Beiträge von Elogan

    10. Oktober – 09:56 Uhr - Kōchi Asakura - In den Straßen


    [Cale]

    Er wollte gerade noch etwas erwidern, als er etwas Verstörendes vernahm. Schüsse. Lardo-san war schon auf dem Weg, welchen wohl Solon eingeschlagen hatte, denn jener war nicht mehr zu sehen. Bestimmt galten diese Kugeln Solon, denn Kamari hatte gerade Alarm schlagen wollen, als die Schüsse fielen. Sofort war er Emma nachgesetzt. Cale packte im Laufen Emmas Handgelenk.
    "Wir dürfen die Menschen nicht noch aufmerksamer auf uns machen! Wir kümmern uns um Solon, keine Angst! Steck das jetzt endlich weg!"

    Er lief weiter, immer darauf bedacht, Emma nicht abzuhängen. Doch sie war sportlicher als früher, sodass er sich in der Hinsicht keine Sorgen um sie machen musste.
    'Die Puppenspieler. Aber sie entfernen sich!'
    Er schüttelte den Kopf, als könne er den Gedanken so vertreiben.
    'Wir müssen Solon finden!' Sie bogen in eine Straße ab, welche trotz aller Pingeligkeit, welche die Japaner offenbar an den Tag legten, doch relativ verdreckt war. Wenn man die halb zerrissenen Plakate und Poster von Konzerten als Dreck ansah, welche Events ankündigten, die schon einige Zeit vergangen waren. Erneut bogen sie ab, rannten um die Ecken einer Gasse und dort sahen sie es. Solon.
    Er stand komischerweise, denn die Schüsse schienen ihn so getroffen zu haben, dass sein Körper in der Position verharrt hatte. Dort stand er, die Wut hatte ihm die Tränen in die Augen getrieben. Was war das? Er fletschte die Zähne und entblößte so sein Zahnfleisch, welches anscheinend verwundet war.
    'Der erste Schritt ist also getan. Solon.' Cale schüttelte den Kopf. Die Wunden in dem Zahnfleisch waren auf die extremen Bakterien zurückzuführen, welche ein Varan in seinem Maul besaß, damit er als Aasfresser keine Nachteile durch das Verspeisen des Kadavers erhielt. Kein Mensch würde einen solchen Biss lange überleben, sondern eher schnell und qualvoll an der damit einhergehenden Entzündung verenden. Cale packte Solon um die Hüfte und hob ihn auf seine Schulter, bedacht darauf, dass der Bewegungslose sich nicht noch mehr verletzte. Die Schüsse hatten jeweils die Knie- und Armbeugen fast schon unglaublich exakt durchtrennt und es sah aus, als ob jemand erst mit einem Messer in die Haut eingeritzt hätte, um den Einschnitt danach mit einer runden Feile zu bearbeiten. Solche Wunden waren durch die unfassbar hohe Rotation der Kugeln zu erklären, so hatte man es ihm jedenfalls gesagt, als bei einem seiner jüngsten Glücksspielserien jemand über den Haufen geschossen worden war und er nachgefragt hatte.
    Er hatte es genauso wie die anderen unterlassen, dem armen Mann zu helfen, der sein Lebensende in einer schmutzigen Nebengasse von Sizilien hinnehmen musste, da er anscheinend die Mafia betrogen hatte. Niemand, der noch bei Verstand war, würde sich gegen diese Organisation stellen, wenn er nicht eine Armee hinter sich hatte und selbst die Regierungen der europäischen Staaten, welche etwas hätten erreichen können, hatten sich nicht eingemischt. Also würde jemand, der noch leben wollte, wie Cale, sich bestimmt nicht gegen solch einflussreiche Personen stellen. Durch diese Erfahrung hatte er auch kein Problem gehabt, sich die Wunden genauer anzusehen, was anderen wohl den letzten Nerv raubte. Solon auf der Schulter war nur etwas zu sehr am Bluten, wie Cale und seine Klamotten fanden, aber dass konnte man ihm ja nicht übel nehmen, er hatte es sich ja nicht ausgesucht. Cale nickte Emma und Lardo-san zu. Was sollen sie nun machen?
    "Wir sollten die nett aussehenden Polizisten dort drüben mal fragen, was sie für uns tun können!"
    Ohne auf eine Antwort zu warten, setzte er sich in Bewegung zu dem Wagen, welchen er eben erblickt hatte.

    Cale blickte Emma mit Tränen in den Augen an.
    "Ich bin zu lange weg gewesen und habe dich zu lange allein gelassen, um dir nun mein Herz auszuschütten, Emma Dahlström. Denn was ich zu sagen habe, würde alles nun nur noch schlimmer machen. Keine Angst, ich gehe nicht. Doch alles, wofür es sich zu leben gelohnt hat, hat sich nun aufgelöst. wie Sand glitt mein Lebenswille durch meine Hand. Weißt du, welcher Tag heute ist, Emma? Jener Tag vor zwei Jahren, an dem ich meine Reise anfing."
    Er blickte in ihr verdutztes Gesicht. Sie wusste, was er meinte mit dem Tag.
    "Du scheinst immer noch nicht begriffen zu haben, was mein Herz zerstört hat. Doch das kann ich dem Schicksal nicht übel nehmen. Aber dass du ihn vergessen hast. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Cale."
    Er wandte den Blick ab, sodass sie die Tränen nicht sah, welche ihm nun in Sturzbächen herunter kullerten. Er sprach weiter, den Kopf zu Himmel und mit dem Rücken zu Emma. Kurz wartete er, bis er seine Stimme wieder fand.
    "An diesem Tag hatte ich mir ein Geschenk erhofft, doch ich bekam Peitschenschläge von der Person, die mir das größte Geschenk hätte machen können. Ja, ich hatte meine Gründe, fort zu gehen. Ich hatte triftige Gründe. I only wanted to save you, my dear. Aber nun, wo ich sehe, was passiert ist, nehme ich mir das übel. Willst du wirklich wissen, warum ich nun so wutentbrannt war? Ich werde es dir sagen, aber nicht jetzt. Und, Emma",
    seine Stimme verklang. Er fasste sie gerade noch so, jedoch kam nun alles an Trauer und Verletzung in seinen letzten Worte, die er aussprach. Er wollte ihr sagen, was er für sie empfand, damit sie ihn trösten konnte. Doch er entschied sich dagegen. "Ich habe sehr wohl überlegt, bevor ich Solon eben in die Realität zurückbrachte. Glaub mir das."
    Er wischte sich die Tränen vom Gesicht, glücklich darüber, dass wenigstens sein Körper ihm gehorchte und sein Gesicht nicht allzu gerötet war. Cale griff in den Seesack, holte einen Hut raus, welchen er von daheim mitgenommen hatte. Dieser schwarze, aus feinsten Leder gemachte Hut, welchen Cale nur aufsetzte, wenn er um jemanden trauerte, der von ihm gegangen war. Er zog den Hut tief ins Gesicht, sodass man seine Augen nicht mehr sah. Dann blickte er Lardo-san und Solon an, wobei sich letzterer hinter Lardo zu verstecken versuchte, nickte in Richtung Polizei und wartete, bis sie zu ihm und Emma aufgeschlossen hatten, um seinen Weg fortzusetzen. Fast unhörbar sang er "In your arms" von Stanfour.


