Dämme und verschlangen alles was ihnen im Weg war. Immer mehr eroberte das Meer das Festland. Hüllte alles in Wasser was im Weg war und gab es nicht mehr frei. Die Menschen versuchten zu flüchten. Sie rannten immer weiter. Schrien und weinten. Vergeblich.
    Die Staudämme brachen. Flüsse und Seen traten über die Ufer und holten sich zurück, was ihnen genommen wurde. Die Menschen versuchten sich auf Bote und Schiffe zu retten. Versuchten so der Katastrophe zu entkommen. Es halt nichts. Die Wellen kippten die Bote einfach um und zogen sie samt Inhalt in die Tiefe. Erstickte die panischen Schreie.
    Die Winde entwickelten sich zu riesigen Tsunamis und Tornados. Fegten über die Erde hinweg und rissen selbst den stärksten Stahlträger aus ihrer Verankerung. Kein Stein blieb auf dem anderen. Kein Versteck und keine Zuflucht mehr. Verzweifelte Schreie, überall. Einige versuchten mit Flugzeugen und Helikoptern zu entkommen. Doch die meisten schafften es nicht einmal vom Boden abzuheben. Diejenigen die es doch in die Luft schafften, kamen nicht weit. Entweder wurden sie durch den Wind wieder zu Boden gezwungen. Oder sie wurden in die Wirbelstürme gezogen und so lange herum gewirbelt, bis sie auseinander brachen. Verzweifelt riefen die Menschen um Hilfe, betete. Vergeblich.
    Tage. Wochen. Unendlich lange war die erde in Aufruhr.
    Die Elemente wüteten und kannten kein Erbarmen. Alles wurde vernichtet und immer noch war die Erde unruhig. Bis nichts mehr stand, noch lebte, das an die Menschheit erinnerte.



    Ende



    So viel Zeit ...
    So lange schon lebe ich. Eine Zahl oder ein bestimmtes alter zu nennen ist unmöglich. So viel Zeit ist vergangen. So viel wunderbare, einzigartige und auch traurige Sachen sind passiert. Und doch lebe ich noch. So viele Pflanzen und Tierarten sind entstanden. Haben gelebt, geliebt und sind dann wieder verschwunden. Einige haben sich selbst zerstört. Andere haben sich im Laufe der Evolution vernichtet. Viele haben sich weiter entwickelt. Sich ihrer neuen Umgebung angepasst.
    Dies alles zu beobachten, mitzuerleben es ist wunderbar und bringt mich zum lachen und zum weinen.
    Die Pflanzen zu beobachten wie sie gedeihen, sich der Sonne zuwenden und sich freuen. Mit Gier und doch voller Ehrfurcht, das Wasser durch ihre Wurzeln oder die Blüten aufnehmen, um zu leben. Den Elementen getrotzt, den Jahreszeiten um am ende wenn ihre Zeit gekommen ist doch zu verwelken. Aber nie in Trauer gegangen sonder in dem Wissen das alles Ende auch ein Neubeginn ist.
    Wenn die Sonne ich am Horizont erhebt und das helle licht die Nacht verdrängt. Wenn die langsam einsetzende wärme die Kälte der Dunkelheit verdrängt, wenn die Schatten weichen und das Licht sich ausbreitet, dann beginnt ein neuer Tag.
    Ein neuer Tag und doch ist keiner wie der Tag davor. Immer gibt es etwas neues etwas spannendes und auch trauriges zu erleben. Jeder Tag steckt voller Überraschungen. Jeder Tag ist einzigartig und streckt voller Möglichkeiten. Man muss ihn nur nutzen und das beste daraus machen.
    Ein wunderbares Gefühl der Nebel. Morgens wenn die Sonne aufgeht und der Nebel die Welt auf eine Weise umhüllt, die fast magisch erscheint, fühlt sich wunderbar an. Wie eine hauchzarte Berührung. So flüchtig und unbeständig. So schnell sie entsteht, so schnell verschwindet sie wieder. Eine Liebkosung. Eine flüchtige, nicht zu fassende Liebkosung.
    Ich liebe den Sonnenaufgang und genieße ihn jeden Tag und kann mich doch nicht daran satt sehen, denn er erinnert mich an eine längst vergangene Zeit und ein kleines Mädchen namens Aisha.


    Ihr wollt wissen wer ich bin?
    Mein Name ist Gaia und ich bin
    die Erde.

    Zwielicht
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    Trenne dich nie von deinen Träumen. Wenn sie verschwunden sind wirst du weiter existieren, doch aufgehört haben zu leben.

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