    [Ranjit]


    Es ging alles sehr schnell. Er hatte seinen Freunden in die Arme springen wollen, als ihm urplötzlich eine Menschenmenge den Weg versperrte. Sie riefen, dass seine Freunde Mörder seien und bezichtigten sie der Morde, bei denen Jeder wusste, dass es keine Zeugen gab. Doch sie schienen nun ein Ziel für ihre Wut über die Morde und die Trauer über den Verlust von Angehörigen gefunden zu haben und das wollten sie auskosten. Plötzlich brach einer aus dem Kreis aus, mit einem Etwas, welches auf vier Beinen ging und ihm folgte. Ein anderer rannte in die entgegengesetzte Richtung, jedoch sehr schnell, trotzdem er zwei weitere Personen auf sich trug. Die Masse stürmte ihm hinterher, und mehr hatte Ranjit dann auch nicht mitbekommen. Verwundert machte er sich auf den Weg nach Hause, um noch einmal über alles nachzugrübeln, was da gerade passiert war. Seine Freunde sind doch keine Mörder! Er musste bald mit Hiro reden. Bestimmt lag da ein Missverständnis vor. Verwirrt passierte er die Straßen Kochis, bis er daheim ankam.

    Cale hatte Solon gerade einige aufmunternde Worte über den Zusammenhalt in dieser vom Schicksal und, bei ihm und Emma, wohl noch von einer anderen Macht zusammengebrachten Truppe einbläuen wollen, als er ein klingeln vernahm. Das Klingeln eines Handys. Emma nahm das kleine mobile Telefon in die Hand und ging ran. Ihre zarte Stimme sprach etwas aus, was Cale im Mark erschütterte. Diese zwei Worte, welche ihn trafen, wie eine Abrissbirne ein marodes Holzhütchen, diese Worte, vor denen er sich in dieser ganzen Zeit der Unwissenheit mehr gefürchtet hatte als alles andere. Alles in ihm zerbrach, sein Brustkorb fühlte sich an, als wäre er aus feinstem Papier, welches nun in einem Feuer verbrannte, bei dem er wünschte, jemand würde es ihm herausreißen. Sein Herz setzte aus, wie eine Schlange wand sich die Trauer in seine Glieder. Unglaubliche Schmerzen füllten seinen Körper aus. Er spürte, wie sich neben der Trauer Enttäuschung und Selbsthass in ihm entwickelten. 'Das ist alles meine Schuld. Ich habe sie allein gelassen, bin vor ihr geflüchtet und habe ihr erst den Grund dazu gegeben, ein solches zu tun.' Alles in ihm sträubte sich, er wollte es immer noch nicht Wahr haben. Unter seinem Gefühlsmischmasch traf ihn die Panik wie ein elektrischer Schlag. Sie fühlte sich an, als würde sie ihm bewaffnet gegenüberstehen, in einer Sackgasse, aus der er nicht herauskam. 'Sie wird nie mit dir zusammen sein, sieh dir doch an, wie glücklich und zufrieden sie ist. Sie will dich nicht. Sie braucht dich nicht. Keiner braucht dich. Es ist wie immer. Sieh dir Solon an. Ihm ist egal, dass er von dir gerettet wurde, ja, er sieht es sogar als Hindernis, jemanden wie dich an der Seite zu haben. Gutherzige gewinnen nicht, weißt du das nicht? Gutherzige gewinnen nie. Oder hast du mit deiner Großherzigkeit, in der du Emma verlassen hast, damit die Puppenspieler ihr kein Haar krümmen, erreicht, was du wolltest? Du warst so großherzig, sie allein zu lassen. So großherzig, dass du sie, ohne daran zu denken, verloren hast an einen andren, einen, welcher wohl für sie nicht einmal einen Dolchhieb abfangen würde, geschweige denn, sein Leben aus Spiel zu setzen. Derjenige, an den du nun deine einzige Liebe verschenkt hast, würde sich ohne mit der Wimper zu zucken eine andere suchen, falls er oder sie in Gefahr waren. Doch du hast sie allein gelassen, zwei volle Jahre und hast dann noch allen ernstes erwartet, dass sie dir diesen Fehler verzeiht?' 'Ich.... Ich wusste nicht-' 'Was wusstest du nicht? Dass diese zwei Jahre auch für sie vergehen würden? Dass sie dir deine Großherzigkeit ins Gegenteil verkehren würde und dir nicht einmal sagt, dass du die Schlacht verloren hast, deren Auftaktsschuss du selbst verschossen hast? Sieh es ein, Cale. Sie liebt dich nicht und wird es auch nicht machen. Niemals. Also hör auf, den Großherzigen zu markieren, denjenigen, der für seine Liebe einsteht. Denn Liebe ist eine von Menschenhand gemachte Illusion, etwas, was dir nie zustehen wird. Denn du bist kein Mensch wie er, du bist ein Splitter. Erinnerst du dich an die Worte, die ich dir bei unserer ersten Begegnung sagte, als du mich fragtest, wie es weitergehen wird?
    Ich sagte: ~Deine Welt wird zerbrechen, und sie wird dich mit sich reißen, wenn du nicht vorbereitet bist. Es gibt keine Sicherheit jenseits des Lichts, das du verloren hast.~ Doch du hast nicht gehört. Und nun? Was machst du nun? Cale, hör auf, dir und allen anderen etwas vorzugaukeln, sei der Kalte, welcher du hättest sein sollen, als du sie verließt. Der, dem die Menschen egal sind. Das ist deine He'vechray, deine Heimat. Die Welt, wie du sie dir vorgestellt hast, gab es nie. Die Welt, in der Emma jemals etwas für dich empfinden würde.'
    Kamari verstummte. Doch Cale wusste, dass er recht hatte. Seine Gutmütigkeit und seine Liebe hatte ihm nichts geholfen. Er war kurz davor, durch die vorhergegangene Erschöpfung in die Knie zu gehen, doch dann hörte er einige Fetzen von dem, was Solon unter Tränen grade noch so herausbrachte. "Sag mal Emma, der Kerl der mit dir grade gesprochen hat, das ist doch dein Freund , oder?" Cale wurde wütend. Zwar hatte er große Schmerzen durch seine Trauer, seinen Selbsthass und den Hass auf diese Person, welche sich erdreistete, ihm Emma zu stehlen, den einzigen Grund, warum er sich nicht schon lange aufgegeben hatte. Er blickte zu Solon herab, welcher seine Beine mit den Armen umschloss und in sich hinein wimmerte. So würde er Ixie nur schneller über sich regieren lassen! Es gab einen Knall. Solons Kopf wurde durch den Schlag ruckartig nach rechts geworfen und er hörte auf zu wimmern. Eine rote Hand zeichnete sich auf seiner Wange ab. Cale stand so in der Sonne, dass Solon Cales Augen nicht erkannte, doch er wich zurück, als hätte er den Ausdruck in Cales Augen gesehen. Diesen Ausdruck puren Hasses, welcher Cales Augen schlagartig um einiges dunkler zu färben schien, als sie eigentlich waren. "Hör auf zu wimmern wie ein räudiger Köter, Solon. Ixie freut sich nur darüber. Reiß dich zusammen, verdammt!" Ohne einen der Anderen eines Blickes zu würdigen, ging Cale ein paar Schritte, bis er durch die Schmerzen, welche seinen Brustkorb zu erdrücken versuchten, welche ihm den Atem nahmen und ihn nun endlich niedergerungen hatten, in die Knie ging. Alle Hände, die ihm aufhelfen wollten, wies er ab. Er zischte kaum hörbar: "Euch kann ich doch egal sein. Ich habe nun alles verloren, was mich hält." Er stand wackelnd wieder auf und setzte den Weg fort, ohne auf die anderen zu achten. Seine Körpersprache ließ jeden erschaudern, wer ihn auch nur ansah.

    Cale sah die Masse auf sich zurasen und war bereit, sich ihr zu stellen. Die provisorischen Waffen, welche sie bei sich trugen, machten ihm nichts aus. Er war schneller und geschickter als sie, außerdem dachte er im Moment rationaler, wenn man es so nennen konnte, sich einer Masse bewaffneter mit einem Dolch entgegenzustellen. Sie kamen ihm bedrohlich nahe. Noch vielleicht fünf Meter. Doch dann hörte er Emmas Stimme. Er hatte nicht verstanden, was sie ihm gesagt hatte oder ob es überhaupt ihm gegolten hatte, doch er hatte dadurch einen Sinneswandel. Vier Meter. 'Wenn ich Emma das Leben retten will, muss ich am Leben bleiben! Wenn ich nicht mehr auf sie aufpasse.... Dann kommt sie womöglich mit einem anderen zusammen!' Cale wollte so etwas nicht riskieren und wusste doch in seinem Innern, dass sie in den zwei Jahren bestimmt schon Trost bei jemand anderem gesucht hatte. Jemand, der für sie da war, als er es nicht war. Drei Meter. Trotz dieser Gedanken, welche ihm eigentlich nur in seinem Vorhaben hatten bekräftigt, besiegte er vorerst den Drang, den Dolch auf gut Glück in die Masse zu werfen und vielleicht kurz vor seinem Tod einen der Puppenspieler in sein grinsendes Gesicht treten zu können, und wandte sich zu Emma, welche grade hinter der Mauer verschwand. Zwei Meter. Sie konnten ihn fast ergreifen. "Nun gut, dann zu einem anderen Zeitpunkt. Schade...." Betrübt schnellte er zur Mauer, ließ die verdutzten Personen Personen sein und übersprang die Mauer mit Leichtigkeit, nur um kurz von Emma in einer Haltung zu landen, als würde er sich vor einer Königin verbeugen. Er sprang auf die Beine, lächelte sie an und nickte ihr in Richtung Freiheit. "Komm, wir haben Termine!" Er klopfte Lardo-san auf die Schulter. "Danke, dass du nach ihr geguckt hast." Sie liefen der Polizei entgegen, immer in der Angst, wieder einem solchen Mopp zu begegnen.

    Cale sah sich die kleine Gruppe an, welche sich nun kurz vor Emma und Lardo-san befand. Emma packte Lardo-san irgendwo am Arm und zog ihn weg. 'Ich werde Emma beschützen!' Cale griff Solon an seiner Schulter, schubste ihn nach vorne und schrie ihn förmlich an:"RENN!" Dann beschleunigte er auf das aufbringbare Maximum, dann er sah etwas, was ihm helfen könnte. Ohne an Geschwindigkeit zu verlieren, griff er ein sehr langes Seil und stellte er sich damit der aufgewühlten Truppe Menschen und wohl auch Puppen entgegen. 'Nun zählt es!' Mit einem Schrei rannte er um die Gruppe herum, umrundete mit dem Seil die Gruppe mehrmals und machte dann die Enden an der Uhr fest, während Kamari, welchen Cale nebenbei heraufbeschworen hatte, eine, der nun gefesselten ein Narkotikum zu injizieren, welches sich durch Hautkontakt verbreitete und alle in der Fesselung schnell zu einem ruhigen Schlaf zwang. Er hetzte der Gruppe nicht nach, sondern blickte ihnen zu, lächelte und rief, in der Hoffnung, dass sie es hörten:"Macht euch nichts draus! Ich hole euch schon ein." Als er sah, dass Lardo-san Emma näher gekommen war, als es hätte sein müssen, wurde er wütend, ja, gar rasend! Dann blickte er nach vorne, erwischte mit seinem Blick eine weitere Gruppe der wütenden Verrückten und lachte leise. "Ihr seid jetzt leider mein Ventil." Er riss den Kopf in den Nacken, brüllte und zückte seinen Dolch. Er erwartete die Menschen, welche außer Rand und Band waren und versuchte, eine dieser Sphären auszumachen, damit er sich mit Kamari verbinden konnte. 'Kommt schon, ihr Weicheier von Puppenspielern, ich werde mich für meine Familie rächen und Emma beschützen, koste es, was es wolle!' Kamari blickte erschrocken zu Cale hoch. Eine Kraft war nun in ihm, welche unglaublich riesig war. Sobald er in eine Sphäre eindringen würde, könnten sie wohl den gesamten Mopp mit einem Atemzug einschlafen oder vergiften lassen, doch egal, was Cale aus dieser Kraft machen wollte, er würde ihn unterstützen!

    10. Oktober – 09:47 Uhr - Kochi Asakura - Universitätscampus


    Es ging alles sehr schnell. Cale hatte in den Jahren auf der Straße gelernt, bei jeder Anschuldigung sofort das Feld zu räumen, das hatte ihm bislang einige Probleme erspart. Doch nun war er wie festgefroren. Er konnte sich nicht bewegen. Sein Körper gehorchte ihm nicht. Lardo-san meinte etwas von Rücken an Rücken. Bescheuert. Gegen so viele? Wenn auch nur einer davon beherrscht wurde, hatten sie keine Chance. Die Puppenspieler fühlten durch die Puppe keine Schmerzen, sondern ließen die Puppe bis ans Ende des physikalisch Möglichen gehen und darüber hinaus. Erst wenn eine Puppe tot war, hatten sie keine Kontrolle und stellten dann auch keine Gefahr mehr dar. Also wäre dieser Weg der, welchen sich Lardo-san sofort aus dem Kopf schlagen sollte. Aber auch flüchten kam kaum infrage, denn sie waren umzingelt. Einer musste den Lockvogel mimen. Cale war bereit, für Emma zu sterben. Er wollte grade sagen, dass sich die anderen verziehen sollten, da rief Solon ihnen eben jenes zu. Ohne auf ihre Reaktion zu warten, beschwor er Ixie herauf und bahnte sich einen Weg durch die Menge, welche ihm zum Großteil folgen wollte, es jedoch unterließ, als sie sahen, dass er zu schnell für sie war. In diesem Moment der Unachtsamkeit hatte Cale den kaufwütigen Lardo-san kurzerhand auf seine Schulter gehoben und Emma auf seinen Armen genommen, um sie beide Wegzutragen. "Haltet euch verdammt gut fest!" Er nutzte die speziellen Fähigkeiten seiner Schuhe, welche es ihm ermöglichten, die Beiden und sich ohne Probleme in die zu Solons entgegengesetzter Richtung zu tragen. Er durchbrach die Masse und rannte wie vom Eber gebissen, bis er einen riesigen Abstand zur verwirrten Masse gewonnen hatte. "Tut mir leid, so rabiat gehandelt zu haben. Es ging nicht anders!" Er setzte beide wieder auf den Boden und massierte seine Arme. "Geht ihr schon einmal zu dem Kommissaren, ich hole Solon! See ya, my dear!" Er wartete nicht auf Antwort, sondern schnellte in die Richtung, in welche Solon gegangen war. 'Verdammter Idiot! Wenn ich dich erwische!' Auf dem Weg umging er in großem Bogen den wütenden Mopp und fand Solon erschöpft in einer Nebengasse. "Solon, ich glaube, ein Herr Kommissar erwartet uns!" Er gab ihm die Hand, um ihm das Aufstehen zu erleichtern. "So, du edler Held, wenn du so was noch einmal abziehst, gebe ich dir eine! Du und die anderen, ihr dürft kein Aufsehen erregen! Jetzt weiß wegen dir jeder in diesem gottverlassenen Ort, dass wenigstens du übermenschliche Fähigkeiten hast!" Cale machte sich rasch auf den Rückweg zu Emma und Lardo-san, immer darauf bedacht, dass ihn niemand sah. Sie hatten die beiden schon fast erreicht. Cale schaute sich erneut um. 'Bald kann ich wieder Emmas wunderschöne Stimme hören.' Dachte er, als er grade die letzten Meter zu ihnen zurücklegen wollte.

    10. Oktober ~ 09:50 Uhr ~ Kōchi-shi ~ in der Stadt [Cale]


    " 'Emma?!' " Kamari rief in Cales Gedanken das aus, was er verwundert und mit freudigem Blick sagte, als er Emma in seine Arme schloss, welche ihm die Hand nun vom Kopf herunter nahm. Cale war den Tränen nahe, schüttelte den Kopf und verneigte sich vor Emma.
    "Entschuldige! Entschuldige vielmals, dass ich so ein Idiot war und dich zurückließ. Bitte vergib mir!"
    Er wagte es nicht, aufzusehen, geschweige denn, sich ungefragt zu rechtfertigen. Wenn man ganz genau hinhörte, konnte man sogar hören, wie Cale mit dem Atem den er ausstieß flüsterte:"Der größte Fehler ist, dass ich es immer noch nicht sage!" Er war froh, sie endlich wiederzusehen, dennoch traute er sich nicht, ihr zu sagen, was er ihr in den letzten beiden Jahren nicht sagen konnte. Diese drei Wörter, welche ihm seit dem Verlassen von Scarborough, seiner Heimatstadt im Sinn waren, brachte er nun nicht heraus. Er erinnerte sich wieder an die Tage, an denen sie gemeinsam am Strand entlang liefen und musste erneut die Tränen zurückhalten.
    "Ich bin so froh, dich wieder zu sehen, Emma!"
    sprach er fast lautlos in sich hinein. Er hoffte, dass sie ihm verzieh und ihn verstehen würde, wenn er ihr sagen würde, was ihm schon so lange auf der Lippe lag.


    [Ranjit]


    Ranjit war gerade auf dem Heimweg, als er an der Universität vorbei lief. Nachdem er den Unterricht kaum verfolgt hatte, hatte er nun auch seine Truppe verloren. Sie hatten ja auch nicht auf ihn gewartet! Er schaute zur großen Uhr. Darunter war eine Gruppe von Leuten, bei denen er schwören konnte, dass er gerade sein Gruppe sah. 'Ansheinent will Hiro wiede mit Yuuki zusamme sein. Wa' ja klar, dass er es ohne sie nicht aushält. Ich wede sie gleich uberrashe, aber erst will ich sehe, wie er es diese Ma' vemassel, hihi!" Er lachte in sich hinein. Der arme Hiro war ja ganz rot, jeder Blinde sah, dass er Yuuki um ihre Hand fragen wollte. Ranjit schlich näher heran.

    10. Oktober ~ 09:45 Uhr ~ Kōchi-shi ~ in der Stadt [Cale]


    Nachdem Cale und die anderen sich den Bauch voll geschlagen hatten, waren er und Lardo-san gleichzeitig und mit ähnlichem Elan aufgestanden und wollten zur Tür schreiten, als Solon sich einschaltete und sagte, dass er am vorhergegangenen Tage mitbekommen hatte, dass die Bibliothek, wenn überhaupt, frühstens um zehn öffnen würde, selbst wenn kein Feuer ausgebrochen wäre.
    Also machten sie sich stattdessen auf, um die Stadt Kōchi mal als Touristen und nicht als Schnorrer, zu erleben und zu durchwandern. Jedoch hatte keiner der Drei ein Auge für die Geschäfte ringsherum, welche nach und nach geöffnet hatten. Dabei entfernten sie sich immer weiter von der Burg. Die verschiedensten Gerüche schlugen ihnen entgegen, als sie in eine Straße kamen, die alleine wegen ihrer Breite verdächtig nach einer der Hauptstraßen Kōchis aussah. Mittlerweile hatte keiner von ihnen noch Lust, weiter zu warten, weshalb sie nach einer Uhr Ausschau hielten. Sie kamen nach einer Brücke an eine Art Universität, welche sie mit einer großen, runden und vor allem öffentlichen Uhr lockte. Von weitem erkannten sie die Ziffern und die genaue Uhrzeit nicht, doch sie waren froh, nun wenigstens nicht mehr ziellos herumzulaufen. Sie beäugten die Uhr und sahen- RUMMS! Jemand hatte Cale umgerannt!
    "Hey! Haben sie keine Aug-"
    Cale verstummte.
    Er schaute auf das Mädchen, welches die Schultasche bei dem Sturz hatte fallenlassen, deren Inhalt sich nun auf der Straße verteilte. Sie zupfte an ihrem Oberteil, welches nicht nur ihre nicht zu verachtend große Oberweite unterstrich, sondern anscheinend auch etwas verbergen sollte. Doch Cale hatte es gesehen. Zwar nur für einen Augenblick, doch er hatte es deutlich gesehen in diesem Sekundenbruchteil, in der andere mit blinzeln beschäftigt waren, hatte er das Glück gehabt, die Augen auf den Hals des Mädchens gerichtet zu haben.
    Der Anhänger. Es war der Anhänger, welchen Emma immer getragen hatte. Und die Augen.... Cale half der Unbekannten, aufzustehen, denn sie hatte ihn bei dem Sturz unter sich begraben. "Ähm.... Es.... Es tut mir sehr leid, dass ich im Weg stand! Ähm.... Öhm...." 'Was tust du? Warum stotterst du? Sag ihr, dass sie gefälligst das nächste mal aufpassen sollte!' Kamari war von Cale erschrocken. Wie konnte er sich nun vor den anderen so bloßstellen? "Da..... Darf ich ihren Namen erfahren? Nu.... Nur wenn es ihnen nichts ausmacht....." Cale verneigte sich so tief vor der Fremden, wie es in Japan seiner Meinung nach nur zwischen engen Freunden üblich war. Sein Herz klopfte ihm bis zum Hals. 'Ist sie.... Ist sie es vielleicht wirklich? Nein, das ist unmöglich! Aber....' Während er noch nachdachte, sah er, wie sie zu einer Antwort ansetzte.

    10. Oktober – 08:00 Uhr - Kōchi-shi


    [Ranjit]


    "Bin 'ichh wiede zu spät?" Ranjit schaute erschrocken auf den Wecker. Seine Eltern waren heute nicht da und er hatte wieder vergessen, sich den Wecker zu stellen. Nun war er aufgesprungen, hatte sich schnell angezogen, griff seine Tasche, die wie immer auf seinem Schreibtisch stand und rannte die Treppe herunter, nur um durch die Tür zu hetzen, selbige hinter sich zuzuschlagen und sich auf den relativ langen Weg zu machen, da er nicht sehr nahe an der Ingenieursschule wohnte. Die Ingenieursschule, welche er besuchte, startete um acht Uhr und er hatte es geschafft, erst um acht Uhr aufzustehen. Nun, mit einer Viertelstunde Verspätung, hatte er das Schulgebäude endlich erreicht. Nun musste er sich vor der ganzen Klasse rechtfertigen. "Naja, wirt shon nikt so schlimm." Er begab sich in das Gebäude und ließ den Unterricht auf sich niederprasseln.


    10. Oktober – 08:05 Uhr - Kōchi-shi


    [Cale]


    Solon maulte noch ein wenig herum, doch Cale hörte ihm schon nicht mehr zu. Doch selbst, wenn man nicht zuhörte, merke man kurze Zeit nach der Tischzuweisung, dass Solons Redefluss abgebrochen hatte. Wie Cale selbst, hatte Solon nun mehr Augen für das Essen als für eine Diskussion. Doch Cale hielt ihm von dem Buffet ab, griff nach seinem Arm und deutete unmissverständlich, dass man sich wenigstens für ein solches Mal bedanken durfte, wenn man schon eingeladen wurde. Doch dann, als Solon ansetzen wollte, grinste Cale nur und sagte:"Schlag dir den Bauch voll! Keine Sorge, dass war nur Spaß!" Er schubste Solon leicht in Richtung Buffet und bediente sich dann auch selbst.
    Nachdem Cale und die anderen sich den Bauch vollgeschlagen hatten, war für alle klar, was sie jetzt machen mussten. Sie mussten zur Bibliothek und Informationen finden, falls irgendwas von dem was sie suchten vom Feuer verschont worden war. Cale wartete, ob jemand noch ein Thema anschnitt, bevor er aufstand und sich mit den anderen auf den Weg machte, vielleicht etwas zu erfahren. Etwas, was sich als die Wahrheit herausstellen würde, obwohl es so unrealistisch klang, dass es sonst jeder nur für Ammenmärchen gehalten hatte. Würden sie es schaffen, mit den Informationen die Morde aufklären zu können? Oder waren alle Spuren auf die Splitter von diesen Vermaledeien zerstört worden?

    10. Oktober – 07:57 Uhr - Kōchi-shi – Hotel 'Shiro'

    Cale nickte Lardo-san zu. "Dies Gespräch hat nur für uns stattgefunden. Niemand außer uns erfährt davon. Danke, dass du das auch so willst." Er wartete noch kurz, bis Lardo-san seine Sachen beisammen hatte und ging mit ihm zu Solons Zimmertür. Er klopfte leicht aber doch vernehmbar an. Keine Reaktion. Cale blickte Lardo-san verwirrt an. Nun klopfte Cale stärker an. Immer noch keine Reaktion. Nun klopfte er deutlich hörbar an, was von einem "Solon! Öffne diese Tür!" aus Cales Hals begleitet wurde. Als dann trotzdem keine Reaktion von Solon zu ihnen drang, schaute Cale kurz und entschlossen zu Lardo-san. "Ist er vielleicht.... Nein! Das kann nicht sein! Diese Puppenspieler!" Cale riss die Tür auf.
    Solon schlief friedlich mit dem Kopf auf dem Fußende seines Bettes und schnarchte leise. Der verdreckte Pullover war leicht hochgerutscht und sein Gesicht war in der Matratze versunken. Cale starrte ungläubig auf die Szenerie, die sich ihm gerade bot. Wut machte sich in ihm breit. Er schritt schnell zu Solons Bett, hob den Arm, ließ die Hand, welche er zur Faust geballt hatte, rasant auf Solons Kopf niedersausen und sagte zärtlich wie ein Presslufthammer "STEH ENDLICH AUF!" Solon schrie auf, schnellte hoch in eine Schneidersitzposition und wiederholte die Worte "Auauauauauauauauaua, bist du bekloppt, warum tust du so etwas, ich habe doch nur friedlich geschlafen, auauauauauauaua!" Cale schaute Solon von oben herab an und blickte ihm grimmig an, sodass Solon sofort verstummte. Als Cale sich schon zur Tür wandte und gerade zu einer Moralpredigt ausholte, vernahm ein abermals ein stilles Schnarchen hinter seinem Rücken, was ihm unmissverständlich zeigte, das Solon anscheinend liebend gern noch ein paar handfeste Argumente zum Aufstehen brauchte. Nachdem Solon nun eine zweite, dickere Beule aus dem Haar herauslugte, befand er sich wach und in Bewegung auf dem Boden neben seinem Bett wieder. Cale hatte ihn kurzerhand am Bein gepackt und verstärkte seinen Griff, je mehr sich Solon wand. Doch als sie die Treppe zur Eingangshalle erreichten, war Cale guter Dinge, Solon nun endlich geweckt zu haben. Dieser Geburtstag fing doch relativ gut an.

    10. Oktober – 07:57 Uhr - Kōchi-shi – Hotel 'Shiro'


    Cale sah Lardo-san eindringlich an. 'Also hatte jeder Splitter eine Vorgeschichte. Ein einschneidendes Erlebnis, welches jeden von uns dazu brachte, hierher zu kommen. Sich von seinem alten Leben abzuspalten. Noch einmal neu beginnen. Vielleicht sogar in Frieden. Doch nun sind ausgerechnet diese Puppenspieler hier.' Cale streckte Lardo-san die Hand hin. "Hallo. Ich bin Cale und möchte dich und Shia unter meinen Gefährten wissen. Solon wecken wir dann gleich, oder was hältst du davon?" Cale lächelte. Er hatte kein Grinsen und auch kein Lächeln aufgesetzt, sondern er lächelte. Das hatte er lange nicht mehr gemacht. Das letzte Mal als.... Ihm verging das Lächeln, so schnell es gekommen war. Das letzte Mal als er gelächelt hatte, war der letzte Tag, an dem er sie gesehen hatte. Das letzte Mal, an dem sie zusammen nebeneinander entlanggingen und lachten und einfach Spaß hatten. "Emma. Wo bist du an meinem Geburtstag?" Er hatte nicht bemerkt, dass er redete statt zu denken. Doch an Lardo-sans Gesichtsausdruck merkte er, dass er etwas unerwartetes gemacht oder gesagt hatte. Er verstummte und holte Kamari, welcher wie immer in Talismanform in seinem Seebeutel lag. Er zog die, wie er sie nannte, 'Kamarikette' an und stand auf. "Lass uns gehen. Wir haben viel vor." Er packte seinen Seesack und ging zur Tür. Er wandte den Kopf zu Lardo-san und wartete, wie dieser wohl reagieren würde.

    10. Oktober – 07:55 Uhr - Kōchi-shi – Hotel 'Shiro'


    Cale sah Lardo-san eindringlich an. "Aber ich möchte mit offenen Karten spielen... Ich glaube nicht, dass es hier anders funktionieren wird! Ich für meinen Teil fand deinen Sarkasmus gestern unangebracht...." Sarkasmus? Lardo-san hatte ihn falsch verstanden. "Mit offenen Karten spielen? Dann möchte ich mal anfangen. Das gestern war in keinem Fall Sarkasmus." Er atmete tief ein. Sollte er es ihm wirklich sagen? Cale entschied sich dafür. "Gestern hast du eine Grenze überschritten, die..." Cale stockte. "... die ich mir bis gestern immer vorbehalten hatte. Es gibt nur noch eine Person. Nur noch eine, welche diese Grenze überschreiten darf. Und ich habe sie vor exakt zwei Jahren das letzte Mal gesehen. Ich habe sie zurückgelassen. An dem Tag, an dem meine Eltern starben und ich meinen vierzehnten Geburtstag mit ihr gefeiert hatte. Am nächsten Tag wollten wir uns eigentlich wieder treffen, doch ich kam nicht. Was meiner Familie passiert ist, sagte ich dir doch schon. Ich habe sie seit zwei Jahren nicht mehr gesehen. Und.... und...." Cale verstummte. Wieso offenbarte er sich Lardo-san? Er machte sich nur verletzlich. Doch das, was er gesagt hatte, konnte er nicht wieder zurück nehmen. Nach einer langen Pause sagte er zu Lardo-san: "Ich entschuldige mich für mein Verhalten, doch nun sollte dir klar sein, warum ich tat, was ich tat." Er blickte nach rechts, wich Lardo-sans Blick aus. Er hatte jede Rüstung und jeden Schutz vor Lardo-san fallen gelassen. Nun wartete er auf Lardo-sans Reaktion. Was würde er jetzt sagen oder machen?

    10. Oktober – 07:55 Uhr - Kōchi-shi – Hotel 'Shiro'

    [Cale]


    Eine ihm vertraute Stimme antwortete. "Ich bin es, Lardo. Ich würde gerne kurz mit dir reden." Cale schaute verwundert zur Tür. Lardo? Cale hatte jeden erwartet, oder eher auf einige gehofft, doch mit Lardo hätte er nicht gerechnet. "Lardo-san? Was gibt es?" Er ging zur Tür, öffnete sie und bat Lardo-san mit einer Handbewegung und einer leichten Verbeugung, wie in Japan üblich, in sein Zimmer. "Guten Morgen. Hattest du eine gute Nacht? Mach es dir bitte bequem. Was gibt es, worüber du mit mir reden willst?" Wollte er die Sache von gestern wieder aufwickeln? Wollte er gar so früh morgens an Cales Geburtstag wieder zu streiten anfangen? Oder wurde Cale erhört, bei seinem Flehen, das wenigstens heute nichts allzu schlimmes passierte? Er setzte sich Lardo-san gegenüber, welcher es sich auf dem Stuhl bequem gemacht hatte, den Cale ihm angeboten hatte. Er selbst saß auf dem Bett, auf welchem er sich in dieser Nacht gewunden hatte, als wäre er lebendig verbrannt worden. Davon zeugte jedoch nicht das kleinste Fältchen in der Decke. Niemand würde es erfahren. Niemand würde Cale als den kennenlernen, als den sie ihn kennengelernt hatte. Er war immer in Gedanken bei ihr, doch heute war es besonders intensiv, er dachte fast ausschließlich an sie. Cale wusste nicht, ob Lardo-san seine gedankliche Abschweifung bemerkt hatte. Kamari verzog sich in den Seesack und ruhte sich in seiner Talismanform aus, während Lardo-san zur Antwort ansetzte.

    10. Oktober – 07:35 Uhr - Kōchi-shi – Hotel 'Shiro'


    Cale wachte auf. Nachdem er am letzten Abend erst sehr spät eingeschlafen war, hatte ihn die Erinnerung an sie immer wieder schweißgebadet aufschrecken lassen. Er hatte in der letzten Nacht bestimmt nur sechs Stunden geschlafen. Nun lag er schon seit einer halben Stunde wach und war sich sicher, dass er nicht mehr weiterschlafen könne. "Herzlichen Glückwunsch zum Sechzehnten, Cale", murmelte er in sich hinein. Wieder ein Geburtstag, an dem ihm niemand gratulieren würde. Wieder ein Geburtstag, an dem er sich bewusst wurde, dass er alleine war. Wieder ein Geburtstag ohne sie. Was würde er dafür geben, sie jetzt noch einmal sehen zu können? Alles. Kamari lag neben ihm im Bett und fühlte mit Cale. Beide waren seit sie sich kannten auf sich allein gestellt, hatten niemanden, der sie auch nur einmal in den Arm nahm. 'Wo bist du? Wo bist du jetzt, wo ich hier in Japan bin, allein und verlassen, ohne Mut und ohne dich. Ich hoffe, es geht dir gut. Was machst du? Ich freue mich, dich irgendwann wiederzusehen. Dein Cale.' Diesen gedanklichen Brief sendete er seit Jahren an sie, doch sie antwortete ihm nie. Cale war den Tränen nahe, als er hörte, wie jemand leise an der Tür klopfte. Cale wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, seit er endgültig wachgelegen hatte. Er zog sich an und bat dann, nachdem er sichergestellt hatte, dass man ihm seine Gefühlsregung nicht ansah, um den Namen des Klopfenden. Er hoffte, dass er wenigstens an seinem Geburtstag keinen Stress mit Lardo-san haben würde, wenn sie schon nicht wiederkam.

    Gruppe: Mensch


    Name: Ajiba


    Vorname: Ranjit


    Geschichte: Seine Eltern kamen nach Japan und haben sich dort niedergelassen, nachdem der Vater bei 'Thomas Games' eine Stelle als Designer erhielt. Kurz darauf wurde Ranjit geboren. Dieser erhielt natürlich als erster die Spielzeuge, die sein Vater entworfen hatte und hatte auch darüber hinaus eine glückliche Kindheit. Er hat durch den Umgang mit seinen unglaublich vielen Spielzeugen eine starke Naivität entwickelt. Er ist überaus kindlich und sehr verspielt. Er wohnt mit seinen Eltern in der Nähe des Hotels 'Shiro'. Er kann fliesend Japanisch und Hindi, behält aber bewusst den indischen Akzent bei, weil er seine Wurzeln in jedem Punkt sichtbar machen will, außer an der Kleidung.


    Aussehen: Er kleidet sich nach dem Trend in Japan, solange dieser etwas mit bunten Farben zu tun hat. Ansonsten ist er von den anderen Personen in Japan schwer zu unterscheiden.


    Alter: 15


    Größe: 1,75 m


    Gewicht: 75 Kg


    Charakter: pausenclownartig, sehr impulsiv, lacht gerne, offen für neue Menschen und Dinge, aber auch schnell zum rasen zu bringen. Hat einen indischen/hindi Akzent.


    Stärken: Witzig, aufmunternd, durch Akzent auch ungewollt witzig. Nett.


    Schwächen: schnelles "auf 180 sein", oft auch unangebrachte Witze, kaum Einfühlvermögen.

    09. Oktober – 20:01 Uhr - Kōchi-shi – Hotel 'Shiro'

    [Cale]

    "Ich habe es dir schon gesagt, dass ich nur dann hier schlafe, wenn Lardo hier schläft, also musst du ihn mit einladen, wenn du willst das ich mit dir komme." Solon war ja fast witzig. Cale sah ihn grimmig an. Er überlegte, was er antworten solle, als eine Frau hinter dem Tresen erschien und ihn fragte, ob sie etwas für ihn tun könne. Cale erwiderte: "Natürlich können sie das, junge Frau!" Seine Stimme hörte sich engelsgleich an und er setzte alles daran, dieser Frau sympathisch zu sein, denn das hatte ihm nicht selten etwas billiger kommen lassen.
    "Liebe Dame, ich würde gern drei Zimmer für diese Nacht buchen. Das beste wäre, wenn sie die Zimmer direkt nebeneinander legen, damit man sich in diesem großen Hotel auch schnell wiederfindet. Aber nur, wenn es keine Umstände macht. Suchen sie bitte in der Preisklasse bis 20000 Yen für alle drei zusammen, das wäre schön, wenn sie etwas finden, was das erfüllt. Vielen dank schon einmal im Voraus!" Cale grinste sie fröhlich an, nahm ihre Körperhaltung grob an, so dass sie es nicht merkte, fand ihn aber unterbewusst direkt sympathisch, das hatte er bei Versuchen gelernt. So könnte sie vielleicht ohne seine direkte Aufforderung etwas billigeres für ihn heraussuchen. Ansonsten müsste er das restliche Geld noch drauflegen. Bei diesem Gedanken schauderte ihm. 'Cale! Das ist Wahnsinn! Wofür brauchst du diese Personen? Du hast dich bisher immer gut durchschlagen können, wir brauchten niemanden! Du darfst nicht verweich-' 'Schnauze, Kamari! Sie werden mir noch nützen. Sobald sie akzeptieren, dass ich die Position des Anführers übernehme, werde ich ohne Probleme und ohne Zwischenfälle wie gerade eben die Gruppe leiten können. Also gib Ruhe, Kamari!' 'Nichts für ungut, aber was passiert, wenn etwas kommt wie.... Du weißt schon....' Kamari sandte Cale das Bild wieder in den Kopf, als er mit ihr am Meer in Schottland war. Einen Tag, bevor er sie und die Leichen seiner Eltern für immer verlassen hatte. Äußerlich hatte Cale nichts verändert, seine Mine war immer noch so herzlich wie vorher, doch innerlich wollte er schreien. Er hatte einen Riesenfehler gemacht, doch er konnte nicht mehr zurück. Er würde sie nie wieder sehen.

    09. Oktober – 19:55 Uhr - Kōchi-shi – Bibliothek


    [Cale]


    "Gut gemacht, dass wird Solon sicher helfen!!" Lardo sagte noch etwas zu Solon, behielt seine Hand aber auf Cales Schulter. Cale sah Lardo-san wütend an. Seit zwei Jahren hatte es sich niemand getraut, Cale zu berühren, und er hatte auch niemanden so nahe an sich herangelassen. Die einzige Person, die wohl noch lebte und welcher er es erlaubt hätte, ihn zu berühren, hatte er verlassen nach dem Tod seiner Familie. Kurzerhand ergriff er Lardo-sans Hand, welche er auf Cales linke Schulter gesetzt hatte, mit seiner rechten und dreht sich so schnell um, das Lardo-san nicht regieren konnte. Mit einer unglaublich schnellen Bewegung drehte er dessen Hand um, kurz vor den kritischen Punkt, an dem das Gelenk bersten würde und blickte finster in das sich zu Cale gewandte Gesicht Lardos. "Mach. Das. NIE. Wieder!" Er betonte jedes Wort mit einer Stimmlage, die selbst Lardo das fürchten zu lehren schien. Cale ließ Lardo-sans Hand los und wischte sich über die Schulter, an der Lardo ihn gepackt hatte, als wäre Staub dort. Er blickte Solon an. "Erst fragen, dann anfassen, dann erspart man sich sehr viel Ärger mit mir, merk dir das, wenn du es nicht mit mir verscherzen willst, Solon." Cale drehte den Kopf zu dem immer noch entsetzten Lardo-san. "Das gebietet der Anstand. Man durchbricht nicht ungefragt Grenzen, lieber Lardo-san. Tut mir leid für die Grobheit.", sagte er ohne merkliche Emotion. "Wollen wir also los? Sonst kommen wir heute überhaupt nicht mehr zum Schlafen!" Cale wandte sich in Richtung Hotel und ging vor, hörte aber schnell ihm folgende Schritte.

    09. Oktober – 19:55 Uhr - Kōchi-shi – Bibliothek


    Cale sah auf das Gebäude, welches nun anscheinend brannte. Es war eine der hinteren Ecken, dadurch konnten sie die lodernden Flammen nicht sehen, die gerade vielleicht das Wissensmaterial zerstörte, was sie brauchten. Oder sie hatten Glück und es zerstörte nur die Kochbuchabteilung. 'Hmm. Wenn aber einer dieser Blutsauger ein Kochbuch raus gebracht hätte, indem sie nebenbei erklären, wie sie das anstellen und dazu noch Informationen dazu gäben, wo sie sich befänden, wäre das schön blöd.', witzelte Cale in Gedanken. Lardo-san schien so in Gedanken an etwas anderes vertieft, dass er den schwarzen, dicken Rauch nicht wahrnahm. Solon schaute schnell zwischen ihnen hin und her, ohne Ahnung, was er tun sollte. "Ich denke Cale hat recht! Es bring nichts, wen wir uns jetzt noch in die Recherchen stürzen...Wir benötigen Schlaf, vor allem aber Ruhe!" Lardo-san schien wirklich weggetreten, denn er schaute direkt auf die Bibliothek, auf den Rauch, auf die Feuerwehrwagen, welche den Brand versuchten zu bekämpfen. "Lardo? Lardo-san? He! Wach auf, selbst wenn wir wollten, könnten wir nicht herein. Siehst du das? Das ist Rauch, das was kommt, wenn irgendwo ein Feuer ist, ja? Also kommt jetzt, ich glaube, ich habe auf dem Weg ein Hotel gesehen." Cale grinste innerlich. Natürlich war das mit dem Rauch Sarkasmus und Cale war sich sicher, dass wenigstens Lardo-san es verstanden hatte. Cale wandte sich kurz zu Solon. "Nun komm, auch du musst schlafen. Sei mein Gast, und nicht der Gast der Straßen und Brücken!" Cale drehte sich, ohne auf eine Antwort zu warten um und bewegte sich langsam auf ein Hotel zu, welches er auf dem Weg gesehen hatte.